Der Geist hält die Nation zusammen
Warum biologische Kategorien beim Nachdenken über Volk und Staat nicht weiterhelfen, argumentiert Peter Schallenberg
Quelle
Wer wir sind | Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (ksz.de)
Johannes Messner: Pionier der katholischen Soziallehre | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Peter Schallenberg
Peter Schallenberg – Wikipedia
Peter Schallenberg – Literatur
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05.03.2024
Peter Schallenberg
“Völkischer Nationalismus“, wie völlig zu Recht die deutschen Bischöfe in ihrer Erklärung zur AfD feststellen, ist in jeder Hinsicht unvereinbar mit dem Christentum. Und die Bischöfe weisen zusätzlich auf die rassistische Unterscheidung von natürlicher und künstlicher Nation hin, die dem christlichen Glauben an einen Gott und Schöpfer aller Menschen widerspricht: Vor den Augen Gottes gibt es keine biologische, also scheinbar natürliche und durch Herkunft und Rasse bestimmte bessere Nation gegenüber scheinbar künstlichen Nationen. Dann wären auch die USA und die Schweiz zum Beispiel keine natürliche Nation.
Und aus christlicher Sicht gilt: Nation ist der freiwillige Zusammenschluss von Menschen unterschiedlicher Herkunft, also eine Konföderation, um miteinander in Frieden und Recht zu leben, und sich zu verteidigen gegen ungerechte Angriffe von außen. Das Ziel der Nation ist, aus Sicht des Christentums, einerseits immer der Schutz jedes Menschen – nicht aber unbedingt der Erhalt des Territoriums, wenn dies immens hohe Opfer an Menschenleben erfordern würde; dies zeigt etwa das Beispiel Südtirol und die entschlossene Bemühung um Frieden um jeden Preis durch den seligen Kaiser Karl von Österreich-Ungarn – und andererseits der Aufbau einer Zivilisation der Liebe auf der Grundlage des Gesetzes und des Rechts.
Deswegen kann der heilige Augustinus von Nation sprechen, wenn er sonst vom Staat – als Zustand der Gerechtigkeit – spricht: Die Nation dient dem Lebensrecht jeder Person, besonders der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, gerade derer also, die keine dröhnende Stimme haben, und sie dient der Vorbereitung der Menschen auf die ewige Liebe Gottes. Das war – und ist nach wie vor – der Sinn des erwählten Volkes Israel, als Nation, im Alten Bund; das ist der Sinn der Kirche im Neuen Bund, die eine “künstliche”, nämlich geistige Nation, weit über biologische Nationen hinaus, ist.
Nationen: Werkzeuge zur Schaffung von Frieden und Gerechtigkeit
Nationen und Staaten sind Instrumente – wie übrigens auch die Kirche – zur Entfaltung von Frieden und Gerechtigkeit auf dem langen Weg zum Jüngsten Tag. Nicht mehr und nicht weniger. Und genau deswegen setzten die Väter und Mütter an den Beginn unseres Grundgesetzes den Artikel 1: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Nicht etwa: Die Würde des Deutschen! Oder die Würde dessen, der deutsche Volkslieder beherrscht, so wünschenswert das für manche auch sein mag…
Jede menschliche Würde muss aus Sicht der verspäteten deutschen Nation nach den Gräueltaten des Nationalsozialismus unantastbar sein! Es gibt ein grundlegendes Recht auf Asyl für politisch Verfolgte, nicht aber für Wirtschaftsmigranten oder überhaupt für Zuzugswillige. Einwanderung muss geregelt werden, ohne dass dies Artikel 1 aushebeln würde.
Ob es freilich klug ist, durch die Bischöfe die Wahl der AfD als unvereinbar mit dem Glauben zu erklären, sei dahingestellt. Denn das müsste dann auch für alle anderen Parteien gelten, und unter dem Blickpunkt des unbedingten Lebensschutzes oder des strikten Verbots der Sterbehilfe wäre dann kaum eine Partei mehr wählbar, außer vielleicht südlich des Mains… Auch und gerade dieser Schutz von Leben und Würde fällt unter Artikel 1, nicht nur völkischer Nationalismus, so dumm und abstrus der auch ist.
Der Autor ist Direktor der KSZ.
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