Mehr Dialog, weniger Agitation

In einer lauten Welt plädiert Papst Leo XIV. für leisen, ehrlichen Dialog und kritisches Denken statt bloßer Meinung

Quelle
Junger BKU traf sich in Köln zum Kongress | Die Tagespost

04.06.2025

Thomas Rusche

Papst Leo XIV. ist ein Mann des Dialogs und der klaren Worte. Er ist ein Friedensstifter und ruft uns dazu auf, eine “Kultur der Begegnung” zu schaffen. “Es gibt so wenig echten Dialog um uns”, beklagt der neue Papst: Deshalb “müssen wir die Pflicht wiederentdecken, betonen und kultivieren, andere in kritischem Denken zu schulen”. Die Kraft einer fundierten Urteilsbildung wächst im Dialog mit der Wissenschaft und allen anderen, die sich mit ihren jeweiligen Einsichten einbringen.

Jeder Diskurs lebt von klaren Argumenten, die durch Grundüberzeugungen geprägt werden. Papst Leo empfiehlt uns, die katholische Soziallehre besser kennenzulernen. Mit ihren systematisch formulierten Prinzipien bietet sie für alle Lebenslagen Orientierung. Auch in der Unternehmensführung gilt: Nur wer die Firmengrundsätze kennt, kann sie kompetent anwenden und überzeugend vertreten. Ein Diskurs beginnt mit der Selbstvergewisserung, was mir wichtig und richtig erscheint, wofür ich ganz konkret aus Überzeugung einstehen möchte. Vieles klärt sich allerdings erst im Dialog, weil mich die Argumente der anderen überzeugen und mir helfen, meine eigene Sichtweise zu überdenken. Ich lerne, die Welt durch Zuhören und Nachfragen aus einer anderen Perspektive zu verstehen und komme dadurch zu neuen Einsichten. Deshalb betont Papst Leo XIV, dass klar geregelte Diskurse helfen, Probleme zu lösen und einander näherzukommen. Eine Regel dafür ist die Inklusion: Die Argumente aller sind zu hören, insbesondere auch der Armen, Schwachen und Ausgegrenzten.

“Leo XIV. zeigt, dass diskursive Offenheit und divergierende Argumente kein Gegensatz sind.”

Diskurse sind ein wichtiges Gegengift, um in einer Welt voller Fake News der Wahrheit zum Zuge zu verhelfen. Jeder Diskurspartner ist verpflichtet, nur das vorzutragen, was er tatsächlich meint und aus seiner Sicht den Tatsachen entspricht. Diskurse treiben mit ihren Diskussionen insbesondere auch die wissenschaftliche Forschung voran und dienen der Überprüfung von Hypothesen und Entscheidungsalternativen. Trotz möglicher Fehleinschätzungen sind Diskurse der beste Weg, um verlässliches und systematisches Wissen über ein Thema zu generieren und fundierte Urteile zu fällen. Auf dem Weg einer konsensualen Wahrheitssuche, bei der sich Imponiergehabe ebenso verbietet wie destruktive Agitation, können jedoch divergierende Überzeugungen bestehen bleiben.

Es bedarf deshalb einer wechselseitigen Toleranz, den anderen auch dann zu achten, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Jetzt ist die Fähigkeit gefragt, einen Dissens auszuhalten, ohne dem anderen Vorhaltungen zu machen oder ihm gar Vernunft und Würde abzusprechen. Papst Leo XIV. zeigt der Welt, dass diskursive Offenheit und divergierende Argumente kein Gegensatz sind, sondern sich wechselseitig befruchten. Nur wer mehr Dialog wagt und in der argumentativen Auseinandersetzung nach einem gemeinsamen Weg sucht, wird die Probleme unserer Zeit lösen und der Menschheit Frieden schenken können.

Thomas Rusche lehrt Philosophie an der Uni Siegen, der WHU Vallendar und der Hochschule für Philosophie München.

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