Keine neue Vertreibung, Mr. Trump!

Der US-Präsident will die Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten und Jordanien aussiedeln. Das ist humanitär und politisch unverantwortlich

Quelle

26.01.2025

Stephan Baier

Donald Trump will den weithin zerstörten Gazastreifen räumen und die dort lebenden Palästinenser nach Ägypten und Jordanien deportieren. Er hat dafür sogar eine human klingende Begründung: Der Gazastreifen sei eine Trümmerlandschaft, in der man nicht leben könne. Das stimmt nach 15 Monaten israelischer Angriffe sogar: Die Beendigung der Kampfhandlungen ist dort allenfalls die Voraussetzung dafür, mit internationaler Hilfe wieder Bedingungen dafür zu schaffen, dass diese leidgeprüften Menschen unter halbwegs menschenwürdigen Umständen leben können.

Doch Vertreibung ist keine Lösung! Nach den tragischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sollte das Allgemeinwissen sein. Die Vertreibungen nach dem Ersten Weltkrieg (etwa der 1,5 Millionen Griechen aus Kleinasien und von 500.000 Türken aus Griechenland) ebenso wie die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg (etwa von Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern und dem Sudetenland) haben unendlich viel Leid über Millionen Menschen gebracht. Gleiches lässt sich von Stalins Massendeportationen sagen. Die Idee, politische Probleme durch Zwangsaussiedlungen, Deportationen und Vertreibungen zu lösen, sollte darum auf entschlossenen und breiten Widerspruch stoßen.

Trumps Vorschlag würde Jordanien demografisch und politisch überfordern

Trumps Vorschlag wäre aber nicht nur eine humanitäre, sondern auch eine politische Katastrophe. Ägypten und Jordanien sind erstaunlich ruhige, stabile Staaten in einer von Unsicherheit, Chaos und radikalen Ideen geprägten Region. Sie waren auch die ersten arabisch-muslimischen Staaten, die ihren Frieden mit Israel machten – und bis heute wahren. Der (übrigens persönlich tieffromme Muslim) Anwar as-Sadat bezahlte die Aussöhnung seines Heimatlandes Ägypten mit Israel 1981 sogar mit dem Leben. Die Vertreibung oder “Umsiedlung” von zwei Millionen verarmten Palästinensern würde erhebliche Instabilität in die beiden Staaten bringen, deren Stabilität ein Friedensgarant für Israel ist.

Zudem – und das zeigt die Geschichte der Vertreibung der Palästinenser – würde Trumps Idee zumindest Jordanien demografisch und politisch völlig überfordern. Niemand kann daran interessiert sein, das gemäßigte Haschemitische Königreich Jordanien einer Radikalisierung und Destabilisierung auszusetzen. Niemand, der Frieden will, kann libanesische Verhältnisse in Jordanien wünschen. Amman und Kairo sind zentrale Ansprechpartner für alle, die Israel Frieden und Sicherheit wünschen. Das weiterhin ungelöste Palästinenserproblem zu ihnen abzuschieben, könnte die gesamte Region ins Chaos stürzen.

Nein, es gibt keine Alternative dazu, eine israelisch-palästinensische Koexistenz zu suchen: Ob diese dann Zwei-Staaten-Lösung heißt oder über eine Internationalisierung der Kontrolle mancher Gebiete angestrebt wird, darf diskutiert werden. Vertreibung ist jedoch keine Lösung.

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