Leo XIV.: “Habt den Mut, Gott um Erbarmen zu bitten”
Mittwochskatechese des Papstes – In seiner heutigen Katechese spricht Leo XIV. über den blinden Bartimäus. Hier im Wortlaut die Ansprache des Papstes bei der Generalaudienz
Quelle
“Die Arbeit im Weinberg des Herrn stiftet Lebenssinn” | Die Tagespost
Begegnung mit Papst Leo XIV.: Ein bewegender Moment für die Mission @missioaustria
11.06.2025
Meldung
Beginnend mit seiner ersten Generalaudienz am 21. Mai hat Papst Leo XIV. das Thema der Mittwochskatechese fortgeführt, das noch sein Vorgänger Franziskus begonnen hatte. Es geht um die Gleichnisse und Begegnungen Jesu, von denen die Evangelien berichten. Im Folgenden die Ansprache des Papstes vor rund 40.000 Pilgern und Besuchern der heutigen Generalaudienz, bei der es um den blinden Bettler von Jericho ging:
Liebe Brüder und Schwestern,
mit dieser Katechese möchte ich unseren Blick auf einen anderen wesentlichen Aspekt des Lebens Jesu lenken, und zwar auf seine Heilungen. Deshalb lade ich euch ein, eure schmerzhaftesten oder zerbrechlichsten Stellen vor das Herz Christi zu bringen, jene Stellen in eurem Leben, an denen ihr euch festgefahren und blockiert fühlt. Bitten wir den Herrn voller Vertrauen, unseren Schrei zu hören; bitten wir ihn, uns zu heilen!
Die Figur, die uns bei dieser Betrachtung begleitet, hilft uns zu verstehen, dass wir nie die Hoffnung aufgeben dürfen, auch wenn wir uns verloren fühlen. Es handelt sich um Bartimäus, einen blinden Bettler, dem Jesus in Jericho begegnet. Der Ort ist bedeutsam: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, aber er beginnt seine Reise sozusagen in der “Unterwelt” von Jericho, einer Stadt unterhalb des Meeresspiegels. Jesus ist in der Tat durch den Tod gegangen, um den gefallenen Adam, der für jeden von uns steht, zurückzubringen.
Bartimäus bedeutet “Sohn des Timäus”: Er beschreibt diesen Mann also durch eine Beziehung, dennoch ist er mutterseelenallein. Dieser Name könnte aber auch “Sohn der Ehre” oder “Sohn der Bewunderung” bedeuten, also genau das Gegenteil der Situation, in der er sich befindet. Und weil der Name in der jüdischen Kultur so wichtig ist, heißt das, dass Bartimäus durch sein Leben nicht dem gerecht wird, wozu er berufen ist. Im Gegensatz zu der großen Menschenmasse, die hinter Jesus geht, bleibt Bartimäus stehen. Der Evangelist sagt, dass er auf der Straße sitzt und jemanden braucht, der ihn wieder auf die Beine bringt und ihm hilft, weiterzugehen. Was können wir tun, wenn wir uns in einer Situation befinden, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint? Bartimäus lehrt uns, auf die Fähigkeiten zurückzugreifen, die wir in uns tragen und die ein Teil von uns sind. Er ist ein Bettler, er kann bitten, ja er kann schreien! Wenn du dir etwas wirklich wünschst, dann tust du alles, um es zu erreichen, auch wenn andere dir Vorwürfe machen, dich demütigen und dir sagen, du sollst es sein lassen. Wenn du dir etwas wirklich wünschst, dann schreie weiter!
Oft blockiert uns gerade unsere Sicherheit
Der Schrei des Bartimäus aus dem Markusevangelium – “Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!” ist in der östlichen Tradition zu einem bekannten Gebet geworden, das auch wir verwenden können: “Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, hab Erbarmen mit mir Sünder”. Bartimäus ist blind, aber paradoxerweise sieht er besser als die anderen und erkennt, wer Jesus ist! Angesichts seines Schreis bleibt Jesus stehen und lässt ihn rufen, denn es gibt keinen Schrei, den Gott nicht hört, auch wenn wir uns nicht bewusst sind, uns an ihn zu wenden. Es scheint seltsam, dass Jesus – bei einem Blinden – nicht sofort zu ihm hingeht; aber wenn wir darüber nachdenken, ist gerade das der Weg, um Bartimäus’ Leben zu reaktivieren: Er fordert ihn auf, aufzustehen, er vertraut darauf, dass er gehen kann. Der Mann kann wieder auf die Beine kommen, er kann sich aus seinem Todeskampf erheben. Aber dazu muss er eine sehr bedeutsame Geste machen: Er muss seinen Mantel wegwerfen!
Für einen Bettler ist der Mantel alles: Er bietet Sicherheit, er ist Heimat, er ist ein Gewand, das ihn beschützt. Sogar das Gesetz schützte den Mantel des Bettlers und verlangte, ihm den Mantel am Abend zurückzugeben, wenn man ihn als Pfand genommen hatte. Doch oft ist es gerade unsere vermeintliche Sicherheit, die uns blockiert, das, was wir uns zu unserem Schutz angezogen haben und was uns stattdessen hindert, uns zu bewegen. Um zu Jesus zu gehen und sich heilen zu lassen, muss Bartimäus sich ihm in seiner ganzen Verwundbarkeit ausliefern. Das ist der grundlegende Schritt auf dem Weg der Heilung.
Was Bartimäus rettet, rettet jeden von uns
Sogar die Frage, die Jesus ihm stellt, scheint seltsam: “Was willst du, dass ich dir tue?” Aber tatsächlich ist es keine Selbstverständlichkeit, dass wir von unseren Krankheiten geheilt werden wollen; manchmal ziehen wir es vor, an Ort und Stelle zu bleiben, um keine Verantwortung zu übernehmen. Bartimäus‘ Antwort ist tiefgründig: Im griechischen Original verwendet er das Verb “anablepein”, das “wieder sehen” bedeuten kann, das wir aber auch mit “aufblicken” übersetzen könnten. Bartimäus will in der Tat vielmehr nicht nur wieder sehen können, er will auch seine Würde wiedererlangen! Um aufzuschauen, muss man den Kopf heben. Manchmal stecken Menschen fest, weil das Leben sie gedemütigt hat. Sie wollen nichts mehr, als sich selbst wieder wertschätzen zu können.
Das, was Bartimäus rettet, und jeden von uns, ist der Glaube. Jesus heilt uns, damit wir frei werden können. Er fordert Bartimäus nicht auf, ihm zu folgen, sondern sagt ihm, er solle gehen, er solle sich wieder auf den Weg machen. Markus schließt die Erzählung jedoch mit dem Bericht, dass Bartimäus begann, Jesus zu folgen: Er entschied sich aus freien Stücken, demjenigen zu folgen, der der Weg ist!
Liebe Brüder und Schwestern,
bringen wir voller Vertrauen unsere eigenen Krankheiten und die unserer Lieben vor Jesus, tragen wir zu ihm auch den Schmerz derer, die sich verloren und ausweglos fühlen. Lasst uns auch für sie schreien und darauf vertrauen, dass der Herr uns erhört und stehenbleibt.
Erschüttert zeigte sich Leo XIV. Generalaudienz auf dem Petersplatz über die Gewalttat in Graz, bei der am Dienstagvormittag nach bisherigen Informationen elf Menschen ums Leben kamen. In einem kurzen Appell bei der Fürbitte für die Verstorbenen erinnerte er an die Opfer und drückte seinen geistlichen Beistand für alle Betroffenen aus. “Ich versichere mein Gebet für die Opfer der Tragödie, die sich an der Schule in Graz ereignet hat”, sagte der Papst. “Ich bin den Familien, den Lehrkräften und den Mitschülern nahe. Der Herr nehme diese seine Kinder in seinen Frieden auf.” In seinen Grußworten in polnischer Sprache erinnerte der Papst an die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu, die traditionell im Juni gefeiert wird. “Ich ermutige euch, diese Tradition zu pflegen”, bat er und lud dazu ein, alle Sorgen und Hoffnungen dieser “Quelle des Lebens und der Heiligkeit” anzuvertrauen.
Vatican News/DT/gho
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.
Themen & Autoren
Meldung
Jesus Christus
Katechese
Leo XIV.
Markusevangelium
Petersplatz
Päpste
Schreibe einen Kommentar