Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal
Eine Freundschaft vor Gott: Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal
Von Hans Jakob Bürger, 21. August 2020
Die 32-jährige Witwe, Mutter von vier Kindern und Baronin Johanna Franziska von Chantal begegnet im Jahr 1604 dem noch jungen Bischof von Genf, Franz von Sales.
Später wird Franz von Sales zu Johanna Franziska von Chantal sagen:
“Gott, so will es mir scheinen, hat mich Ihnen geschenkt. Jede Stunde habe ich darüber eine grössere Gewissheit.” Und weiter erklärt er:
“Für meine Seele war es ein grosses Gut, immer mehr Liebe für Sie zu haben. Das hat mich dazu geführt, Ihnen zu schreiben, dass Gott mich Ihnen geschenkt hat. Denn ich hielt es ja nicht für möglich, dass der Zuneigung, die ich in meinem Geiste, vor allem als ich für Sie betete, empfand, noch etwas hinzugefügt werden konnte.”
Von 1610 bis 1615 verfasste Bischof Franz sein grosses Werk “Über die Gottesliebe” (“Le Traité de l’Amour de Dieu”). Er schreibt den erstaunlichen Satz: “Das Buch ist … speziell für Dich geschrieben worden.”
Am 6. Juni 1610 gründete Johanna Franziska von Chantal zusammen mit Franz in Annecy den Orden der Schwestern “Von der Heimsuchung Mariens” (“l’Ordre de la Visitation Beatae Mariae Virginis” = OVM). Im deutschen Sprachraum werden diese auch Salesianerinnen oder Visitantinnen genannt. Bis zu ihrem Tod gründet Joahnna 87 Klöster des Ordens.
In seinem Werk über die Gottesliebe schreibt ihr geistlicher Begleiter: “Ich arbeite nun an Deinem Buch von der Liebe Gottes, und heute, während ich vor meinem Kruzifix betete, hat Gott mich Deine Seele und den Zustand, indem sie sich befindet, sehen lassen, indem Er mir den Vergleich mit einem hervorragenden Musiker eingab.”
Franz von Sales wird fortan keine Heilige Messe zelebrieren, ohne an Johanna Franziska von Chantal zu denken. Er ist ganz davon überzeugt, dass Gott selbst sie ihm als Wegbegleiterin geschenkt hat:
“Gott hat mir ‘eine Gehilfin gegeben’, die mir nicht nur ‘gleicht’, sondern eins mit mir ist, so dass Sie und ich nur eine einzige Seele sind”, so der Heilige.
Beide kennen die Schriften der heiligen Teresa von Avila. Franziska von Chantal hat sie dem Bischof gegeben. Durch die Bücher Teresas wird in den letzten Lebensjahren von Franz von Sales der völlige Verzicht auf alles, was nicht Gott ist, angespornt. Darum verlangt er sogar von Johanna die Lösung ihrer Freundschaft. Damit verlangt er auch das äusserste von ihr ab.
Zwar sträubt sie sich gegen diese Form der Abtötung. Aber Franz antwortet entschieden und scharf: “Wann wird dieser unerwartete Schlag bis auf den Grund treffen, wann wird die Eigenliebe nicht mehr nach Beisammensein, nach Kundgebungen und äusseren Zeichen verlangen, sondern voll gesättigt bleiben von der unveränderlichen und unwandelbaren Gewissheit, die Gott auf immer gibt?”
In den letzten Lebensjahren löst Franz immer mehr die Verbindung mit Johanna; so sehr, dass sie nicht einmal mehr miteinander reden oder sich persönliche Briefe schreiben.
Doch für Johanna Franziska von Chantal wird der Schmerz noch grösser, als Franz von Sales 1616 schwer erkrankt. Sie ist gerade bei den jährlichen Exerzitien, doch ganz zerstreut und unruhig. Franz fordert von Johanna, folgendes Gebet oft zu sprechen:
“Ich will es, mein Herr und Gott, zieh es weg, zieh mit Kraft all das, was mein Herz bedeckt, weg. Mein Herr, nein! für nichts mache ich eine Ausnahme, zieh mich von mir selbst los. Oh! mein Selbst, ich verlasse dich für immer.”
Franz erwartet von Johanna, dass sie sich selbst preisgibt. Uns heutigen scheint dies beinahe unchristlich zu sein; doch es wird deutlich, dass dies auch Heiligen nicht leicht fällt.
In einem Brief von Johanna Franziska von Chantal heisst es: “… wie tief ist das Messer durchgedrungen … Oh Gott, weil eicht ist es, das uns Umringende zu verlassen. Aber seine eigene Haut, sein eigenes Fleisch und Gebein zu verlassen und bis ins Knochenmark durchzudringen – was wir, wie mir scheint, getan haben -, das ist entsetzlich schwer und unmöglich, es sei denn mit Gottes Gnade.”
Johanna Franziska von Chantal wurde am 21. August 1751 von Papst Benedikt XIV. seliggesprochen; Papst Clemens XIII. sprach sie am 16. Juli 1767 heilig. Sie gilt als Patronin für eine glückliche Entbindung. Nach ihrem Tod wurde ihr Familienname Chantal auch als Vorname gebräuchlich.
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