Papst schreibt an das ukrainische Volk: “Euer Schmerz ist mein Schmerz”
Mit einfühlsamen Worten hat Papst Franziskus sich in einem persönlichen Brief an das ukrainische Volk gewandt und es seiner ständigen Nähe versichert. Auch die während des Krieges getöteten Kinder und die russischen Deportationen spricht er in dem Schreiben mit Datum 24. November an, das an diesem Freitag öffentlich wurde
Quelle
Widerstand leisten, um zu überleben | Die Tagespost (die-tagespost.de)
“Seit neun Monaten ist in Eurem Land der absurde Wahnsinn des Krieges entfesselt worden”, wendet sich Franziskus zu dem traurigen Jubiläum des russischen Überfalls am 24. Februar 2022 an die Ukrainerinnen und Ukrainer, die von einem Tag auf den anderen ihres gewohnten Lebens beraubt worden sind.
Im Himmel über ihnen hallten das “unheimliche Dröhnen von Explosionen und der bedrohliche Klang von Sirenen unaufhörlich wider”, versetzt sich der Papst in die Lage der Menschen, deren Städte und Dörfer durch Bomben und Raketen getroffen werden und die mit “Tod, Zerstörung und Schmerz, Hunger, Durst und Kälte” konfrontiert werden: “Auf euren Straßen mussten so viele Menschen fliehen und ihr Zuhause und ihre Lieben zurücklassen. Entlang eurer großen Flüsse fließen jeden Tag Ströme aus Blut und Tränen”, so Franziskus weiter.
Er wolle seine Tränen mit den ihren verbinden und ihnen sagen, “dass es keinen Tag gibt”, an dem er ihnen nicht nahe sei, sie nicht in seinem Herzen und in seinem Gebet trage, betont das Kirchenoberhaupt, das nicht müde wird, bei seinen öffentlichen Auftritten für ein Ende des Krieges einzutreten, während die Vatikan-Diplomatie (mit gemischten Erfolgen) hinter den Kulissen tätig ist.
“Euer Schmerz ist mein Schmerz”
Doch dem Papst ist es ein besonderes Anliegen, die Menschen in dem kriegsgemarteten Land mit seinem Brief auch persönlich anzusprechen: “Euer Schmerz ist mein Schmerz”, betont er an die Adresse jedes einzelnen der ukrainischen Bürgerinnen und Bürger. Und weiter: “Im Kreuz Jesu sehe ich heute Euch, die ihr unter dem Terror leidet, den diese Aggression auslöst. Ja, das Kreuz, das den Herrn gequält hat, lebt wieder in den Folterspuren, die an den Leichen gefunden wurden, in den Massengräbern, die in verschiedenen Städten entdeckt wurden, in diesen und so vielen anderen blutigen Bildern, die in unsere Seelen eingedrungen sind, die uns schreien lassen: Warum? Wie können Menschen andere Menschen auf diese Weise behandeln?”
“Der Schmerz der ukrainischen Mütter ist unermesslich”
Dabei kämen ihm viele “tragische Geschichten” wieder in den Sinn, vor allem diejenigen der Kinder, die “getötet, verletzt oder zu Waisen gemacht” oder ihren Müttern entrissen worden seien, so Franziskus: “Ich weine mit Euch um jedes kleine Kind, das durch diesen Krieg sein Leben verloren hat, wie Kira in Odessa, wie Lisa in Winnyzja und wie Hunderte von anderen Kindern: in jedem von ihnen hat die gesamte Menschheit eine Niederlage erlitten.” Doch ebenso denke er an die “kleinen und großen Deportierten”, so der Papst mit Blick auf die Zwangsumsiedelungen, mit denen ukrainische Bürger, darunter auch viele Kinder, auf russisches Gebiet verbracht worden sind: “Der Schmerz der ukrainischen Mütter ist unermesslich”, zeigt sich Franziskus ohnmächtig.
Großes Leid in Würde ertragen
In diesem Zusammenhang denke er auch an die jungen Menschen, die zur Verteidigung ihres Vaterlandes die Waffen ergreifen und ihre Träume aufgeben mussten, an diejenigen, die ihre Lieben an der Front verloren hätten und diesen Verlust “in aller Stille, mit Würde und Entschlossenheit, jedes Opfer für ihre Kinder bringen”, ertrügen. Gleichermaßen seien die älteren Menschen, die misshandelten Frauen, alle Menschen, die im Zug des Kriegs Leid erfahren hätten, in den Gedanken des Papstes, der ihnen “mit Zuneigung und Bewunderung” dafür zur Seite stehe, wie sie “solche schweren Prüfungen meistern”.
Auch die Arbeit der Freiwilligen und Seelsorger, die sich, “oft unter großer Gefahr für ihre eigene Sicherheit“, auf verschiedenste Weise um die Menschen vor Ort, darunter auch viele Flüchtlinge und Binnenvertriebene, kümmerten, würdigt Franziskus ausdrücklich. Er bete ebenso für die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, betont der Papst: “Auf ihnen ruht die Pflicht, das Land in tragischen Zeiten zu regieren und weitsichtige Entscheidungen für den Frieden und die Entwicklung der Wirtschaft zu treffen, während so viele lebenswichtige Infrastrukturen in der Stadt und auf dem Land zerstört worden sind.”
Würdigung eines tapferen Volkes
Neunzig Jahre nach dem “schrecklichen Völkermord des Holodomor”, in diesem “Meer des Bösen und des Leids” bewundere er Stärke des ukrainischen Volkes, die Tatsache, dass es sich nie “entmutigen” habe lassen oder “in Mitleid versunken” sei: “Die Welt hat ein mutiges und starkes Volk erkannt, ein Volk, das leidet und betet, weint und kämpft, Widerstand leistet und hofft: ein edles und gemartertes Volk.”
Nicht im Stich lassen
Er wolle ihnen in ihrer Situation zur Seite stehen, aber auch dafür sorgen, dass diese bei andauerndem Krieg nicht in Vergessenheit geraten könne, so das tief empfundene Versprechen des Papstes, der hofft, dass die Nähe der Kirche und der Weltgemeinschaft den Menschen in der Ukraine etwas Hoffnung geben möge: “In wenigen Wochen ist Weihnachten, und der Stachel des Leids wird noch stärker zu spüren sein. Aber ich möchte mit Euch nach Bethlehem zurückkehren, zu der Prüfung, der sich die Heilige Familie in jener Nacht stellen musste, die nur kalt und dunkel erschien. Stattdessen kam das Licht: nicht von Menschen, sondern von Gott; nicht von der Erde, sondern vom Himmel.”
Insbesondere die Ukraine und Russland weihe er, “in Verbindung mit den Bischöfen der Welt”, dem Unbefleckten Herzen der Gottesmutter, so Franziskus, der bereits einen Monat nach Kriegsausbruch den entsprechenden Weiheritus, flankiert von den Bischöfen der Weltkirche in ihren jeweiligen Ländern, vollzogen hatte.
vatican news – cs, 25. November 2022
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