Marias tamilische Verehrer
Mein Leben mit Gott – Wie ein Bürgerkriegsflüchtling zum Organisator der größten regelmäßigen Einzelwallfahrt nach Kevelaer wurde
Quelle
Kevelaer
Schrein Unserer Lieben Frau von Madhu – Wikipedia
Sri Lanka auf dem Weg zum Frieden? – Konrad-Adenauer-Stiftung
Joseph Vaz – Wikipedia
Deutschland: Kirche hat neue Internetseite für Auslandsseelsorge – Vatican News
Samstag, 23. März 2024 – Gottesdienste im Rahmen der Tamilen-Wallfahrt nach Einsiedeln
14.02.2025
Susanne Hartfiel
“Es ist ein Wunder, dass mir dieser Gedanke gekommen ist” sagt Thuraisingham Camillus, nachdem er auf seinen ersten Besuch in der Kerzenkapelle im niederrheinischen Wallfahrtsort Kevelaer vor fast 40 Jahren zurückblickt. “Hier sollten wir irgendwann eine tamilische Messe feiern”, hatte er sich gedacht, als er auf die Statue der Muttergottes blickte.
Tamilische Wallfahrten waren ihm damals nicht in den Sinn gekommen. Ein deutscher Pfarrer hatte ihn zu seiner ersten Wallfahrt nach Kevelaer eingeladen. Kurze Zeit nach dem Gebet in der Kerzenkapelle traf er einen jungen tamilischen Priester, der sich bereit erklärte, in Kevelaer die heilige Messe zu feiern.
Camillus, tamilischer Seelsorger im Bistum Essen
Camillus kam im Jahr 1984 frischverheiratet mit seiner Frau über die DDR und Westberlin nach Oberhausen. Nachdem mehrere Bekannte in ihrer Heimat Sri Lanka im Bürgerkrieg zwischen singhalesischen Regierungstruppen und tamilischen Aufständischen getötet worden waren, fühlten sie sich dort nicht mehr sicher.
Camillus besuchte zunächst Deutschkurse der Volkshochschule, absolvierte eine Krankenpflegerausbildung und erhielt schließlich ab 1994 eine Anstellung im Bistum Essen, wo er 30 Jahre lang die tamilische Seelsorge in verschiedenen Funktionen unterstützte und später im Empfang des Essener Generalvikariats arbeitete.
Vor kurzem ist der Vater von drei Kindern und Großvater von zwei Enkeln in den Ruhestand gegangen, nicht ohne zuvor Ehrungen des Bistums Essen und des Tamilischen Seelsorgeamtes Deutschland für sein vielfältiges Engagement, unter anderem in der Organisation der derzeit größten Einzelwallfahrt Kevelaers, erhalten zu haben.
Tamilen feiern ein Glaubens- und Kulturfest in Kevelaer
1988, kurz nach der Begegnung mit dem tamilischen Priester, organisierte Camillus seine erste tamilische Wallfahrt zum Hochfest Mariä Himmelfahrt nach Kevelaer. An ihr nahmen etwa 40-45 tamilische Gläubige teil. Ihre Zahl wuchs stetig von Jahr zu Jahr, auf schließlich 10 000 Teilnehmer seit dem Jahr 2000.
Sie kommen alljährlich am zweiten Samstag im August aus ganz Deutschland und benachbarten Ländern zu einem großen Glaubens- und Kulturfest nach Kevelaer. Es beginnt am Freitagabend mit einer großen Marienprozession vom Bahnhof zur Kirche und endet am Samstagabend. Dazwischen liegen mehrere heilige Messen und eucharistische Andachten, tamilische Lieder und Tänze sowie ein hinter der Basilika aufgebauter Markt mit tamilischem Essen und tamilischen Produkten. Hauptzelebrant ist abwechselnd ein deutscher und ein tamilischer Bischof, im letzten Jahr der Bischof von Jaffna in Sri Lanka, Justin Gnanapragasam.
Hindus wenden sich an Maria
Etwa 30 Prozent der tamilischen Wallfahrer sind Hindus. Sie nehmen nicht an den Gottesdiensten teil, sondern verehren Maria, indem sie Kerzen anzünden und zu ihr beten. Maria habe für sie eine große Bedeutung, sagt Camillus. Hinduistische und christliche Tamilen hätten in Sri Lanka immer nachbarschaftlich zusammengelebt und sich in ihren Kirchen und Tempeln gegenseitig besucht, etwa im Rahmen gemeinsamer Konzerte.
Für alle Tamilen sei die große Wallfahrt in Kevelaer zudem eine Gelegenheit, Verwandte und Freunde zu treffen, die zum Teil weit verstreut in Deutschland und in anderen europäischen Ländern leben.
Kevelaer erinnert an Wallfahrtsort Madhu in Sri Lanka
Was fasziniert sie an Kevelaer? “Es erinnert uns an Madhu”, sagt Camillus, an einen berühmten katholischen Wallfahrtsort nahe der Großstadt Mannar in einem Waldgebiet im Norden Sri Lankas. Die Menschen Sri Lankas kamen im 16. Jahrhundert durch portugiesische Missionare mit dem katholischen Glauben in Berührung und wurden im 17. Jahrhundert unter niederländischer Kolonialherrschaft wegen ihres Glaubens verfolgt – die Holländer wollten sie zu Calvinisten machen.
Einige Gläubige flohen mit einer Statue der Muttergottes in den Wald und wurden dort vom heiligen Joseph Vaz, einem als Bettler verkleideten indischen Priester, auch Apostel von Ceylon genannt, seelsorglich betreut. Der Muttergottes von Madhu werden zahlreiche Wunderheilungen zugeschrieben. Nach dem Ende der Katholikenverfolgung entwickelte sich Madhu zum nationalen Wallfahrtsort, der nicht nur Christen, sondern auch Hindus und Buddhisten anzieht.
“Wir bauen die Kirche auf”
Die Organisation der jährlichen Tamilenwallfahrt nach Kevelaer dauert mittlerweile sechs Monate und wird von etwa 200 tamilischen Freiwilligen, in Zusammenarbeit mit der Stadt Kevelaer und der Wallfahrtsleitung in Kevelaer ehrenamtlich gestemmt. Nicht nur Gottesdienste müssen organisiert werden, sondern auch mehrere Chöre, erste Hilfe durch tamilische Ärzte und Pfleger, die Marktstände hinter der Basilika sowie Sicherheits- und Ordnungspersonal, etwa um Parkplätze zu überwachen.
“Wir bauen die Kirche auf”, sagt Camillus, der viele Jahre lang hauptverantwortlich war und inzwischen in die zweite Reihe getreten ist. Er betont, wie wichtig es sei, jungen Menschen Verantwortung zu übertragen, wenn man wolle, dass Wallfahrten oder andere kirchliche Aktivitäten auch in Zukunft stattfinden. Nicht loszulassen sei ein großer Fehler älterer Menschen und die Garantie dafür, dass kirchliches Leben sterbe.
Tamilen seien es gewohnt, sich freiwillig zu engagieren, denn in ihrer Heimat gebe es keine Hauptamtlichen in den Gemeinden. Selbst Priester lebten von den Spenden der Gläubigen. Der Bischof unterstütze seine Priester nur, wenn die Gaben der Gläubigen nicht zum Leben reichen. Wer also am kirchlichen Leben interessiert sei, müsse selbst tätig werden.
Tamilische Seelsorge in Deutschland
Die tamilische Seelsorge in Deutschland umfasst derzeit 40 Gemeinden. Ein in Essen stationierter tamilischer Priester kümmert sich um sie. Jedes Wochenende besucht er drei Gemeinden, was bedeutet, dass die einzelnen Gemeinden ihn jeweils im Abstand von etwa 13 Wochen begrüßen dürfen.
In der Advents- und Weihnachtszeit sowie in der Karwoche und zu Ostern erhalten die Gemeinden Unterstützung durch tamilische Priester, die in Rom studieren. “Wir haben alles versucht, um weitere Priester zu bekommen”, sagt Camillus. Der Bischof in Sri Lanka würde zwar gerne Priester entsenden, denn es gebe dort sehr viele, aber die deutschen Bistümer hätten dies bisher abgelehnt.
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