Nachruf – Jimmy Carter, Amerikas Legende

Selbst als Präsident erteilte er Bibelunterricht: Jimmy Carter, tiefgläubiger Christ, prägte die USA besonders nach seiner Amtszeit. Nun ist er mit 100 Jahren verstorben

Quelle
Papst Franziskus kondoliert zum Tod von Jimmy Carter – Vatican News
Ex-US-Präsident Jimmy Carter ist tot – News – SRF
James Carter | The White House
Papst Franziskus erinnert an Jimmy Carters “festen Einsatz” für Frieden und Versöhnung

Aktualisiert am 30.12.2024

Maximilian Lutz

Es gibt wohl nur wenige Amtsinhaber, von denen man behaupte könnte, dass ihre Arbeit nach der Zeit im Weißen Haus den Dienst im höchsten Staatsamt in den Schatten stellt. Jimmy Carter dürfte einer von ihnen sein. Von 1977 bis 1981 saß er im Oval Office. Einen Namen machte er sich aber vor allem in den mehr als 40 Jahren danach.

Als Ex-Präsident setzte er sich weltweit für philanthropische Zwecke ein.

Nur einige Beispiele: Armutsbekämpfung, Verbreitung der Menschenrechte, Wahlbeobachtung sowie internationale Konfliktbekämpfung. Im Jahr 2002 erhielt er den Friedensnobelpreis für seinen “beharrlichen Einsatz zur Lösung internationaler Konflikte, für Demokratie und Menschenrechte sowie für wirtschaftliche und soziale Entwicklung über mehrere Jahrzehnte”, wie es damals in der Begründung des Nobelpreiskomitees hieß. Die Auszeichnung galt auch als offene Kritik am Irak-Krieg des zu der Zeit amtierenden US-Präsidenten George W. Bush.

Dass Carter, 1924 in dem kleinen Örtchen Plains geboren, als Präsidentschaftskandidat für die Demokraten ins Rennen gehen durfte, galt im Jahr 1976 als große Überraschung. Nach seinem Abschluss an der US-Marineakademie (United States Naval Academy) verwaltete er zunächst die Erdnussplantage seiner Familie, bevor er in die Politik wechselte. Nach nur einer Amtszeit als Gouverneur von Georgia konnte sich der damals landesweit noch kaum bekannte Carter in einem unübersichtlichen Bewerberfeld gegen zahlreiche prominentere Kandidaten durchsetzen, wie etwa den Polit-Veteranen und Senator Henry Jackson oder den Gouverneur von Alabama, George Wallace.

Als Präsident eher enttäuschend

Carters Vorteil: sein relativer Außenseiter-Status. Nach der Watergate-Affäre, dem Vietnamkrieg und der Präsidentschaft Gerald Fords, der nicht ins Amt gewählt worden war, sondern nur den zurückgetretenen Präsidenten Richard Nixon ersetzte, hatte Carter das richtige Gespür, dass ein Klima des Umbruchs herrschte. “Die Leute sind desillusioniert mit ihren Vertretern in Washington. Sie wollen ein neues Gesicht, eine neue Führungspersönlichkeit, deren Ideen funktionieren”, äußerte sich Carter im Wahlkampf – Sätze, mit denen man auch heute noch Wahlen gewinnen kann. Gegen den Amtsinhaber Ford setzte sich Carter schließlich knapp durch.

Seine Zeit als 39. US-Präsident im Weißen Haus gilt heute jedoch als relativ enttäuschend. Zwar bemühte er sich, verloren gegangenes Vertrauen in die Volksvertreter in Washington wiederherzustellen. Und als außenpolitischen Erfolg kann Carter sich auf die Fahnen schreiben, das Friedensabkommen von Camp David zwischen Israel und Ägypten ausgehandelt zu haben. Er scheiterte jedoch einerseits innenpolitisch an einer kriselnden Wirtschaft: Die “Stagflation” aus geringem Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig hoher Inflation konnte er trotz Reformbestrebungen nicht kontrollieren. Die Geiselnahme 52 amerikanischer Diplomaten im Iran zwischen 1979 und 1981, die insgesamt 444 Tage andauerte, besiegelte schließlich sein Schicksal als Präsident. 1980 verlor er deutlich gegen seinen republikanischen Kontrahenten Ronald Reagan.

Mehr als 75 Jahre war Jimmy Carter mit seiner Ehefrau Rosalynn verheiratet. Im November 2023 verstarb die lebenslange Gefährtin dann im Alter von 96 Jahren. Zeitlebens war Carter auch bekannt für seinen offen zur Schau gestellten, tiefen christlichen Glauben. Immer wieder sprach der evangelikale Christ über seine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Selbst als Präsident erteilte er in der Washingtoner “First Baptist Church” Bibelunterricht und war später sogar als Diakon in einer Baptistengemeinde tätig. In seinem 2018 erschienenen Buch “Faith: A Journey For All” schreibt Carter, er sei zutiefst überzeugt davon, dass Christen dazu aufgerufen seien, “sich in das weltliche Leben zu stürzen und die Moral und ethischen Werte unseres Glaubens in die Prozesse des Regierens zu injizieren”. Anders als viele evangelikale Glaubensgeschwister heute wandte sich Carter jedoch gegen Steuersenkungen und trat für Kürzungen der Militärausgaben sowie für eine umfassende Gesundheitsvorsorge aller Amerikaner ein.

Carter wollte für Harris stimmen

Carter hatte sich in den letzten Jahren zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und nur selten zum politischen Tagesgeschehen in seinem Land Stellung bezogen. Joe Bidens Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen soll er mit den Worten “Wie traurig” kommentiert haben, gaben Familienmitglieder gegenüber der “Washington Post” an. Den Wahlkampf der demokratischen Kandidatin Kamala Harris, die die Wahl gegen Donald Trump verlor, soll er allerdings mit regem Interesse verfolgt haben, seine Stimme wollte er für Harris abgeben. Am meisten begeistert habe ihn auf dem Parteitag der Demokraten im August aber die Rede der ehemaligen First Lady Michelle Obama.

Seine letzten Tage verbrachte Carter, der Anfang Oktober noch seinen 100. Geburtstag feierte und damit seinem Legendenstatus als ältester ehemaliger US-Präsident überhaupt einen weiteren Baustein zufügte, im Beisein seiner engsten Angehörigen auf der bereits 1961 bezogenen Ranch in seinem Geburtsort Plains. Im Februar 2023 ließ er über die von ihm gegründete Stiftung “Carter Center” mitteilen, er werde keine weitere medizinische Behandlung mehr in Anspruch nehmen und habe sich in eine häusliche Hospizpflege begeben. Der damals 98-Jährige hatte über Jahre mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen – darunter eine Krebserkrankung sowie mehrere Stürze. Am Sonntag starb Carter im Alter von 100 Jahren.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Tagespost Stiftung- Spenden

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Hier kostenlos erhalten!

Themen & Autoren

Maximilian Lutz
Jesus Christus
Jimmy Carter
Joe Biden
Kamala Harris
Richard Nixon
Ronald Reagan
Weißes Haus

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel