Das Gute wird siegen UPDATE
Papst Franziskus wollte, dass das Heilige Jahr der Barmherzigkeit am Festtag der unbefleckten Empfängnis Mariens beginnt
Chesterton – Es wird ein Kampf zwischen schlechten Katholiken und guten Katholiken
Amazon.com: Catholic Church and Conversion: 9781586170738: Chesterton, G. K.: Bücher
Papst Franziskus wollte, dass das Heilige Jahr der Barmherzigkeit am Festtag der unbefleckten Empfängnis Mariens beginnt. Dieses Fest geht an die Wurzeln des Geheimnisses der Erlösung. Dass auch der Mensch von heute diese Erlösung braucht, beweist die tägliche Nachrichtenlage: Verbrechen und Intrigen, Grausamkeiten und Gewalt, Neid, Gier und Elend sorgen für die grossen Schlagzeilen wie für die Skandalnachrichten im Lokalteil der Zeitungen. Die Existenz der Sünde zu leugnen, heisst für die Wirklichkeit blind zu sein. Doch Gott hat den Erlöser geschickt. Fleisch geworden in einer Frau, die von der grossen Erbschuld der Menschheit befreit war. Mit ihr beginnt die Geschichte der Rettung dieser Welt.
Das ganze Drama unserer Existenz
Trotz aller Entsetzlichkeiten dieser Welt: Dass Maria von Anfang an “voll der Gnad”“ war, ist eine ungeheure Botschaft der Hoffnung – wie auch die Erbsündenlehre der Kirche eine Lehre der Hoffnung ist
Von Felix Hornstein
Am 8. Dezember feiert die Kirche das “Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria“. In meiner Kindheit noch zusammen mit Josefi und Peter und Paul einer der geliebten “halben Feiertage“, an denen man schulfrei hatte, während die Geschäfte offen hatten. Für die Kirche hat sich durch die Abschaffung des staatlichen Feiertages eigentlich nichts geändert – aber für die Gläubigen bei uns? In den Kirchenanzeigern wird das Fest meist noch vermerkt, auch heilige Messen werden noch “angeboten“. In der Verkündigung und den Pfarrblättern fand ich aber hauptsächlich Verweise auf irgendwelche ökumenischen Treffen oder “Adventliche Gottesdienstfeiern“ – kein Hinweis aber auf das Hochfest, das doch erklärungsbedürftig ist, nicht weil es irgendwie abstrus und gestrig wäre, sondern weil die wenigsten heutzutage überhaupt noch wissen, worum es da geht und was sie da eigentlich glauben, wenn sie Katholiken sind. Aber Katholischsein heisst doch “sentire cum ecclesia“, mit der Kirche glauben. Oder etwa nicht?
Wie, fragt man sich, steht es nun mit dem Fest vollends im Religionsunterricht? Wo soll man die “Schülerinnen und Schüler abholen“? Und bemüht sich heute überhaupt noch jemand, sie dorthin bringen zu wollen? Wohl nicht zuletzt, um es den Religionslehrern zu erleichtern, das zu unterrichten, was sie gerne unterrichten wollen und nicht das, was sie unterrichten sollen, hat man vor der letzten Lehrplanrevision eine Umfrage unter den Religionslehrern gestartet, der die Gottesmutter weitestgehend zum Opfer gefallen ist. Wir machen die Schüler fit für den ökumenischen Dialog, indem wir die zwischen den Konfessionen strittigen Themen einfach unter den Tisch fallen lassen.
Wie aber soll man das Thema im heutigen Religionsunterricht überhaupt zur Sprache bringen? Die Schüler sind meist kirchenfern, nur die Ministranten unter ihnen haben meist noch eine ungefähre Vorstellung davon, wie eine Kirche von innen aussieht. Die Köpfe sind beherrscht von Computerspielen, Filmen und anderen Dingen, von denen ich hier nicht reden will. Die Öffentlichkeit ist, was das Thema Kirche angeht, besetzt von aggressiven Attacken oder milder Missachtung. Kann man da überhaupt über Maria sprechen und dann noch über solche Dogmen wie die “unbefleckte Empfängnis”?
Aber vielleicht kann man doch eines gewinnen: Vielleicht kann man da und dort vermitteln, dass die Dogmen kein Unsinn sind und dass es nicht an den Dogmen liegt, wenn wir sie nicht verstehen, sondern an uns! Vielleicht kann man zeigen, dass die Glaubenslehren zwar tatsächlich für den heutigen Normalzugang zur Welt abseits liegende Felder sind, dass es aber gerade auch dort “um die Wurst geht”. Und dass es dort um nichts anderes geht als beim Glauben überhaupt: Um die Frage – und dafür sind gerade auch junge Menschen zu haben! –, ob diese Welt einen Sinn hat und ob es darin für uns eine Hoffnung gibt. Gerade dann aber hilft ein halber Glaube nicht recht viel weiter, denn der wäre ja das Eingeständnis, dass der Glaube der Kirche nur ein Steinbruch ist, aus dem man sich nach Belieben herausschlagen kann, was man gerade zu brauchen können meint. Im Klartext: Dass auch der Glaube der Kirche zur Hälfte Betrug wäre oder war. Wie aber sollte ich darauf mein Leben bauen?
Es geht also um die exemplarische Erkenntnis, dass die Dogmen der Nachprüfung wert sind. Wer das an einer Stelle erlebt hat, wird vielleicht auch an anderen Stellen erst einmal genauer nachschauen.
Wie kann man das Dogma nun vermitteln? Ich will im Folgenden versuchen, einen Gedankengang nachzuzeichnen, der das Dogma sicher nicht in theologisch korrekter Form ausschöpft (sofern ein Dogma, das doch “begrenzen” will, überhaupt etwas “ausschöpfen” soll), der aber vielleicht doch ein paar Hinweise liefern kann, wie man sich dem Dogma heutzutage nähern kann.
Unerträgliches Leben in dieser Welt
“Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria”: Zuerst einmal geht es darum, “Mariä Empfängnis” von der “Jungfrauengeburt“ zu unterscheiden. Die Öffentlichkeit spricht fast durchgehend von der “Jungfrauengeburt“ als der “unbefleckten Empfängnis“, meist nicht ohne dahinter eine grundsätzliche Sexualfeindlichkeit der Kirche zu entdecken. Dabei meint “Befleckung“ hier ja (nicht Befleckung durch Sexualität, sondern) “nur” die (in Wirklichkeit viel gravierender) Befleckung durch die Sünde. Befleckung kann rein äusserlich sein, wie in vielen alten Kulten. Hier geht es um die Sünde in der vollen, personalen Bedeutung des Wortes. Was Befleckung in diesem Zusammenhang meint, ist eigentlich ganz einfach zu sehen und unmittelbar zeichenhaft: Man braucht gar nicht erst die alten Griechen zu bemühen, etwa Sophokles’ Ödipus, in der von einer Befleckung (miasma) durch die Sünde des Königs die Rede ist, der seinen Vater erschlagen und seine Mutter geheiratet hat; es genügt sich daran zu erinnern, dass sich der Mörder der kleinen Nathalie von Epfach nach seiner Tat zwei Stunden unter die Dusche gestellt hat: Schuld “klebt“ am Täter, er möchte sie loswerden, “abwaschen“. Daher all die Reinigungsriten, die doch nie genug sind, wenn sie nicht den ganzen Menschen von innen erfassen. Wer aber kann Sünden vergeben als Gott allein?
Maria ist, so der Glaube der Kirche, “unbefleckt“ von der “Erbsünde“. Nächste Schwierigkeit, nächstes Missverständnis. Was heisst “Erbsünde“? Ich kenne Theologen, die mir sagen, die Erbsünde sei für sie das einzige Dogma, das empirisch nachzuvollziehen sei. Und ein Skeptiker sagte mir einmal, er glaube zwar nicht an Gott; dass es aber den Teufel gebe, sei evident. Daher müsse es ja wohl doch auch Gott geben.
Aber das meine ich nicht. Das Dogma bleibt unempirisch. Sinnvoll ist an dieser Stelle die Unterscheidung von Befund und Diagnose: Ein Blick auf die Welt, gleich ob vermittelt oder über unsere alltägliche Lebenserfahrung, liefert uns die unabweisbare Erkenntnis, dass das Leben auf dieser Welt manchmal einfachhin unerträglich ist. Wo wir hinblicken, nicht nur Not und Elend (trotz allem Guten und aller Schönheit), sondern auch Gemeinheit: Verdrehung der Wahrheit, Umkehrung der Dinge. In dieser Welt ist die Gabe vergiftet und selbst die Moral wird allzu oft als Mittel zum Zweck oder als Waffe eingesetzt und dadurch in ihr Gegenteil verkehrt. Unlebbarkeit des Lebens, Verzweiflung, Krankheiten, Gefahr, ständige Unsicherheit, die Not, sich über Wasser halten zu müssen, und das quälende Leiden unter der uns immer wieder begegnenden Unwissenheit über den Sinn des Lebens.
Aus dem “Befund”, aus der Tatsachenfeststellung “Jammertal” macht die Theologie die Diagnose “Erbsünde”. Sie diagnostiziert dieses Unglück der Welt, dieses “Unter-dem-Soll-Sein” der Welt als “Beziehungskrise“, als “Zustand des Gnadenberaubtseins“. Die Welt hat durch ein Versagen der ersten Menschen – also durch ein kontingentes Ereignis – Gott aus den Augen verloren, die Beziehung zu Gott ist gestört, der “Draht“ zu Gott hat einen “Wackelkontakt“ (denn ganz kaputt ist er ja nicht, wie man im Gegensatz zur protestantischen Sicht der Dinge festhalten muss). Wir Menschen werden in eine Welt hineingeboren, der Gott nicht mehr einfachhin klar ist. Mit anderen Worten: Wir erben das Fehlen der Zugehörigkeit zu einer Heilsgemeinschaft, “erben“ die Nichtzugehörigkeit zum Volk Gottes. Deshalb besteht ja auch kein Gegensatz zwischen der “Aufnahme in die Kirche“ und dem “Abwaschen der Erbsünde“ in der Taufe: Taufe bedeutet ja Aufhebung der Erbsünde durch Hineingenommenwerden in den Leib Christi, also in die Liebesgemeinschaft mit Gott.
Wenn nun die Gottesmutter “unbefleckt“ war, frei war von der Erbsünde, so heisst das, dass in ihr der “Draht“ zu Gott intakt war. In einem modernen Bild gesprochen: Sie war immer “auf Empfang“, noch moderner, immer “online“.
Das bedeutet nebenbei bemerkt, dass der Kontakt Gottes zur Welt nie ganz abgebrochen war; dass es nicht immer nur Abfall, Sünde und Verlust der Gottesbeziehung gab, sondern immer auch “Gerechte“, heilige Menschen, die die “Fahne des Glaubens“ (Chesterton) aufrecht hielten.
“Da kommt ein echter Israelit, ein Mann ohne Falschheit” sagt Jesus über Nathanael, als er ihn zum ersten Mal sieht (Joh 1,47). Es gibt und gab immer Gerechte, immer einen Schatz an guten Menschen, die mit Gott befreundet waren. In diesen “Heiligen Rest“ ist nun auch die Gottesmutter einzuordnen. Sie gehört dazu und ist sozusagen die Spitze dieses Berges. Sie verkörpert geradezu die Treue Israels, das treue Ausharren Israels auf Gott.
Denn ihr ganzes Leben ist ein “Ja“ (“fiat“). Am Besten gleich rückwirkend gedacht: Vom Ausharren und Mitleiden unter dem Kreuz, von der Verkündigung, von, ja von Anfang an! Schon immer!
Zu den grossen und erschütternden Erlebnissen eines Lebens gehört es, wenn man selbst oder eines der Geschwister ein Kind kriegt. In unserer Familie mussten wir recht lange warten, bis es endlich zum ersten Mal soweit war und unsere Schwester, zu Besuch bei den Schwiegereltern, uns die freudige Nachricht übermittelte, sie bekomme ein Kind. Doch noch am gleichen Abend rief sie erneut an – unmittelbar auf die lang ersehnte Freude der Schock – sie habe das Kind verloren! Am nächsten Morgen erwies es sich dann doch, dass das Kind lebte und nach einer nicht ganz einfachen Schwangerschaft kam es am Weihnachtsabend während der Christmette zur Welt. Heute ist dieses Kind erwachsen und studiert.
Was wäre da beinahe in der Kanalisation verschwunden? Ein “himbeerförmiges Gebilde”? (Wolfgang Zeidler) Ein winziges Etwas, aus dem irgendwann später mein Neffe wurde?
Wann beginnt der Mensch? Heute wissen wir, dass er von Anfang an Person ist. Wir sind doch nicht wie die Krapfen, in die erst, wenn sie aufgegangen und aufgebacken sind, der Konditor Marmelade hineinspritzt. Das Menschsein, das Personsein entfaltet sich, wohl “geht es auf“, wohl wird aus vielen Möglichkeiten Wirklichkeit, aber es war doch das Leben meines Neffen, das damals beinahe sein Ende gefunden hätte. “Ihn“ würde es heute nicht geben, wenn “er“ damals gestorben wäre.
Und so geht es jedem von uns: “Mein“ Leben war damals bedroht, “mein“ Leben musste die und die Schwierigkeit überstehen, um weiterzugehen, und so weiter.
Im Zustand eines himbeerförmigen Gebildes befanden sich einst auch Beethoven und Mozart. Auch sie haben wie andere kleine Kinder einmal Muttermilch getrunken und sind gewickelt worden. Wer sie einmal werden würden, sah man ihnen damals noch nicht an, wenn auch anzunehmen ist, dass sich ihre aussergewöhnliche Begabung schon früh bei irgendwelchen Gelegenheiten zeigte, von denen wir nichts mehr wissen.
Heiligenlegenden berichten gelegentlich von derartigen Dingen – etwa vom heiligen Nikolaus, dass er schon als Kind im Bad aufrecht stehen konnte. Rückwirkende Ahnungen von einem besonders festen Stand im unsicheren Element unseres Daseins.
Ebenso ist das Dogma von der Gottesmutter zu denken: Im Nachdenken über die Gottesmutter Maria fand man keinen Zeitpunkt, an dem ihre besondere Begnadung begonnen haben sollte. Sie war schon immer “voll der Gnaden“. Sollte der Draht zu Gott erst im Lauf ihres Lebens eingerichtet worden sein oder war hier nicht vielmehr umgekehrt zu denken: Dass sie eine anfängliche, von Gott selbst geschenkte Beziehung zu ihm in ihrem Herzen bewahrte und nie verlor? Dass sie in ihrem Herzen ihr wahres Selbst mit Hilfe der Gnade Gottes von Anfang an bewahren konnte?
Gedacht war die Welt einmal anders
Rückwirkend, von der Vollgestalt der Entfaltung her, sehen wir erst, wer einer war. Rückwirkend, zurückblickend, kann man erkennen, wer Mozart “war”. “Et vera incessu patuit dea” – erst als sie wegging, erkannte auch der Aeneas der römischen Sage seine göttliche Mutter. (Verg. Aen. I, 405) Rückblickend sehen wir Gestalten und Bilder, wo vorher nur vage Ahnungen und Hoffnungen sein können. Um zu wissen, was eine Eiche ist, muss ich einen ausgewachsenen Baum sehen. Die Eichel verrät nur dem Wissenden, was es mit ihr auf sich hat.
So ist das Dogma von der unbefleckten Empfängnis ein ungeheures Hoffnungsbild für uns – wie auch die Erbsündenlehre entgegen der landläufigen Ansicht eine Lehre der Hoffnung ist. Die Welt ist zwar, wie sie ist, und das ist oft wenig erfreulich. Aber es ist nicht normal, dass sie so ist, wie sie ist. Gedacht war sie einmal anders. Und wenn der Schöpfer anders von der Welt denkt, dann wird sie auch anders sein. Denn er hat die Mittel und kennt den Weg, sie wieder auf den rechten Weg zurückzuführen. Und er ist diesen Weg ja schon gegangen! Diese Welt ist so, wie sie ist, nicht die beste aller möglichen Welten, sondern nur eine unvollkommene Vorgestalt. Aber sie wird anders sein.
“Die meisten Menschen sind schlecht” hiess es schon bei den sieben Weisen (Bias von Priene). Aber nicht alle Menschen sind schlecht! Es gibt die Menschen, die anders sind und uns durch ihr Dasein zeigen, wie der Mensch wäre, wenn er so wäre wie er “ist”. Die Gestalt der Gottesmutter zeigt uns den Menschen, der in vollkommener Weise ja sagt zu Gott und zu seinem Leben.
Wie schwierig ist das für uns! Aber es geht. Und das zeigt uns, dass es nicht umsonst ist, an der Stelle, an der wir stehen, zu glauben und zu kämpfen.
Das Böse hat keine Macht
Es gibt eine wunderbare Stelle in der Literatur, an der man zeigen kann, was mit dem Dogma gemeint ist. In Otfried Preusslers Roman “Krabat“ – einem echten Jugendbuch für Erwachsene – gibt es eine Szene, die nur von daher klar wird und die umgekehrt Licht auf das Dogma werfen kann.
Das Buch spielt in einer schwarzen Mühle – Symbol einer Welt, die sich ganz von Gott abgewandt hat (obwohl sie Gottes Wirken nicht gänzlich ausschliessen kann) und zum Machtbereich des Teufels gehört. In einer solchen Welt gibt es keinen Platz für Liebe, denn Liebe sucht ja nicht das Ihrige (1 Kor 13,5), wie die teuflischen Gestalten, die sie beherrschen. Der jugendliche Krabat liebt ein Mädchen und wagt mit ihr zusammen den Kampf gegen den “Meister“. Kurz vor der endgültigen Entscheidung kommt es zu einer der seltenen Begegnungen der beiden. Krabat befindet sich im Besitz eines Messers, das die wunderbare Eigenschaft hat, seinem Besitzer anzuzeigen, ob er sich in Gefahr befindet. Krabat leiht dem Mädchen das Messer, damit es sich eine Locke von seinem Haar abschneiden kann. In seiner Hand hat es sich schwarz verfärbt. Als sie es aber ergreift, leuchtet es wieder hell. Das ist unlogisch! Denn wenn Krabat den Kampf auf Leben und Tod, den er führt, verliert, dann ist auch das Mädchen verloren. Dem Vorbesitzer des Messers ist es so ergangen. Das Mädchen, das er liebte, ist vom Meister in den Tod getrieben worden. So müsste sich das Messer auch in der Hand des Mädchens schwarz verfärben.
Wenn es das nicht tut und klar bleibt, kann das nur eines heissen: Über dieses Mädchen in seiner vollkommenen inneren Geradheit und Reinheit hat die Macht des Bösen keine Gewalt. Sie kommt nicht an es heran. Es lässt sich nicht korrumpieren, macht nicht mit, gibt dem Bösen kein Einbruchstor. Hier prallen alle seine Waffen ab. Und das ist klar. Von vorneherein klar. “Von Anfang an“, “schon immer“ ist dieses Mädchen so. Es ist ihr Wesen. Die Kantorka, so wird sie genannt, steht gleichsam auf festem Grund. Von dort kann sie ihrem Geliebten “ein Seil zuwerfen”: “Wir zwei gehören zusammen. Du bist in Gefahr, ich aber nicht. Mir kann nichts passieren, also Dir auch nichts!” Als es zur Entscheidung kommt, wird die Kantorka durch ihre “Heiligkeit” den Kampf gewinnen. Das erfährt der Leser erst zum Schluss, da das Buch bis zuletzt spannend bleibt. Aber rückwirkend, wenn man es ausgelesen hat, weiss man, dass die Sache spätestens seit dieser Begegnung klar war. Die Kantorka gehörte nicht zum Einflussbereich der Macht des Bösen. Sie konnte gar nicht unterliegen. Wie Maria über Drachen und Schlangen schreitet, so siegt hier Gut über Böse.
Überschwänglich? Rosarot gedacht, während die Wirklichkeit anders ist? “c” macht Mut angesichts der Entsetzlichkeit der Wirklichkeit, die er deutlich ausmalt. Was der Unheilszustand dieser Welt ist, was Erbsünde in ihrer schrecklichen Tiefe meint, bleibt niemandem verborgen.
Aber wir dürfen hier doch nie aufgeben, nie die Hoffnung fahren lassen! Wir stehen hier ja nicht allein, mit dem Tüchtigen ist nicht allein das Glück, sondern auch die Macht, die von uns fordert, uns einzusetzen, ohne der Wunden zu achten. Es geht um nichts Geringeres als um das ganze Drama unserer Existenz. Hier wie bei jedem anderen Dogma auch. Denn alle hängen sie zusammen. Sollte sich das gar nicht vermitteln lassen?
“Wir feiern ein Kind ohne Sünde“
Wenn die katholischen Kinder in der ehemaligen DDR am 9. Dezember in der Schule ihre Entschuldigungen für das Fehlen am Vortag abgaben – sie hatten das Recht diesen Feiertag zu begehen, aber es wurde ihnen schwergemacht, es in Anspruch zu nehmen –, wurden sie gefragt, was sie denn da gefeiert hätten. Die Antwort der Kinder war: “Joachim und Anna haben ein Kind bekommen, das frei von Sünde war. Und das feiern wir.” Kardinal Meisner, der darüber in einer Predigt im Kölner Dom zum 8. Dezember berichtete, meinte, viel mehr könne er dazu heute auch nicht sagen. Aber welches deutsche Kind könnte heutzutage überhaupt so eine gute Antwort auf diese Frage geben?
Ich verdanke diesen Bericht einem Bekannten, der vor wenigen Jahren im Kölner Dom das Hochamt zum 8. Dezember erlebt hat. Es war ein Amt comme il faut, gefeiert von Kardinal Meisner mit Weihrauch und Ministranten und feierlichen Gesängen. Was für ein Fest des Glaubens!
Was sind das nur für Leute, die an die Unbefleckte Empfängnis glauben? Aber sind es nicht arme Leute, die nicht an die unbefleckte Empfängnis glauben können?
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