Was ist ein Patriot?
Auf diese Frage findet man eher bei Lord Byron als bei Wladimir Putin eine Antwort
31.01.2025
Marc Stegherr
Ein Patriot ist jemand, der sein Heimatland so sehr liebt, dass er auch die Liebe seiner Nachbarn zu ihrer Heimat teilen kann. So gesehen gibt es heute in Europa nur wenige Patrioten. Jeder schaut, wo er bleibt – ein Europa der eigenen Süppchen, ein Europa des nationalen Egoismus.
Vor zweihundert Jahren war das noch anders. Als sich die Griechen gegen die osmanische Bedrückung erhoben, eilte der patriotisch und romantisch gesinnte Dichter Lord Byron mit seinen Gefährten an die Seite der geknechteten Hellenen. Als die Serben wenige Jahre vorher dies zum ersten Mal gewagt hatten, verbreiteten Goethe, Grimm, Herder und andere die Gedichte und Heldenerzählungen der Serben im patriotisch bewegten Europa.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Polen es satt hatten, sich vom russischen Zaren im fernen Sankt Petersburg in nationaler Unfreiheit halten zu lassen, trugen deutsche Studenten voller Stolz und Anteilnahme am Schicksal ihrer polnischen Nachbarn polnische Tracht. Keinem der patriotisch Bewegten wäre es eingefallen, dass sie der Freiheitskampf der anderen nichts anginge.
Patrioten beten keine Unterdrücker an
Auch damals gab es Zeitgenossen, die sich auf die Seite des Unterdrückers schlugen. Nur wäre damals niemand auf die Idee gekommen, diese Leute Patrioten zu nennen. Heute tun vermeintliche Patrioten so, als sei der Anspruch der Ukrainer auf eine eigene Nation eine Erfindung westlicher Superliberaler, die den Nationsbegriff missbrauchen, um die russische “Nation” zu zerstören. Dieses vom Kreml vorgegebene Narrativ, diese schizophrene Begriffsverwirrung, die eigentlich Kopfschmerzen verursachen müsste, stammt ausgerechnet von jenen, die sich ständig über die Missachtung von Nationalstolz und nationaler Größe beklagen. Diese wähnen sie am ehesten garantiert durch den Präsidenten der Russischen Föderation, die aber genau das ist, was sie in Gestalt der EU bekämpfen – ein anti-nationaler Superstaat.
So sehr Polen, Serben und Griechen im 19. Jahrhundert ihre nationale Freiheit im Zeichen des Kreuzes verteidigten, so sehr gilt das auch heute für die Ukraine, was ihr die falschen Patrioten absprechen. Der neuerdings zum Vorkämpfer einer neuen Männlichkeit mutierte AfD-Politiker Maximilian Krah, der sich dafür mit frauenhassenden Influencern und Kickboxern verbündet, meinte, die Ukrainer müssten im Kampf gegen Russland verbluten, damit in der Ukraine Gay-Pride-Paraden stattfinden können. Das Russland, das ukrainische Christen massakriert und einen Patriarchen hofiert, der diesen Vernichtungskrieg segnet und sich im Luxus suhlt, ist nur in der Phantasie antiwestlicher Ideologen ein christliches Paradies.
Es wäre höchste Zeit, dass wieder europäische Patrioten sich ihrer Mission besinnen, die eigentlich schon seit langer Zeit, aber jetzt erst recht darin bestehen müsste, die eigene Nation, aber auch andere europäische Nationen als Teil eines gemeinsamen europäischen Vaterlands entschieden zu verteidigen. Sonst kommen die zum Zug, die keine Patrioten, sondern nationale, provinzielle Egoisten sind, die geistig und kulturell vom christlichen europäischen Erbe eines Adenauer und de Gaulle meilenweit entfernt sind.
Der Autor ist Osteuropahistoriker, Slavist und Diakon.
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