Die alte Garde wird nervös
Zwei öffentliche Mitteilungen aus dem Vatikan an Leo XIV. deuten an, dass der neue Papst nicht alles im Sinne von Franziskus fortsetzen könnte
16.05.2025
Den vielen Stimmen, die sich vor dem Konklave dem Rätselraten über den Ausgang der Papstwahl hingaben, folgen jetzt die Stimmen derer, die über die ersten Schritte des am Ende schließlich Gewählten spekulieren. Das alles sind Nebelschwaden, die man geduldig vorüberziehen lassen muss, bis Leo XIV. dann tatsächlich Entscheidungen fällt.
Drei Felder sind dabei im Visier: Die ersten definitiven Ernennungen, die der neue Papst vornehmen wird. Bisher hat er die Kurienpräfekten nur vorläufig im Amt bestätigt. Dann – und das kann etwas länger dauern – die große Frage, wie es mit dem synodalen Weltprozess weitergeht. Immerhin hat Kardinal Mario Grech noch als amtierender Generalsekretär der römischen Bischofssynode mit einem Schreiben vom 15. März alle Patriarchen und Großerzbischöfe der orientalischen Kirchen, alle Bischofskonferenzen der Welt und deren kontinentalen Zusammenschlüsse mit der Nachricht aufgeschreckt, dass jetzt im Mai eine Verlängerung dieses Weltprozesses beginnen soll, der mit einer Kirchenversammlung im Oktober 2028 enden soll. Franziskus habe das noch im Krankenhaus “endgültig approbiert”.
Daran ist Leo XIV. nicht gebunden. Aber er muss entscheiden, ob er diese Approbation seines Vorgängers bestätigt oder in Sachen Synodalität andere Wege geht. Wenn er sie überhaupt gehen will.
Offener Brief aus der Kurie an den Papst
Schließlich der Punkt, der am meisten Zeit brauchen wird: mögliche Korrekturen der Kurienreform seines Vorgängers. Kanonisten, Bischöfe und Kardinäle wie etwa Benjamin Stella im Vorkonklave haben kritisch angemerkt, dass die Trennung von Weihe- und Jurisdiktionsgewalt, die es Franziskus dann ermöglichte, Präfektenämter in der Kurie mit einer Frau zu besetzen, hinter das Zweite Vatikanum zurückgehe, das einem Bischof mit seiner Weihe auch automatisch die Jurisdiktionsgewalt bei kanonischen Entscheidungen gab.
Merkwürdigerweise sind die letzten beiden Fragen genau jene, die die Betroffenen in der Kurie nervös gemacht haben. Am 12. Mai, nur vier Tage nach der Wahl Leos, hat die Führung des Synodenrats – Kardinal Grech, Schwester Nathalie Becquart und Bischof Luis Marín de San Martín – in einem öffentlich gemachten Brief an Papst Leo dem zwar zur Wahl gratuliert, ihn aber auch deutlich daran erinnert, dass es auf dem Weg zu einer synodaleren Kirche noch viel zu tun gebe und entsprechende Arbeitsgruppen dem Papst bald entsprechende Vorschläge unterbreiten werden, die die ganze Kirche betreffen würden. Abgesehen davon, dass es absolut unüblich und noch nie vorgekommen ist, dass ein Organ der Römischen Kurie sich mit einem offenen Brief an den neugewählten Papst wendet, ist es fast schon anmaßend, diesen in eine ganz bestimmte Richtung drängen zu wollen.
Leo XIV. kann andere Akzente setzen
Erstaunlicherweise hat sich auch die Präfektin des Dikasteriums für die Orden und Institute des apostolischen Lebens, Schwester Simona Brambilla, mit einer öffentlichen Mitteilung ihres Hauses für die provisorische Bestätigung im Amt bei Papst Leo bedankt. Sie erneuere die Hingabe an ihr Amt, das ihr der Herr durch Papst Leo XIV. anvertraue, heißt es darin. Alle anderen Kurienspitzen – bis auf das Synodensekretariat – haben auf ihre vorläufige Bestätigung in ihrem Amt so reagiert, wie man das im Vatikan in der Regel tut: nämlich gar nicht. Man wartet geduldig ab, bis der Papst seine endgültigen Personalentscheidungen fällt. Nur im Ordens-Dikasterium und im Hauptquartier der Synode scheinen die Nerven offen zu liegen.
Verwundern tut das nicht, denn schon mit seinen ersten Gesten hat Leo XIV. deutlich gemacht, dass er die Freiheit besitzt, auch andere Akzente zu setzen, als das sein Vorgänger tat.
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