Papst Benedikt XVI. und die Familie

Der jeder Familie innewohnende Plan Gottes war für Joseph Ratzinger die Leitlinie seiner Theologie der Familie

Quelle
Papsterinnerungen: Benedikts Familie | Schwaben & Altbayern | BR – YouTube

02.09.2023

Corbin Gams

Mitten im Sommer 1994 betonte Papst Johannes Paul II. den tiefen Zusammenhang zwischen der Theologie des Leibes und der Theologie der Familie. Er erklärte, dass die Theologie des Leibes in der Theologie der Familie wurzelt und gleichzeitig wieder zu ihr hinführt. Die Familie stand immer im Zentrum seines Pontifikats, und Papst Benedikt XVI. wurde nicht nur sein Nachfolger, sondern auch sein Erbe.

Mit dem gleichen Enthusiasmus wie sein Vorgänger nahm Papst Benedikt XVI. bereits einen Monat nach seinem Amtsantritt das Anliegen von Johannes Paul II. bezüglich der Familie auf. Er wollte den Menschen “die herrliche Neuheit” ihrer Berufung verdeutlichen und das “Evangelium der Familie“ fördern.

Für Benedikt XVI. war es von größter Bedeutung, dass die Gesellschaft ihr wahrhaft menschliches Antlitz bewahrt oder – im gegenwärtigen Kontext betrachtet – möglicherweise wiedererlangt. Um dies sicherzustellen, betonte er, dass die Völker das wertvolle Gut der auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie nicht vernachlässigen sollten. Dieser Ehebund ist das Fundament der Familie, ein Erbe und gemeinsames Gut der gesamten Menschheit. Daher muss die Kirche unermüdlich den göttlichen Plan verkünden und betonen, dass Ehe und Familie unersetzlich sind und keine Alternativen zulassen.

Evangelisierer und Zeuge

Papst Benedikt XVI. baute auf diesem Fundament auf, das er am 17. Mai 2005 in einem Schreiben anlässlich des Weltfamilientreffens 2006 in Valencia legte. Er betonte, dass die christliche Familie heute mehr denn je eine überaus edle und unentbehrliche Aufgabe hat: die Weitergabe des Glaubens. Dies kann jedoch nur in der persönlichen Hingabe an Jesus Christus gelingen. Die Eltern bleiben daher die ersten Evangelisierer ihrer Kinder.

Benedikt XVI. unterstrich am 11. Juni 2007 bei einer Ansprache an pastorale Mitarbeiter in Rom, dass die Gestalt des Zeugen – in diesem Fall die Eltern – und die Rolle des Zeugnisses im Mittelpunkt der Glaubenserziehung stehen. Der wahre christliche Erzieher ist ein Zeuge, der Jesus Christus als Vorbild hat. Er gibt nicht nur Informationen weiter, sondern hat eine persönliche Beziehung zur Wahrheit, die er weitergibt. Durch die Konsequenz seines eigenen Lebens wird er zum glaubwürdigen Zeugen. Benedikt XVI. sagte wörtlich: “Der wahre christliche Erzieher ist also ein Zeuge, dessen Vorbild Jesus Christus ist, der Zeuge des Vaters, der nichts im eigenen Namen tat, sondern das sagte, was ihn der Vater gelehrt hat. Diese Beziehung zu Christus und zum Vater ist für jeden von uns … die Grundbedingung, um ein fruchtbarer Erzieher im Glauben zu sein.”

Benedikt XVI. betonte in seinen Ausführungen die Bedeutung der Familie im Evangelium und ihre zentrale Rolle in der christlichen Gemeinschaft. Er erklärte, dass das Evangelium keine Reden über die Familie enthält, sondern Taten. Denn es beschreibt die Ereignisse, in denen Gott in einer menschlichen Familie geboren wurde und aufwuchs. Dadurch wurde die Familie geheiligt.

Jesus selbst hat in seiner Kindheit und Jugendzeit in Nazareth die Jungfrau Maria und den gerechten Josef geehrt und war ihnen gehorsam. Auf diese Weise wurde der wesentliche Wert der Familie für die Erziehung der menschlichen Person betont. Durch den Besuch der Synagoge in Nazareth wurde er von Maria und Josef in die religiöse Gemeinschaft eingeführt und lernte mit ihnen die Wallfahrt nach Jerusalem zu machen. Benedikt XVI. hob hervor, dass Jesus durch diese Glaubenserfahrungen die Bedeutung der Familie als Ort der Erziehung und der Glaubensvermittlung herausgestellt hat.

Die Berufung jeder Familie

Benedikt XVI. betonte weiter, dass jede Familie die Berufung hat, jedes ihrer Mitglieder auf dem Weg der Entdeckung Gottes und seines individuellen Plans zu begleiten. Jesus hat von seinen Eltern die Schönheit des Glaubens und der Liebe zu Gott gelernt, sowie die Anforderungen der Gerechtigkeit, die in der Liebe ihre Erfüllung finden. Benedikt XVI. sah die Heilige Familie von Nazareth als das Urbild für jede christliche Familie, die im Sakrament der Ehe vereint ist, vom Wort Gottes genährt wird und die Berufung hat, eine lebendige Zelle sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche zu sein.

Der Papst unterstrich auch die Bedeutung der Spiritualität in der Familie. Er betonte, dass nur der Glaube an Christus und nur die Teilhabe am Glauben der Kirche die Familie rettet. Andererseits kann auch die Kirche nur leben, wenn die Familie gerettet wird. Er ermutigte dazu, familiäre Gebetsgemeinschaften zu bilden, Familienkatechesen anzubieten und in der Familie das Gebet zu lehren. Benedikt XVI. wörtlich: “Wo man zusammen betet, wird der Herr gegenwärtig, wird jene Kraft gegenwärtig, die auch die ‘Herzensverhärtung’, die Härte des Herzens, brechen kann, die nach den Worten des Herrn der wahre Scheidungsgrund ist. Nur die Gegenwart des Herrn und nichts anderes hilft uns, wirklich so zu leben, wie es von Anfang an vom Schöpfer gewollt war und vom Erlöser erneuert wurde. Lehren Sie das Familiengebet und laden Sie so zum Gebet in der Kirche ein. Und dann finden Sie alle anderen Wege.”

Eine weitere Antwort in Bezug auf eine Fragestellung, die die Mütter betrifft, wirft ein sanftes und bescheidenes Bild auf den Papst. Er sagte: “Ich würde sagen, dass ich jetzt keine großen Programme oder Worte vermitteln kann, die ihr den Müttern sagen könnt. Sagt einfach: Der Papst dankt euch! Er dankt euch, weil ihr das Leben geschenkt habt, weil ihr diesem wachsenden Leben helfen und so eine menschliche Welt errichten und einen Beitrag zur Zukunft des Menschen leisten wollt. Und das tut ihr, indem ihr nicht nur das biologische Leben schenkt, sondern auch den Mittelpunkt des Lebens vermittelt, indem ihr dazu beitragt, dass man Jesus kennenlernt und eure Kinder in die Bekanntschaft, in die Freundschaft mit Jesus einführt. Das ist die Grundlage jeder Katechese. Deshalb muss man den Müttern vor allem dafür danken, dass sie den Mut hatten, Leben zu schenken. Und man muss die Mütter bitten, dass sie das Leben bis zur Vollendung schenken, indem sie die Freundschaft mit Jesus schenken.”

Plan Gottes

In dem bisher Gesagten wird deutlich: Der in der Familie innewohnende Plan Gottes war für Benedikt XVI. der Maßstab und die Leitlinie seiner Theologie der Familie. Die Familie als Gemeinschaft des Lebens und der Liebe hat ihre Grundlage in Gott. Sie ist der Ort, an dem der Glaube weitergegeben wird und eine tiefe Verbundenheit besteht. Ehe und Familie sind im innersten Kern der Wahrheit über den Menschen und seine Bestimmung verwurzelt. Dort lernen Menschen, Liebe zu geben und zu empfangen. So ist die Familie ein Ort, an dem bedingungslose Liebe gelebt wird und jedes Familienmitglied Geborgenheit und Unterstützung erfährt.

Die Familie ist unersetzlich für das persönliche Wohlergehen und die Erziehung der Kinder. Sie bietet einen sicheren Raum, in dem Kinder Werte, Moral und soziale Kompetenzen entwickeln können. Darüber hinaus ist die Familie eine Schule, in der der Mensch seine Humanität entfalten kann. Hier lernen Kinder, wahre Menschlichkeit zu entwickeln und ihre Würde als Kinder Gottes zu erkennen, indem sie die bedingungslose Liebe ihrer Eltern erfahren.

Für Papst Benedikt XVI. war die Familie der Ursprung des Lebens und der Ort, an dem jede Berufung entsteht. Sie ist ein fruchtbarer Boden, auf dem Kinder heranwachsen und ihre Talente und Fähigkeiten entdecken können. So ist die Familie dazu berufen, eine innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe zu sein. Sie basiert auf dem unauflöslichen Bund der Ehe, der als Fundament für die Harmonie und Stabilität der Familie dient.

Ein Ort der Solidarität

Darüber hinaus hob Benedikt XVI. die Bedeutung der Familie als Ort der Solidarität, des Zusammenhalts und der Unterstützung hervor. In einer Welt, die von zunehmendem Individualismus und Fragmentierung geprägt ist, ist die Familie ein Ort, an dem die Mitglieder füreinander da sind und einander unterstützen sollen. Die Familie bleibt ein fester Ankerpunkt. Sie ist ein Ort, an dem Menschen Liebe und Geborgenheit erfahren und in dem man von Kindheit an lernt, Gott anzubeten und ihn zu lieben. Dies ist auch der Grund, weshalb Benedikt XVI. sich am 4. Juni 2005 mit diesem dringendem Wunsch an die Eheleute, die Eltern und Kinder wandte, wenn er sagte: “Mögen die christlichen Eheleute trotz der Schwierigkeiten des gegenwärtigen geschichtlichen Augenblicks nicht aufhören, durch ihr Leben Zeichen der treuen Liebe Gottes zu sein.”

Am 8. Oktober 2006 sagte er: “Mögen die christlichen Eheleute im Bewusstsein der empfangenen Gnade Familien gründen, die offen sind gegenüber dem Leben und fähig, gemeinsam den vielen schwierigen Herausforderungen unserer Zeit entgegenzutreten. Heute ist ihr Zeugnis besonders nötig. Wir brauchen Familien, die sich nicht von modernen, an Hedonismus und Relativismus orientierten, kulturellen Strömungen mitreißen lassen und die bereit sind, ihre Sendung in der Kirche und in der Gesellschaft mit großherziger Hingabe zu erfüllen.”

Momente der Harmonie

Und im selben Jahr sagte der große Theologe auf dem Stuhl Petri: “Mögen die Kinder mehr die Momente der Harmonie und der Zuneigung der Eltern erfahren als eine Atmosphäre der Zwietracht und Gleichgültigkeit, denn die Liebe zwischen Vater und Mutter schenkt den Kindern eine große Sicherheit und lehrt sie die Schönheit der treuen und dauerhaften Liebe.”

Lesetipps: “Leben und Liebe – Benedikt XVI. über die Familie”. St. Ulrich-Verlag, Augsburg 2008, 160 Seiten, ISBN 978-3867440516, EUR 15,00

“Benedikt XVI. – Gedanken über die Familie”. Media Maria, Illertissen 2015, 128 Seiten, ISBN 978-3945401071, EUR 12,90

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