“Leo XIV. betont mit Gewaltfreiheit zentralen Aspekt des Friedens”

Auf Papst Leo XIV. ruhen viele Hoffnungen, er möge zu mehr Frieden in der Welt beitragen können. Sein Start als Friedenspapst war vielversprechend, sagte uns Marie Dennis von der katholischen Friedensinitiative von Pax Christi International. Die US-Amerikanerin erklärt in unserem Interview, warum sie insbesondere Leos Aufruf zu einer Entwaffnung der Sprache für grundlegend hält

Quelle
pax christi – Internationale Katholische Friedensbewegung – Deutsche Sektion
Justita et Pax: Organisierte Kriminalität gesamteuropäische Herausforderung – Vatican News
Missionar in Kenia: “Entwaffnender Frieden statt endloser Gewalt” – Vatican News
Kardinal Parolin fordert koordinierte, friedliche Abrüstung – Vatican News

Mit seinem ersten öffentlichen Satz als Papst: “Der Friede sei mit euch allen” hat Leo XIV. im Kern ein christliches Programm der Gewaltfreiheit ausgegeben. “Es war faszinierend, wie Papst Leo so direkt über einen entwaffneten und entwaffnenden Frieden sprach, und dann über einen Frieden, der uns auffordert, Worte und die Welt zu entwaffnen”, so Marie Dennis, die Leiterin der Catholic Nonviolence Initiative bei Pax Christi International. Vor Medienschaffenden und auch vor Diplomaten führte der Papst wenige Tage später aus, zunächst brauche die Sprache selbst Entwaffnung. Gewaltfreie Kommunikation – das ist für Marie Dennis die Praxis der Stunde.

“Das ist gerade jetzt besonders wichtig, denn wir leben in einer Zeit, in der so viel Kommunikation komplett körperlos ist“, so Marie Dennis. „Wir kommunizieren per Textnachricht und vergessen, dass elektronische Kommunikation, selbst wenn wir sie nicht hören können, Emotionen transportieren kann. Sie können durch die Wortwahl, die Schriftart und die verwendete Zeichensetzung Gewalt implizit vermitteln. Ich fand das eine so wichtige und brillante Betonung von Papst Leo, denn es ist etwas, das wir alle lernen müssen.“

Gewaltfreiheit: eine erlernbare Lebenshaltung

Gewaltfreiheit in der Sprache und in Beziehungen umschreibt genau, wofür sich Pax Christi sich einsetzt, sagt Marie Dennis. Letztlich gehe es um eine Lebenshaltung, die am Beginn jeder Friedensarbeit steht: „Gewaltfreiheit muss in unsere politische Arena der Möglichkeiten gebracht werden, aber Gewaltfreiheit muss auch eine Spiritualität und eine Lebensweise sein, und wir sollten bei den Kleinsten anfangen und ihnen helfen zu verstehen, dass Gewalt nicht dasselbe ist wie Konflikt, dass Konflikte Teil unseres Lebens sein werden, ob zwischen Geschwistern oder zwischen Nationen.“

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Schon kleine Kinder könnten und sollten lernen, in Konflikten gut zu reagieren, hob Marie Dennis hervor. Für sie ist diese Technik die Basis jeder Friedensarbeit. „Gewaltfreie Kommunikation: wie man eine Situation sicher unterbricht, in der Gewalt droht. Papst Leo hat diese Technik gewürdigt, indem er über Gewaltfreiheit sprach. Er hob die Protagonisten gewaltfreier Friedensprozesse hervor. Er verwies auf inspirierende Menschen und Gemeinschaften – und es gibt viele von ihnen auf der Welt –, die trotz schrecklicher Gewalterfahrungen beschlossen haben, gewaltfrei zu reagieren und gelernt haben, dies zu tun.“

„Papst Leo betonte unmissverständlich, dass Gewaltfreiheit für das Gemeinwohl und für die Entwicklung eines Volkes von zentraler Bedeutung ist“

Nicht zuletzt habe Leo auch einen wichtigen Punkt von Papst Franziskus aufgegriffen: „Wir dürfen uns nicht als isolierte Individuen verstehen, die alles selbst machen müssen, sondern als Menschen, die Teil einer Gemeinschaft sind und sich für das Gemeinwohl einsetzen. Papst Leo betonte unmissverständlich, dass Gewaltfreiheit für das Gemeinwohl und für die Entwicklung eines Volkes von zentraler Bedeutung ist.“

Die Catholic Nonviolence-Initiative hat vergangenes Jahr in Rom ein Institut gegründet, das gerne dazu bereit ist, Papst Leo und dem Vatikan stärker zuzuarbeiten, so Marie Dennis. Der neue Papst habe die Relevanz gewaltfreier Friedensarbeit deutlich gemacht – jetzt gehe es darum, auch Expertise bereitzustellen, man stehe zur Verfügung. „Wir hoffen, dass das Institut eine wirkliche Ressource für die Kirche sein wird – auf allen Ebenen.“

Gewaltfreiheit: es funktioniert und es ist die einzige Wahl

In den vergangenen Jahrzehnten sammelte die katholische Friedensbewegung Pax Christi, die vor 80 Jahren entstand, weltweit Erfahrungsberichte, warum Menschen sich für Gewaltfreiheit entscheiden – „etwa weil es funktioniert, und weil es die einzige Wahl ist“, so Marie Dennis. Daraus sei dann bei einer Vatikan-Konferenz 2016 schließlich die Catholic Nonviolence Initiative hervorgegangen, die das Ziel habe, „Gewaltfreiheit mehr in den Mittelpunkt der katholischen Lehre und der Praxis zu bringen“.

„Wir sehen, dass Gewaltfreiheit immer mehr in den Mittelpunkt der katholischen Lehre über Gewalt und Krieg rückt“

Marie Dennis, die 1942 geboren wurde und kurze Zeit als Physikerin für die US-Navy arbeitete, hat in den vergangenen Jahrzehnten viel Bewegung bei der katholischen Friedenslehre beobachtet. Lange gab es die auch kirchlich vertretene Theorie vom „gerechten Krieg“ und die Ansicht, der Weg zum Frieden führe leider manchmal über Gewalt. Ende der 1980er Jahre habe die Kirche begonnen, „Gewaltfreiheit zu lehren, gewaltfreie Bewegungen zu unterstützen und den Zusammenhang zwischen Evangelium und Gewaltfreiheit zu erkennen“, fasst die US-Amerikanerin zusammen. „Wir sehen, dass Gewaltfreiheit immer mehr in den Mittelpunkt der katholischen Lehre über Gewalt und Krieg rückt. Und natürlich geht es bei Gewaltfreiheit nicht nur um Krieg. Sie ist eine Reaktion auf eine zwischenmenschliche Konfliktbewältigung bis hin zum offenen Krieg.“

In den vergangenen 15 Jahren sei der Wandel in der katholischen Friedensethik besonders deutlich. Marie Dennis: „Wenn wir beispielsweise Anfang der 2000er Jahre über Gewaltfreiheit sprachen, neigten die Verantwortlichen dazu, uns die Wange zu tätscheln und zu sagen, das ist zwar schön und gut, aber nicht realistisch, sondern irgendwie idealistisch. Und das ist einfach nicht mehr der Fall.“

Pax Christi International ist heute in über 100 Ländern aktiv. Die Organisation arbeitet mit Bischofskonferenzen, Ordensgemeinschaften, katholischen Universitäten und Laien zusammen.

(vatican news – gs)

 

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04. Juni 2025

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