Wer glaubt, provoziert – Eine Betrachtung zum Osterfest

Und doch feiern wir die Osternacht, singen die Allerheiligenlitanei – und wissen, wie sehr wir der Fürsprache aller Heiligen bedürfen

Quelle
Papst Franziskus: Auferstehung ist endgültiger “Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte”
Papst Franziskus beklagt bei Segen “Urbi et Orbi” den “Todeswillen” in der Welt von heute
“Ostern lässt uns in Bewegung geraten”: Papst Franziskus zum Ostersonntag
Turiner Grabtuch und Ostersonntag: Zeichen der Auferstehung
Für Jesus Christus ist sein Pessach der Übergang “aus dieser Welt zum Vater”
Botschaft “Urbi et Orbi” – Ostern 2012 | BENEDIKT XVI.

Von Thorsten Paprotny

20. April 2025

“Das kann ich mir nicht vorstellen”, so sagen wir frei heraus, wenn uns Freunde, Verwandte und Kollegen von schier wundersamen Begebenheiten erzählen oder schlicht Überraschendes berichten.

In einer zerrütteten Ehe versuchen es die zuinnerst einander entfremdeten Partner noch einmal miteinander. Neulich wurden sie gemeinsam im Café gesehen, freundlich, vielleicht liebevoll einander zugewandt. Oder war das eine optische Täuschung? Finden die beiden etwa wieder einen Weg zueinander? Jeder vernünftige Mensch sagt: “Das kann ich mir nicht vorstellen.”

Ein ewiger Student aus der fernen Verwandtschaft lernt wider Erwarten für das Examen. Ob er diesmal durchhält? Der begründete Zweifel könnte größer nicht sein.

Und dann ist da die Nachbarin, vor langer Zeit getauft, später lange selbstbewusst, geradezu enthusiastisch konfessionslos. Neulich erzählt sie, erst vorsichtig, dann mit einem unerklärlichen Leuchten in den Augen, dass sie manchmal in die Kirche geht, um Kerzen anzuzünden, und dass sie überlegt, wieder in die Kirche einzutreten. “Das kann ich mir nicht vorstellen”, meinen Christen und Agnostiker, denn ihr Bekenntnis zur Gottlosigkeit, ob gelegen oder ungelegen, vertrat sie so vollmundig wie glaubwürdig.

Unsere Phantasie, unser Vorstellungsvermögen ist begrenzt. Auf unseren skeptischen Realismus, zuweilen mit Nostalgie und Wehmut an die guten alten Zeiten denkend, halten wir uns viel zugute, ob Kleriker oder Weltchrist, erfahren in und erschöpft von lähmenden Strukturdebatten in der Kirchenprovinz Deutschland.

Wunder gibt es immer wieder? Das ist doch nicht mehr als eine Schlagerweisheit. Jedenfalls können oder wollen wir uns das nicht vorstellen. Die säkulare Gegenwart scheint uns nicht weniger zu ernüchtern als die Karwoche die Jünger des Herrn. Bis auf Johannes hat keiner von ihnen die Kreuzigung bezeugt. Vom Hörensagen vernahmen sie die Kunde. Jesus war tot. Und als er noch lebte und davon sprach, dass er von den Toten auferstehen würde, hielten sie das für gleichnishaft und symbolisch, denn jedem Einzelnen von ihnen war doch gewiss: “Das kann ich mir nicht vorstellen.”

Es ist, als würde es für sie nun immer Karsamstag bleiben, ein trostloser Tag. Vielleicht würde man sich mit der Zeit daran gewöhnen. Auch wenn die Jünger in ihrer Trauer noch an Jesu Worte zurückdachten. Und wenn es doch wahr ist, mag mancher von ihnen still für sich erwogen und sich zugleich gesagt haben: “Das kann ich mir nicht vorstellen.”

Christen begehen heute nur noch vereinzelt die Heiligen Tage. Einige nur singen dem König Freudenpsalmen. Manche beten und wachen am Gründonnerstag nach dem Abendmahlsamt. Andere sinnen über die Fußwaschung nach, die – traurigerweise – in so vielen Kirchen einfach ausfällt. Schlechte Gewohnheiten wie diese halten sich sehr lange. Anderswo fällt in der Feier der Liturgie am Karfreitag die Kommunionspendung aus, als ob nicht gerade an diesem Tag die sakramentale Stärkung wertvoll und wesentlich wäre – und das verbindlich gültige Römische Messbuch diese nicht grundlos verpflichtend vorsieht.

Und doch feiern wir die Osternacht, singen die Allerheiligenlitanei – und wissen, wie sehr wir der Fürsprache aller Heiligen bedürfen. Die Tauferneuerung erinnert uns an unsere Zugehörigkeit zur Kirche des Herrn:

“O Seligkeit, getauft zu sein …” Vielleicht hat ja auch die Nachbarin, die so lange fern von Gott leben wollte, sich daran erinnert. Wir lauschen den Lesungen im Licht der Osterkerze, das österliche Halleluja erklingt und dann hören wir, was wir wissen und woran wir glauben: Das Grab ist leer, der Herr ist auferstanden. Wer von uns hätte nicht damals wie die Jünger gedacht: “Das kann ich mir nicht vorstellen”? Und wer von uns denkt das vielleicht heute – und sucht nach anderen Erklärungen für die Berichte über die Auferstehung Christi? Manche sehen im Osterfest auch nur einen wichtigen Tag der abendländischen Kulturgeschichte und rationalisieren die Heilsgeschichte auf ihre Weise damit.

In der letzten Osterbotschaft seines Pontifikates, bevor er den Segen “Urbi et Orbi” spendete, sagte Papst Benedikt XVI. im Jahr 2012:

“Mit dem Tod Jesu schien die Hoffnung aller, die auf ihn vertrauten, zu scheitern. Doch gänzlich verlöschte jener Glaube nie: Vor allem im Herzen der Jungfrau Maria, der Mutter Jesu, brannte das Flämmchen auch im Dunkel der Nacht lebendig weiter. Die Hoffnung muß in dieser Welt unweigerlich mit der Härte des Bösen rechnen. Nicht nur die Mauer des Todes steht ihr im Weg, mehr noch behindern sie die spitzen Stiche von Neid, Hochmut, Lüge und Gewalt. Jesus hat dieses tödliche Flechtwerk durchquert, um uns den Weg in das Reich des Lebens zu bahnen. Einen Moment gab es, in dem er besiegt zu sein schien: Finsternis war über die Welt hereingebrochen, Gott hatte sich völlig in Schweigen gehüllt, Hoffnung schien nur noch ein leeres Wort zu sein.”

Spiegelt nicht auch dies unsere Erfahrung – die Erfahrung so vieler Zeitgenossen, die noch immer der Kirche angehören? Auch wir huldigen zuweilen oft stärker dem skeptischen Realismus als dem Osterglauben.

Papst Benedikt erinnerte damals mit leiser Stimme und doch kraftvoll an die Hoffnungsbotschaft des Christentums. Können wir uns heute vorstellen, dass das Grab leer ist? Dass der Glaube wieder aufflammte bei den Jüngern, als Maria Magdalena und die anderen Frauen davon berichteten?

Benedikt XVI. fuhr fort: “Wenn Jesus auferstanden ist, dann – und nur dann – ist etwas wirklich Neues geschehen, das die Lage des Menschen und der Welt verändert. Dann ist er – Jesus – jemand, dem wir unumschränkt vertrauen können, nicht nur seiner Botschaft, sondern ihm selbst, denn der Auferstandene gehört nicht der Vergangenheit an, sondern er ist gegenwärtig, heute, und lebt.” Ja, wenn der Herr nicht auferstanden ist, dann wäre der Glaube der Kirche, dann wäre unser, dann wäre mein Glaube ein Irrtum und eine bloße Illusion. Das Osterfest erinnert uns an den Schatz und das Glück unseres Glaubens: dass der Herr auferstanden, dass er wahrhaft auferstanden ist. Das ist die Hoffnung, die uns hält – und uns hineinsendet in den Alltag unseres Lebens, so dass wir auf unsere je eigene Weise leben und verkünden: “Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.”

Wer daran glaubt und sich dazu bekennt – ob gelegen oder ungelegen –, der provoziert, in der Welt von heute und manchmal auch mitten in einer farblos gewordenen Kirche. Wenn wir einander “Frohe, gesegnete Ostern!” wünschen, so wünschen wir uns christliche Provokationen, die aus der Treue zum Credo der Kirche erwachsen und für die Welt von heute durch unser Zeugnis und Beispiel wahrhaft ein Segen sein könnten.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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