“Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes”
13. August 2022
Die Beteiligung an der aktuellen Umfrage, die man im Vorfeld der kommenden Bischofssynode erhob, blieb in Deutschland wie überall im allerniedrigsten, einstelligen Bereich. Selten war eine Umfrage weniger repräsentativ als diese. Von einer anderen, ebenfalls aktuellen Umfrage kann man gerade dies nicht behaupten: Derzufolge lehnen drei Viertel der Deutschen und eine ebenso grosse Zahl deutscher Katholiken die Kirchensteuer ab.
Dass dies ohne politische Folgen bleibt, ist nicht zu erwarten. Dies umso weniger, als die deutsche Regierung obendrein die Staatsleistungen an die Kirche in Frage stellt, die diese seit der Säkularisation (1803) erhält. Ohne Zweifel wächst hier der Druck auf die Kirche – und dies sicher zurecht.
Dass die Kirche in Deutschland sagenhaft reich ist, ist gewiss kein Geheimnis, ebenso wenig, dass sie ihre Geltung in Rom wie in der Weltkirche ausschliesslich diesem Reichtum verdankt. Bis heute sprudeln die Einnahmen aus der Kirchensteuer und ermöglichen in Deutschland kirchliche Strukturen, die es glücklicherweise sonst nirgends gibt: Vom gigantischen Verwaltungsapparat der Diözesen bis hin zum antikirchlichen Verbandskatholizismus und überflüssigen Gremien wird alles aus Steuermitteln finanziert, ganz zu schweigen von den Heerscharen hauptamtlicher Laien, die überall als Pseudo-Klerus fungieren und zugleich das Wichtigste verdecken: das sakramentale Wesen der Kirche, Christus selbst.
“Des Satans Fangnetz in der Welt, hat keinen anderen Nam’ als Geld”, so heisst es treffend in Hofmannsthals “Jedermann”, dem berühmten “Spiel vom Sterben des reichen Mannes”, und eben dies führt die Kirche in Deutschland seit Jahren vor: Von Christus ist keine Rede mehr, nicht von der Botschaft des Evangeliums und von der Lehre der Kirche; stattdessen sind das Geld und der Zeitgeist die Parameter, an denen man sich ausrichtet und an denen man nun dahinstirbt.
Dass von einer solchen “Kirche” keine geistliche Vitalität mehr ausgeht und auch keine missionarische Kraft, wundert niemand. Als jüngere Schwester des Reichtums kommt ja immer die Dekadenz und nie die Heiligkeit daher.
Kein Geringerer als Papst Benedikt XVI. hat dies im Falle Deutschlands schon lange erkannt. In seiner Freiburger Rede (2011) trat er deshalb für eine Entweltlichung der Kirche ein und zielte damit auch auf die Abschaffung der Kirchensteuer. Dies änderte jedoch nichts daran, dass sich die Kirche in Deutschland nicht „entweltlichen“ wollte. Stattdessen wollte sie reich und einflussreich bleiben, und genau dieser Fehler hat sie nun eingeholt. Was es braucht, ist ein später Befreiungsschlag.
Zurecht hat Bischof Hanke von Eichstätt deshalb das Ende der Kirchensteuer gefordert. Niemand braucht eine reiche, selbstbezogene Kirche, schon gar keine, die mit ihren Reichtum ein Schisma provoziert und ihre Ideen obendrein in ärmere Teilkirchen exportiert: Die bischöflichen Hilfswerke „Adveniat“ und „Misereor“ spenden dort ja keineswegs nur materielle Unterstützung aus, sondern suchen Verbündete für die deutsche „Reformation 2.0“.
Bereits vor der Amazoniensynode (2019) versuchte man Gerüchten zufolge südamerikanische Bischöfe für deutsche Reformideen zu begeistern – gegen bare Zuwendung, versteht sich. So sieht Mission „made in Germany“ heute aus; ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und auch wenn man im klammen Rom stets dankbar für Zuwendungen aus Deutschland blieb, geht man dort inzwischen zunehmend auf Distanz. Jeder weiß: Die Zukunft der Kirche wird nicht in Deutschland liegen, sie hängt nirgendwo vom deutschen Geld und in Deutschland selbst nicht von der Kirchensteuer ab.
Im Gegenteil: Die Kirchensteuer ist das schleichende Gift, an dem dort eine kranke Kirche leidet, die vor der ganzen Welt nun das „Sterben des reichen Mannes“ gibt. Dass das wirklich so ist, bemerkt sie selbst natürlich am wenigsten – so wenig wie Hofmannsthals „Jedermann“.
Der Verfasser, Dr. Joachim Heimerl, ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.
Schreibe einen Kommentar