Elternschaft – Wann ist ein Vater ein Vater?

Eine erfüllte Vaterschaft gibt Männern Lebenssinn und ihren Kindern Unabhängigkeit und emotionale Stabilität. Aber was macht einen Vater und erfüllte Vaterschaft aus?

Quelle
Gottvater

07.06.2025

Susanne Hartfiel

Allgemeiner Konsens darüber, was zur Rolle des Vaters oder des guten Vaters gehört, welche Erwartungen, Verhaltensweise, Pflichten und Privilegien mit der Vaterschaft verbunden sind, existiert in den westlichen Gesellschaften nur noch begrenzt. Wo früher innerhalb derselben Kultur in Bezug auf die Vaterrolle weitgehend Übereinstimmung herrschte, wird heute vieles neu gedacht oder ausgehandelt. Moderne westliche Gesellschaften haben nicht nur zahlreiche neue Familienformen hervorgebracht, die neben der klassischen Eltern-Kind-Familie bestehen, sondern auch einen hohen Anteil erwerbstätiger Mütter und die häufige Abwesenheit von Vätern im Leben ihrer Kinder. Letzteres hat dazu geführt, dass der Staat über Bildungseinrichtungen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen und finanzielle Zuwendungen an alleinstehende Eltern (meist Mütter) eine immer größere Rolle im Familienleben einnimmt. Zugleich übernehmen Väter Aufgaben, die früher eher den Müttern zugeschrieben wurden.

Obgleich sich die sozialwissenschaftliche und entwicklungspsychologische Forschung bisher mehr mit Müttern als mit Vätern beschäftigt, finden sich darin einige interessante Erkenntnisse zur Vaterrolle. Unterschieden werden etwa der Versorger, der Beschützer, der abwesende Vater, der primäre Kinderbetreuer, der gleichberechtigte Kinderbetreuer (Co-Parenting) oder der Assistent der Mutter, dessen Rolle primär auf die Mutter und weniger auf das Kind ausgerichtet ist. Außerdem gibt es “Disziplinierer”, Spielkameraden und viele mehr. Viele väterliche Rollen können gleichzeitig eingenommen werden und sich im Laufe der Zeit verändern. Sie werden unter anderem von den Bedürfnissen der Kinder, den Rollen der Mutter, Erwartungshaltungen (etwa der Ehefrau oder anderer Männer), von situativen Anforderungen, von Kompetenz und Selbstvertrauen des Mannes in seiner Vaterrolle und von der Bedeutung beeinflusst, die der Mann seiner Vaterschaft zuschreibt. Unterscheiden lassen sich väterliche Rollen auch hinsichtlich Qualität und Intensität des Engagements (ausschließlich finanzielle Versorgung und Organisation von Diensten versus zusätzliche Anwesenheit, Verfügbarkeit und Beziehungsarbeit) und der Nähe oder Entfernung zum Kind (Fokus auf Aufsicht versus eine von Wärme und Sensibilität geprägte Vater-Kind-Beziehung).

Vatersein gibt Zugehörigkeit

Die meisten Männer erleben die erste Schwangerschaft und Geburt sowie die ersten Monate mit dem Neugeborenen als krisenhaft, weil sie sich überfordert fühlen und die Beziehung zur Mutter neu austariert werden muss. Dennoch beurteilen viele ihre Vaterschaft positiv. Die Vaterrolle befriedigt grundlegende psychologische Bedürfnisse, etwa nach Zugehörigkeit, einem positiven Selbstbild und Lebenssinn. Sie schenkt Freude und andere positive Gefühle. Familien können wichtige Quellen sozialer Integration und Unterstützung sein. Kinder können vor Einsamkeit und mangelnder Unterstützung im Alter bewahren oder den Verlust der (Ehe-)Partnerin abmildern. Eine positive Beziehung zu den eigenen Kindern kann Unzufriedenheit in anderen wichtigen Rollen ausgleichen.

Ob und in welchem Maß die eigene Vaterschaft positiv erlebt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Väter erleben ihre Rolle positiver, wenn sie mit ihrer intakten biologischen Familie im selben Haushalt leben und Kontakt zu ihren Kindern haben, während sich familiäre Trennungsgeschichten, Patchworkfamilien und der Kontaktverlust zum Kind oft nachteilig auf das Wohlbefinden der Väter auswirken. Solche Lebenssituationen können zu Versagens- und Schuldgefühlen und zu Schwierigkeiten bei der Erfüllung und Ausgestaltung der väterlichen Rolle bei gleichzeitigem Verlust der lohnenden Aspekte der Vater-Kind-Beziehung führen. Auch alleinerziehende Väter erleben im Vergleich zu Vätern in intakten Familien mehr Stress, depressive Verstimmungen und eine geringere Lebenszufriedenheit. Solche Probleme können abgemildert werden, wenn die Kinder zumindest teilweise im väterlichen Haushalt wohnen, häufiger Kontakt besteht oder der Vater eine neue Familie gründet. Dennoch sind die glücklichsten Väter diejenigen, die in ihrer intakten biologischen Familie mit ihren eigenen Kindern zusammenleben.

Zentral für viele Väter scheint ihre Rolle als Versorger zu sein. Väter, die in Vollzeit arbeiten oder in Bezug auf Arbeit und Einkommen eine traditionelle Vaterrolle einnehmen, kümmern sich tendenziell mehr um ihre Kinder als Väter, die weniger arbeiten. Anders formuliert: Wenn ökonomische Rahmenbedingungen dazu führen, dass Väter mit ihrer Arbeit nur wenig Familieneinkommen erwirtschaften, leiden darunter auch die Kinder. Nicht nur aufgrund von Armut, sondern auch, weil dies einen zentralen Aspekt der Vaterrolle infrage stellt. Väter, die beispielsweise gezwungen werden, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern, weil sie selbst arbeitslos sind, während die Mutter das Familieneinkommen erwirtschaftet, verbringen zwar mehr Zeit mit ihren Kindern, entwickeln aber oft einen übermäßig strengen Erziehungsstil.

Und die Kinder?

Für Kinder ist eine positiv erlebte Beziehung zum Vater elementar. Väter erleichtern ihren Kindern die Trennung von der Mutter, die Entwicklung ihrer eigenen Identität und die Auseinandersetzung mit der Außenwelt. Väter fördern die kindliche Unabhängigkeit in der Regel mehr als Mütter und spielen andere, oft körperbetontere Spiele. Durch den Umgang mit dem Vater fällt es Kindern leichter, ihr Verhalten und ihre Emotionen zu kontrollieren, sodass Hyperaktivität oder Verhaltensstörungen weniger wahrscheinlich sind. Kinder reagieren auf Väter anders als auf Mütter, etwa sensibler auf Ärger oder Aggressivität des Vaters, als auf entsprechende Emotionen der Mutter. Viele Studien zeigen, dass väterliches Spiel mit dem Kind schon im Kleinkindalter zu einer besseren sozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung der Kinder beiträgt. Ebenso geht eine starke und enge Beziehung Jugendlicher zu ihrem im selben Haushalt wohnenden Vater mit einer besseren schulischen, emotionalen und verhaltensbezogenen Entwicklung einher.

Wie diese positiven Entwicklungen zustande kommen, wird kontrovers diskutiert. Es gibt weitere Einflussfaktoren, etwa dass eine harmonische Ehe zwischen Mutter und Vater die positive kindliche Entwicklung begünstigt, während eine nicht-harmonische das Gegenteil bewirkt. Manche Forscher argumentieren, dass Kinder von der Interaktion mit zwei engagierten Elternteilen und damit unterschiedlichen Verhaltensstilen profitieren. Manche betonen, dass dieser Stilunterschied geschlechtsspezifisch ist. Außerdem profitieren Kinder vom doppelten Einkommen, während Armut in engem Zusammenhang mit geringen schulischen Leistungen, psychosozialen Problemen und Straffälligkeit steht.

Die angeführten Forschungsergebnisse bilden immer nur Wahrscheinlichkeiten ab. Es ist durchaus möglich, dass sich einzelne Väter und Kinder ganz anders verhalten und entwickeln, vielleicht weil sie Einflussfaktoren ausgesetzt sind, die nicht ausreichend erforscht oder berücksichtigt wurden oder weil Menschen äußerst komplex sind. Die Forschung kann trotzdem hilfreich sein. Beispielsweise verdeutlicht sie die unterschiedlichen Facetten der Vaterrolle. Für Eltern kann es hilfreich sein, sich diese bewusst zu machen und gemeinsam darüber zu sprechen, auch darüber, wie die Vaterrolle konkret gelebt wird oder gelebt werden sollte.

Der perfekte Vater ist Gott

In der Heiligen Schrift kommt das Wort “Vater” mehrere hundert Male vor. Die Bibel kann eine Quelle tiefer Inspiration für Väter sein, die sich fragen, wie sie ihre Rolle als Vater auf positive Weise leben können. Da ist zunächst Gott, der perfekte Vater und ultimatives Vorbild für menschliche Väter. Er ist immer anwesend, immer ansprechbar, sorgt für seine Kinder und zeigt ihnen seine beständige, aufopferungsvolle Liebe, die unabhängig von der Leistung der Kinder ist. Zwar diszipliniert er sie, um sie zu Reife und Weisheit zu führen, ist dabei aber unendlich geduldig und barmherzig. Wenn eines ihn verlässt und zu ihm zurückkehrt, läuft er ihm entgegen, hört sich seine Entschuldigung nur teilweise an und startet ein Freudenfest.

Außerdem gibt es die Beziehung Jesu zum Vater, das Vaterunser und viele Gleichnisse, in denen Jesus Vater-Kind-Bilder benutzt, um Gottes Liebe zu verdeutlichen. Auch zahlreiche menschliche Väter in der Heiligen Schrift können heutigen Vätern als Vorbilder dienen. Da ist etwa Josef, der Pflegevater Jesu, ein großer Schweiger und Hörer auf Gott, der immer sofort auf göttliche Anrufe reagiert. Er zeigt Maria und Jesus seine selbstlose Liebe und beschützt sie in ihrer Verletzlichkeit. Auch von Vätern, die versagen, berichtet die Bibel, etwa von König David, dem Ehebrecher und Auftragsmörder. Er zeigte große Reue und gab die Hoffnung auf Vergebung und Erneuerung seiner Beziehung zu Gott nicht auf, auch gegenüber seinen Kindern zeigte er große Liebe. Paulus hingegen ist ein Beispiel für geistliche Vaterschaft. Seine Briefe sind voll väterlicher Sprache, Timotheus etwa ist sein “echter Sohn durch den Glauben” (Tim 1,2).

Ganz allgemein könnte man sagen, dass die Vaterrolle in der Heiligen Schrift die Elemente des Versorgers, Beschützers, Erziehers, Lehrers und geistlichen Leiters beinhaltet. Sie ist nicht nur auf die Kinder, sondern auf den gesamten Haushalt ausgerichtet und wird mit Liebe, Opferbereitschaft, Weisheit, Vergebungsbereitschaft und größtmöglicher Präsenz gefüllt. Wenn Väter versagen, gilt der Rat des Epheserbriefs (vgl. Eph 4,31-32), nämlich Bitterkeit, Wut und Zorn zu verbannen und zu vergeben. Wenn menschliche Väter abwesend sind, ist Gott als “Vater der Waisen” (Ps 68,6) umso anwesender und die Gemeinschaft der Gläubigen beauftragt, für sie zu sorgen (Jak 1,27).

Die Autorin ist Dipl.-Sozialwissenschaftlerin und arbeitet an der Universität Bremen.

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