Der Leidensweg nach Golgotha
Buchrezension – Hans Mosser beleuchtet das Leiden des Gottessohns aus medizinischer und historischer Perspektive
Quelle
Passion und Tod Jesu. Historie – Medizin – Theologie. Historisch-medizinische Rückfragen als Beitrag zu einer Glaubenserfahrung – Klosterladen Heiligenkreuz/Bestellung
Rezension amazon
Masevaux: Deutschsprachige Passionsspiele im Elsaß | Die Tagespost
06.04.2025
Christian Schumacher
Der Theologe Karl Rahner formulierte 1966 sein bekanntes Diktum, wonach “der Fromme von morgen ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder (…) nicht mehr sein” werde. Rahner wollte damit zum Ausdruck bringen, dass der Christ heute mehr denn je versuchen muss, sich in die zentrale Aussage der christlichen Heilsbotschaft zu versenken, sie geistig erfahren muss: das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi.
Hans Mosser, Facharzt für Radiologie und katholischer Theologe, widmet dem Leiden und Sterben Jesu Christi sein aktuelles Buch. Zunächst geht der Autor auf den historischen Kontext der Passion Christi ein. Die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in Judäa um die Zeitenwende werden ebenso dargestellt wie die Kreuzigung als historische Hinrichtungsart im Römischen Imperium. Quellennah arbeitet der Autor in prägnanter Kürze heraus, vor welchem historischen Hintergrund die Kreuzigung Jesu betrachtet werden muss.
Zentrale Stationen des Leidenswegs Jesu aus medizinischer Sicht
Im zweiten Teil des Buches befasst sich Mosser eingehend mit den vier Passionsberichten des Neuen Testaments und bewertet die zentralen Stationen des Leidenswegs Jesu aus Sicht eines Mediziners. Vom Blutschweiß im Ölgarten, über Geißelung, Dornenkrönung, Kreuzweg und Kreuzigung sucht Mosser in den Passionsberichten die medizinischen Gründe für den Tod Jesu am Kreuz.
Mosser geht bei seinen Untersuchungen nicht nur seinen eigenen Überlegungen über die Todesursache nach, sondern bewertet auch alle gängigen Theorien, die in der Forschungsliteratur – von Erstickung bis Multiorganversagen – schon aufgestellt wurden. Auch die immer wieder geäußerte Theorie, nach der Jesus gar nicht am Kreuz gestorben sei, wird von dem Autor schlüssig widerlegt.
Theologischer Gehalt der Passionsereignisse
In einem dritten Teil geht Mosser über die empirische Wissenschaft hinaus und fasst den theologischen Gehalt der Passionsereignisse zusammen. Von den ersten Rezeptionen des Todes Jesu auf heidnischer, jüdischer und christlicher Seite bis zu den großen ökumenischen Konzilien von Nizäa (325), Konstantinopel (381), Ephesos (431) und Chalcedon (451) und den Aussagen der alten Kirchenväter über das Leiden und den Tod Jesu stellt der Autor die Entwicklung einer christlich-katholischen Theologie dar.
Aus der Beschäftigung mit der Passion entwickelte sich schließlich die mittelalterliche Passionsfrömmigkeit. So konnte Bernhard von Clairvaux in der Passion Jesu die zentrale Erfahrungsquelle für den Menschen erblicken. Und auch ein Thomas vom Kempen schrieb in seiner wirkmächtigen “Imitatio Christi” von der “liebevollen Versenkung” in das Leiden Christi.
Die eigentliche Bedeutung des Kreuzes
Der Versuch, die Todesursache Jesu mit dem Wissen der heutigen Medizin zu rekonstruieren, ist sicherlich der Kern des Buches. Aber ohne eine historische Einordnung wie auch eine – zugegebenermaßen knappe – theologische Ausdeutung der Ereignisse des Karfreitags bleibt jede medizinische Theorie über das Sterben des Jesus von Nazareth ohne tiefere Bedeutung.
Auf der anderen Seite kann ein solches Wissen um die konkreten Todesumstände für Christen hilfreich sein, die Passion Christi noch besser verstehen und lieben zu lernen. Denn, so Mosser, gerade der “Omnipräsenz des Kreuzes an den Wänden vieler Wohnungen, Schulen und Gerichte und seiner Verwendung als Schmuckstück” läge die Tendenz inne, dass der Mensch die eigentliche Bedeutung des Kreuzes vergesse: das Zeichen für den grausamen Tod und die glorreiche Auferstehung unseres Herrn und Erlösers.
Der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal schrieb einmal, Gott sei nicht der Gott “der Philosophen und Gelehrten”. Er sei vielmehr das genaue Gegenteil. Gott wurde Mensch und ist für uns gestorben, damit wir ihn menschlich lieben können. Daher sei eine “intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Leiden und Sterben Jesu wichtig und sollte zudem aus dem Blickwinkel der Auferstehung erfolgen.” Einen gelungenen Einstieg dafür bietet dieses Büchlein.
Hans Mosser: Passion und Tod Jesu. Historie – Medizin – Theologie, Historisch-medizinische Rückfragen als Beitrag zu einer Glaubenserfahrung, Heiligenkreuz 2024, gebunden, 140 Seiten, EUR 21,90
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