Nichts Neues unter der Sonne

Schon Joseph Ratzinger und Hans Küng stritten über die Frage, ob die Kirche dasselbe ist wie ein Konzil oder eine Synode. Teil I eines Beitrags zur gegenwärtigen Debatte über die Synodalität

Nichts Neues unter der Sonne | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Nur wenige mit Begriff “Synodalität” vertraut
Konzil: Texte auf einen Klick – Vatican News

07.03.2023

Martin Grichting

Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Dieses Bibelwort bewahrheitet sich gerade wieder, wenn es derzeit um die “Synodalität” der Kirche geht. Denn schon in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde über das Verhältnis von Kirche und Konzil, einer synodalen Versammlung, diskutiert. Es war Hans Küng, der die Begriffe des Konzils und der Kirche in eins zu setzen versuchte, so dass im Ergebnis die Kirche ein großes, pausenlos beratschlagendes Konzil werden sollte. Auch in der aktuellen Diskussion über Synodalität spielt, vor allem in deutschsprachigen Landen, die Verwechslung von Begriffen und der damit gemeinten Inhalte eine wichtige Rolle.

Das “concilium” ist nicht die “ekklesia”

Und es war Joseph Ratzinger, der schon damals in seiner Schrift “Zur Theologie des Konzils” (Gesammelte Werke, Bd. 7/1, S. 92-120) die Dinge ins rechte Licht rückte und auf Gefahren hinwies, die heute wieder aktuell sind.
Küng behauptete, die Kirche als Ganze sei das von Gott zusammengerufene Konzil, das “ökumenische Konzil aus göttlicher Berufung”. Das Konzil als Kirchenversammlung sei dann das “ökumenische Konzil aus menschlicher Berufung” und damit die Repräsentation des “ökumenischen Konzils aus göttlicher Berufung”. Die Folge dieser Behauptung war klar: Ein so verstandenes Konzil müsse die Repräsentanz aller Glieder der Kirche sein. Es könne keine Versammlung allein der Bischöfe sein, denen Jesus Christus als den Nachfolgern der Apostel aufgetragen hat, zu binden und zu lösen (vgl. Mt 16, 19 und 18, 18). Was Küng damals postulierte, feiert heute wieder Urständ, wenn es auf verschiedenen Ebenen um die Schaffung “synodaler Ausschüsse” oder “Räte” geht, die unterschiedslos aus Bischöfen, Priestern und Laien bestehen sollen.

Demgegenüber zeigte Ratzinger, dass Küng sich schon etymologisch irrte. Dieser hielt zwar zu Recht fest, “Kirche” komme vom griechischen “ek-kalein”, herausrufen. Die Kirche sei die “ekklesia”, die “Herausgerufene”. Küng behauptete dann jedoch, “concilium” stamme von “con-calare”: zusammenrufen. Die Kirche wäre dann als Konzil die “Zusammengerufene”. Ratzinger wies demgegenüber nach, dass die Ableitung von “con-calare” irrtümlich ist. Vor allem aber konnte er zeigen, dass weder an den 22 einschlägigen Stellen der lateinischen Bibel noch bei den Kirchenvätern “concilium” je die Übersetzung für das griechische “ekklesia” ist. “Concilium” ist im kirchlichen Kontext vielmehr stets das Äquivalent der griechischen Begriffe “synedrion” oder später “synodos”.

Ratzinger: Ein müßiger Schulstreit ist das nicht

Ratzinger wies sodann darauf hin, dass auch der geschichtliche Befund gegen Küngs These spricht. Denn die synoden- oder konzilienartigen Phänomene entstanden erst etwa ab dem Jahr 160 im Kampf gegen die Irrlehre des Montanismus. Sie dienten im Konfliktfall der Unterscheidung der Geister und der Abwehr von Bedrohungen der gesamten Christenheit durch Irrlehren. Der Radius des Konzils sei deshalb viel enger als derjenige der Kirche. Jenes habe “Ordnungs- und Gestaltungsfunktion” und diene der Kirche in dieser Welt “in den je besonderen Situationen der Weltenzeit”. Diese sei ihrem Wesen nach nicht Ratsversammlung, sondern Versammlung um das Wort Gottes und um das Sakrament, das als “vorweggenommene Teilhabe an Gottes Hochzeitsmahl” über diese Welt und Zeit hinausweise. Jede Eucharistiefeier, jede Teilkirche sei deshalb “ekklesia”, Kirche. Das Konzil jedoch sei nicht die Kirche, stelle sie nicht dar, sondern sei lediglich ein bestimmter, zeitlich und sachlich begrenzter “organisatorischer” Dienst in ihr und an ihr.

Dazu bemerkte Ratzinger: “Das mag auf den ersten Blick wie ein reichlich müßiger Schulstreit erscheinen.” Aber dem sei nicht so. Denn die Gefahr, wie sie im Küng‘schen Spiel mit Worten lauert, sei folgende: So lange das Konzil von der Kirche her verstanden werde als ein geistlicher Dienst zur Unterscheidung und Konfliktlösung im Einzelfall, bestehe kein Problem. Denn selbstverständlich komme das Konzil vom Wesen der Kirche her und sei ein Teil von ihr.
Die Lage ändere sich jedoch, wenn sich im öffentlichen Bewusstsein ein umgekehrtes Verhältnis von Kirche und Konzil durchsetze. Mit anderen Worten: Wenn die Kirche vom Modell des Konzils her verstanden werde.

Denn dann geschehe Folgendes: “Das Konzil als das Bekannte, Konkrete, wird zum Schlüssel für die Ansicht von der Kirche als des Tieferliegenden und erst zu Erfragenden.” So werde die Kirche in ein “Synedrion” oder eine “Synode” aufgelöst. Die Gesamtkirche werde zur “Ratsversammlung”, zu einer “organisatorischen und politischen Größe, der man nicht in der Grundeinstellung des Glaubens, sondern in der Haltung der Aktion antwortet”. So gehe es um Politik, Machen und Verändern. Und wenn man an Phänomene wie den “Synodalen Weg” und damit verbundene Mechanismen der “Entscheidungsfindung” denkt, fügte Ratzinger geradezu prophetisch an: “Dann sind diejenigen, die Konstanten in ihr [der Kirche] sehen und festhalten wollen, in der Tat nur ‘Bremser’, aber dann muss man sich auch bewusst sein, dass man sich auf das nicht eingelassen hat, was die Kirche selbst zu allen Zeiten als ihr Eigentlichstes und Wesentliches ansah.”

Die Weise des rechten Stehens in der Kirche

Abgesehen von den gesellschaftspolitischen sowie finanziellen Absichten und Interessen, die mit der Verwandlung der Kirche in eine permanent tagende “Ratsversammlung” verfolgt werden: Es geht, darunter liegend, auch um eine theologische Frage. Denn es steht dann, wie Joseph Ratzinger schon gegen Hans Küng festhielt, der ganze Kirchenbegriff zur Debatte. Damit stelle sich auch die Frage, wie es um die “Weise des rechten Stehens” zur Kirche bestellt sei. Dies gilt umso mehr heute, als nicht ein Konzil tagt, sondern auf tieferer Stufe ein synodales Experiment läuft. Auch dieses steht, nicht nur in deutschsprachigen Landen, in der Gefahr, den Eindruck zu vermitteln, Kirche sei vom Konzil her zu verstehen, also als Ratsversammlung und Urabstimmung über das, was Glaube ist.

Die “Weise des rechten Stehens” zur Kirche, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil der Kirche als Antwort auf die Verhältnisse in der Neuzeit nahegelegt wurde, ist jedenfalls mit dem derzeitigen synodalen Experiment noch nicht geleistet. Denn auch wenn aktuelles kirchenamtliches Handeln nicht schlechthin zum Missverständnis der Kirche als Ratsversammlung führt, so richtet es doch die Kräfte der Gläubigen nach innen, auf die Struktur und das Räderwerk kirchlicher Organisation. Das jüngste Konzil hatte demgegenüber insbesondere den Laien eine andere Sendung und ein anderes Ziel ihres Wirkens vor Augen gestellt: die Welt in ihren zahlreichen Facetten, die seit jeher in Geburtswehen liegt und auf das Offenbarwerden der Söhne – und Töchter – Gottes wartet (vgl. Röm 8, 18ff).

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