Der lange Weg zur Kurienreform

Neun Jahre hat Franziskus gebraucht, um die widerspenstige römische Kurie zu zähmen. Nicht alle sind mit dem Ergebnis zufrieden

Quelle
Ein Papst des Respekts und der Brüderlichkeit | Die Tagespost
Mauern einreißen, Brücken bauen | Die Tagespost

25.04.2025

Guido Horst

Es war nun wahrlich keine idyllische Beziehung, die den Jesuiten-Papst mit “seiner” Kurie verband. Wenn Franziskus am Samstag in der römischen Marienbasilika Santa Maria Maggiore zu Grabe getragen wird, dann hat die räumliche Distanz zum kleinen Kirchenstaat westlich des Tibers auch eine gewisse symbolische Bedeutung. Die alte Marienkirche auf dem Esquilin-Hügel ist zwar eine päpstliche Basilika und beherbergt auch andere Papstgräber. Aber die bescheidene Grablege, die sich der Argentinier auf dem Petrusstuhl ausgesucht hat, ist wie das Gegenstück zu seiner Entscheidung gleich zu Beginn des Pontifikats, nicht in die Papstwohnung im Apostolischen Palast zu ziehen, sondern im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu bleiben und dort eine kleine Parallel-Kurie aufzubauen.

Er habe sich bei der Besichtigung der Papstwohnung nicht wohl gefühlt, erklärte er später, gab sogar psychologische Gründe an. Er brauche Menschen um sich herum. Daran hätte es ihm aber in der “terza loggia” des Apostolischen Palasts auch nicht mangeln müssen. Aber der Schritt war wohl kalkuliert: Franziskus zog eine klare Grenze zwischen sich und der Kurie. Schon am Abend des Wahltags hatte sich Jorge Mario Bergoglio der Menschenmenge auf dem Petersplatz ohne Mozetta und Stola als einfacher Bischof von Rom vorgestellt.

Den ersten Ritus der Fußwaschung als Papst am Gründonnerstag vollzog er in der Jugendstrafanstalt „Casal del Marmo“, unter anderem mit Frauen und Muslimen. Wer darauf gewartet hatte, dass Franziskus mit einem Kreuzstab aus Holz erscheinen würde, musste nur bis zu seinem Besuch auf der Flüchtlings-Insel Lampedusa warten. In Santa Marta empfing Franziskus Bekannte und Journalisten, ohne dass das Staatssekretariat oder das Medienamt davon etwas wussten. Und das geschickte Spiel mit Presse und Fernsehen funktionierte prächtig. Wenn Franziskus im Kleinwagen losfuhr, um eine Brille abzuholen und zu bezahlen, hatte er zumindest einen Foto-Reporter dorthin bestellt.

Laien dürfen in der Kurie arbeiten

Allmählich entstand ein mediales Bild des „Papstes der Armen“, das sich deutlich von dem zuweilen etwas byzantinisch anmutenden Hofstaat der Kurienkardinäle und Vatikanprälaten abhob. Diesen kurialen Apparat wollte Papst Bergoglio von Anfang an reformieren, doch es dauerte neun Jahre, bis er seine Unterschrift unter die entsprechende Apostolische Konstitution vom 19. März 2022 setzen konnte. Laut der Präambel von „Praedicate Evangelium“ („Verkündet das Evangelium“) besteht der Dienst der Kurie in der Evangelisierung, Communio bedeute auch für den Vatikan, eine Kirche zu sein, die höre und damit ihre Synodalität beweise. Jeder Christ, so heißt es in „Praedicate Evangelium“, sei ein Missionar, darum könne auch jeder Getaufte, ob geweiht oder Laie, Mann oder Frau, in der Kurie arbeiten und dort Leitungsaufgaben wahrnehmen.

 

Kardinäle kommen in der Konstitution als engste Mitarbeiter und Berater des Papstes nicht mehr vor, darum gibt es in der neuen Kurie auch keine „Kongregationen“ als „Zusammenkünfte der Kardinäle“ mehr, sondern die Behörden des Vatikans heißen alle Dikasterien. Die Kurienreform beendete die Zeit, in der einzelne Kongregationen des Vatikans aufgrund ihrer Würde oder herausragenden Stellung den Ortskirchen gegenüber ihr historisches Gewicht in die Waagschale werfen konnten. Entsprechend verlor die Glaubenskongregation ihre bevorzugte Stellung als „Suprema“ unter den vatikanischen Dikasterien und ist jetzt ein Dikasterium für die Glaubenslehre, das der Behörde für die Evangelisierung nachgeordnet ist.

Oft verletzte der Ton

Sicherlich hat Franziskus mit diesem Traditionsbruch auch unnütze Fesseln gesprengt. Vielleicht brauchte es jemanden wie den Jesuiten-Papst, der den Vatikan von Seilschaften aller Art befreit, kuriale Verkrustungen beseitigt und eine Hochburg des Klerikalismus schleift. Aber vielen Kurialen tat das sehr weh. Franziskus war der erste Papst, der einen Kurienkardinal – Angelo Becciu – durch die Laien-Richter des Zivilgerichts des Vatikanstaats aburteilen ließ, ein Fall, den man wohl nochmals aufrollen muss, denn der ehemalige Substitut und Präfekt für die Selig- und Heiligsprechungen hat das Urteil in erster Instanz angefochten. Oft war es der Ton, der verletzte. Auch als er seinen engsten Mitarbeitern bei der Weihnachtsansprache 2014 15 Krankheiten attestierte. Damals formulierte er aus, was er bei seiner Grundsatzerklärung vor dem Konklave 2013 schon als Grundübel gegeißelt hatte: „Wenn die Kirche nicht aus sich herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, wird sie selbstbezüglich und dann wird sie krank (…)

Um es zu vereinfachen: Es gibt nur zwei Kirchenbilder: die Kirche, die das Evangelium verkündet und aus sich herausgeht, die Gottes Wort in religiöser Ergebenheit hört und treu verkündet, oder die verweltlichte Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt.“ Die Kurienreform sollte dieses Diktum in Paragrafen und ein neues Regelwerk gießen. Auch der Staatssekretär als ranghöchster Repräsentant der Kurie hatte zu leiden. In seinen über elf Jahren in diesem Amt hat der aus der Provinz Piacenza stammende Vatikandiplomat Pietro Parolin gelernt, mit einem Papst zu leben, der dem Staatssekretariat als der Schaltzentrale des Vatikans sehr enge Grenzen zieht, es im Grunde entmachten wollte. Im Zuge der Kurienreform hat Franziskus dem Staatssekretariat die „Kasse“ genommen und der Güterverwaltung APSA zugeschlagen.

Auch hat Franziskus eine der ureigensten Aufgaben des Staatssekretariats, die „Außenpolitik“, anderen Kardinälen übertragen: Um den Krieg in der Ukraine etwa kümmerte sich Kardinal Matteo Zuppi aus Bologna, der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz. Gut elf Jahre hat der inzwischen 70 Jahre alte Parolin alle Demütigungen ausgehalten. Jetzt ist es seine Aufgabe, zusammen mit Kardinaldekan Giovanni Battista Re den Massenandrang zum Abschied von Franziskus zu kanalisieren.

 

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