Wenn sexueller Missbrauch zur Volkskrankheit wird

Die neuen Zahlen des Bundeskriminalamts zu Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche sind alarmierend. Nicht nur die Opfer, auch die Täter sind immer häufiger minderjährig

Quelle
30.1.2022: Missbrauch | Glaubenswahrheit.org: Predigten von Prof. Dr. Georg May
Wie der Teufel die Welt beherrscht
Missbrauch Minderjähriger (370)
Hl. Josef Schutzpatron (145)

06.09.2024

Susanne Hartfiel

Im Bundeslagebild Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen 2023 finden sich die neuesten Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) zu sexuellen Straftaten gegen Minderjährige. Die Zahlen wurden von der Polizei im Jahr 2023 abschließend bearbeitet und anschließend durch die Forscher des BKA interpretiert. Es handelt sich um insgesamt 72.018 Straftaten, die den Kategorien sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, kinder- und jugendpornografische Inhalte und sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen zugeordnet wurden.

In der Kategorie sexueller Missbrauch wurden 18.497 kindliche und 1.277 jugendliche Opfer registriert. In mehr als der Hälfte der Fälle hatten die betroffenen Kinder und Jugendlichen eine Beziehung zum Tatverdächtigen. Die Täter kamen überwiegend aus Familie, Verwandtschaft, dem Bekannten- oder Freundeskreis. Organisationen und Gruppen, wie Sportvereine, Bildungseinrichtungen oder religiöse Institutionen spielten in nur etwa fünf Prozent der Fälle eine Rolle. In beiden Altersgruppen waren die Opfer überwiegend weiblich, die Tatverdächtigen überwiegend männlich.

Auffallend ist das geringe Alter der Tatverdächtigen: Knapp ein Drittel war unter 18 Jahre alt. In beiden Gruppen sind die Zahlen der vom BKA erfassten Fälle im Vergleich zum Vorjahr nicht nur gestiegen, sondern erreichten im Fünf-Jahres-Vergleich sogar einen Höchstwert. Laut BKA sammeln Kinder und Jugendliche schon früh sexuelle Erfahrungen. Dabei sei ihnen die Strafbarkeit mancher Handlungen nicht bewusst, so die Verfasser des Berichts. Das BKA warnt zudem vor der wachsenden Bedeutung des Internets als Tatmittel und Tatort, insbesondere vor erwachsenen Tätern, die über Chats und soziale Netzwerke Kontakte zu potenziellen Opfern anbahnen sowie vor der Übertragung sexueller Missbrauchshandlungen per Livestream an ein zahlendes Publikum. Als besondere Risikogruppe für sexuellen Missbrauch nennt das BKA Kinder, die aufgrund von Fluchtmigration nach Deutschland kommen.

Dunkelfeld besonders groß

Im Bereich der Kinderpornografie – dies umfasst Herstellung, Verbreitung, Erwerb und Besitz – bearbeitete das BKA 45  191 Fälle. Knapp 40 Prozent der Tatverdächtigen waren hier unter 18 Jahre alt. Im Bereich der Jugendpornografie wurden 8  851 Fälle registriert, mit einem Anteil minderjähriger Tatverdächtiger von knapp 50 Prozent. Dort, wo der Lagebericht Auskunft über Tatverdächtige gibt, stieg der Anteil der nicht-deutschen gegenüber den deutschen Tatverdächtigen, was das BKA durch die steigende Anzahl der in Deutschland lebenden Migranten erklärt. Auffallend ist, dass Syrer in allen Kategorien den höchsten Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen ausmachten, gefolgt von Irakern und Rumänen im Bereich der Pornografie und Afghanen und Türken im Bereich des sexuellen Missbrauchs.

Die Interpretation der Daten ist nicht einfach. Faktoren wie Strafrechtsänderungen, Anzeigeverhalten, polizeiliche Kontrolle oder Änderungen in den statistischen Erfassungsregeln können laut BKA die Zahlen der Kriminalstatistik ebenso beeinflussen wie steigende oder sinkende Kriminalität. Bei den im Lagebericht angegeben Zahlen handelt es sich ausschließlich um Fälle, bei denen die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen und die Akten der Staatsanwaltschaft übergeben wurden. Daneben existiert ein Dunkelfeld, also Fälle, die nie angezeigt wurden oder nicht im Fokus der polizeilichen Ermittlungen lagen. Mit zunehmender Deliktschwere steigt zwar die Anzeigebereitschaft, wenn aber das Opfer oder dessen Sorgeberechtigte geringe Erfolgsaussichten bezüglich der Aufklärung der Straftat erwarten, zum Beispiel aufgrund mangelnder Beweise, wird oft keine Anzeige erstattet. Gegen eine Anzeige spricht oft auch der Wunsch, das Erlebnis möglichst schnell zu vergessen.

Mehr kinderpornografische Straftaten

Sexualdelikte werden laut BKA nur sehr selten angezeigt, sexueller Missbrauch und Vergewaltigung in nur 9,5 Prozent der Fälle. Als Bundesinnenministerin Faeser auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Lagebildes sagte, jeden Tag würden in Deutschland 54 Kinder und Jugendliche Opfer sexuellen Missbrauchs, war dies eine massive Verharmlosung der Situation. Aufgrund des Dunkelfeldes hätte sie diese Zahl mit mindestens 10,5 multiplizieren müssen. Zusätzlich gab es weitere Straftaten im Bereich der Sexualität, die im Lagebild unberücksichtigt blieben, etwa die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen.

Das US-amerikanische National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) meldet dem BKA Hinweise auf kinderpornografische Straftaten in Deutschland. Im Jahr 2023 erhielt das BKA 180.300 solcher Hinweise, eine Zunahme von etwa einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Knapp die Hälfte davon war nach deutschem Recht strafrechtlich relevant. Für diese Zunahme macht das BKA, neben der Zunahme der NCMEC-Meldungen auch Veränderungen im Online-Kommunikationsverhalten – mehr internetfähige Geräte, schnellere Datenverbindungen, neue Apps – verantwortlich, die zu einer massenhaften Verbreitung entsprechender Inhalte geführt hätten. Millionen von Sexseiten seien ständig zugänglich, kostenlos oder preiswert und anonym nutzbar, was die Hemmschwelle zur Begehung einer Straftat senke. Auch das Phänomen der kindlichen und jugendlichen Selbstfilmer, die pornografische Aufnahmen von sich selbst über soziale Medien verbreiten, habe zum sprunghaften Anstieg der Fallzahlen beigetragen.

Sexueller Missbrauch kann für die Opfer traumatisch sein und manche ein Leben lang belasten. Angst, posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Gefühle der Wertlosigkeit, Scham, Schuld und Wut, Störungen in der Wahrnehmung eigener Gefühle, regressives Verhalten (etwa Einkoten oder Einnässen), Überkontrolle, soziale Isolation, Schulprobleme, körperliche und psychosomatische Beschwerden, Schlaf- und Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten, Selbstmord(versuche), Sexualisierung von Beziehungen, Prostitution, Alkohol- und Drogenmissbrauch gehören zu den in der Fachliteratur und von Opferberatungsstellen genannten möglichen Folgen.

Dramatische Folgen für Opfer

Ob solche Folgen auftreten und wie stark sie ausgeprägt sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sexueller Missbrauch ist umso belastender, je jünger die Opfer sind, je größer ihr Altersunterschied zum Täter ist, je geringer ihre psychischen Bewältigungsstrategien sind, je weniger Unterstützung sie von ihren Müttern oder nahen Bezugspersonen erfahren und je vollständiger die Geheimhaltung ist. Wenn der Missbrauch durch eine nahestehende Person erfolgte, mehrfach stattfand, über einen längeren Zeitraum andauerte, Gewalt angewandt wurde, der Körper des Opfers penetriert wurde, die Opfer sich selbst die Schuld für den Missbrauch zuschreiben oder sich weiterhin nicht sicher fühlen, leiden sie tendenziell stärker unter den Folgen. Da die genannten Symptome auch andere Ursachen haben können, ist es gerade bei Kindern schwer, sie richtig zu deuten.

Es gibt zahlreiche Aufklärungs-, Beratungs- und Präventionsangebote zu sexuellem Missbrauch und Internetpornografie, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Das BKA selbst listet einige Hilfs- und Präventionsseiten auf, etwa das Weiße Kreuz oder das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch, wo man unter anderem nach wohnortnaher Hilfe suchen kann. Dort findet man etwa Ratschläge, was beim Verdacht auf Missbrauch zu tun ist, Therapie- und Beratungsangebote für Täter und Opfer, Angebote, die jungen Menschen helfen sollen, ihre Pornosucht zu überwinden und Ratgeber für eine humane Sexualerziehung. Die verschiedenen Angebote bieten ebenfalls Informationen zur Legalität und Illegalität sexueller Handlungen, Aufklärung über Täterstrategien, Expertentipps, wie Internet und soziale Medien technisch kinderfreundlicher gestaltet werden können, medienpädagogische Angebote zwecks Verbesserung der kindlichen und jugendlichen Handlungskompetenz im Netz und immer wieder auch politische Forderungen, illegale Pornografie zu löschen und IP-Adressen zu speichern.

Vieles davon ist hilfreich. Was selten in den Blick genommen wird, ist die Tatsache, dass Kinder Menschen imitieren, die sie als Vorbilder ansehen, und zwar sowohl solche in der realen wie in der virtuellen Welt. Solange in der Erwachsenenwelt eine regellose Sexualität propagiert und vorgelebt wird, erwachsene Menschen legale Erwachsenenpornografie als Volkssport praktizieren und die legale sexuelle Degradierung von Frauen über die Bildschirme auch die Kinderzimmer erreicht, werden Kinder und Jugendliche die Regeln der Legalität und Illegalität nur schwer verstehen. Ob die “breite Sensibilisierungskampagne”, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus demnächst starten möchte, diesen Aspekt berücksichtigt, darf jedoch bezweifelt werden.

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