Zu einigen Fragen der Eschatologie UPDATE
“Gleicht euch nicht dieser Welt an, vielmehr wandelt euch durch ein neues Denken, um zu prüfen, was der Wille Gottes ist, was gut, wohlgefällig und vollkommen ist.!” (Röm 12,2)
Quelle
Diverse Beiträge zu Eschatologie
Nach dem wahren Licht schauen
Kongregation für die Glaubenslehre
Zu einigen Fragen der Eschatologie
Die in letzter Zeit stattgefundenen Bischofssynoden über die Evangelisierung und die Katechese haben immer mehr die Überzeugung bekräftigt, wie notwendig die vollkommene Treue gegenüber den fundamentalen Glaubenswahrheiten ist. Dies gilt besonders in der heutigen Zeit, da die tiefgreifenden Veränderungen der menschlichen Verhältnisse und die Bemühungen, den christlichen Glauben in die verschiedenen Kulturen der Völker einzupflanzen, grössere Anstrengungen als bisher erfordern, um diesen Glauben leichter verständlich und mitteilbar zu machen. Diese letztere Notwendigkeit, die als sehr dringend empfunden wird, verlangt tatsächlich eine grösstmögliche Sorgfalt, damit der wahre Sinn und die Unversehrtheit des Glaubens gewahrt bleiben.
Daher müssen die Verantwortlichen allem grosse Aufmerksamkeit schenken, was im allgemeinen Bewusstsein der Gläubigen eine allmähliche Verfälschung und eine fortschreitende Auflösung irgendeiner Wahrheit des bei der Taufe abgelegten Glaubensbekenntnisses verursachen könnte, die für den Gesamtzusammenhang des Glaubens notwendig und unlöslich verbunden ist mit bestimmten wichtigen, zum Leben der Kirche gehörenden religiösen Bräuchen.
Es erscheint uns notwendig und dringend, vor allem auf eine dieser Wahrheiten die Aufmerksamkeit derer zu lenken, denen Gott die Förderung und den Schutz des Glaubens zur Aufgabe gemacht hat, damit Gefahren abgewendet werden, die diesen Glauben in den Herzen der Gläubigen bedrohen könnten.
Es geht um den Glaubensartikel über das ewige Leben und damit um alles, was sich nach dem Tode ereignen wird. Die Darlegung dieser Lehre darf nichts verkürzen, sie darf auch nicht unvollkommen oder unsicher erfolgen, will sie nicht zugleich den Glauben und das Heil der Gläubigen gefährden.
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Keinem entgeht die Bedeutung dieses letzten Artikels unseres Taufbekenntnisses: in ihm werden nämlich Ziel und Zweck des Heilsplanes Gottes ausgesprochen, dessen Entfaltung im Glaubensbekenntnis beschrieben wird. Wenn es keine Auferstehung gibt, dann fällt das ganze Glaubensgebäude zusammen, wie der hl. Paulus nachdrücklich betont (vgl. 1 Kor 15). Wenn für die Christen nicht sicher feststeht, welches der Inhalt der Worte “ewiges Leben” ist, dann zerrinnen die Verheissungen des Evangeliums und die Bedeutung von Schöpfung und Erlösung, und selbst das irdische Leben wird jeglicher Hoffnung beraubt (vgl. Hebr 11,1).
Wie könnte man die Not und Angst übersehen, die viele bezüglich dieser Frage bedrängen? Wer sähe nicht, wie sich hier ein subtiler und immer tieferer Zweifel in den Herzen ausbreitet? Wenn es auch glücklicherweise meist so ist, dass der Christ noch keinen positiven Zweifel hegt, so vermeidet er es doch nicht selten, über sein Geschick nach dem Tode nachzudenken, weil er Fragen vorauszuahnen beginnt, die zu beantworten er sich scheut: Gibt es überhaupt etwas nach dem Tode? Bleibt von uns, wenn wir gestorben sind, etwas erhalten? Erwartet uns vielleicht das Nichts?
Dieser Zustand ist zum Teil auf den Einfluss zurückzuführen, den die heute weithin in der Öffentlichkeit ausgetragenen theologischen Kontroversen ungewollt auf die Christen ausüben. Der grössere Teil der Gläubigen vermag nämlich weder deren genauen Gegenstand noch ihr Gewicht zu begreifen. So werden in der Tat die Existenz der Seele und die Bedeutung des Lebens nach dem Tode diskutiert, und man fragt sich, was zwischen dem Tod des Christen und der allgemeinen Auferstehung geschieht. Durch all das werden die Gläubigen verwirrt, weil sie ihre gewohnte Sprechweise und die ihnen vertrauten Begriffe nicht mehr wiederfinden. Es geht hier natürlich nicht darum, die theologische Forschung einzuschränken oder gar zu verhindern, deren der Glaube der Kirche durchaus bedarf und deren Studien er sich zunutze machen muss; dennoch darf deswegen in keiner Weise die Pflicht vernachlässigt werden, rechtzeitig den Glauben der Christen hinsichtlich jener Wahrheiten zu bekräftigen, die in Zweifel gezogen werden. Es ist unsere Absicht, die Natur und die verschiedenen Aspekte dieser doppelten schwierigen Aufgabe in dieser komplexen Situation zusammenfassend in Erinnerung zu rufen.
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Vor allem müssen jene, die einen Lehrauftrag haben, klar unterscheiden, was nach dem Urteil der Kirche zum Wesen des Glaubens gehört; die theologische Forschung darf kein anderes Ziel haben, als dies tiefer zu erforschen und zu entfalten.
Diese Kongregation, der die Förderung und der Schutz der Glaubenslehre obliegt, möchte hier in Erinnerung rufen, was die Kirche im Namen Christi lehrt, vor allem das, was zwischen dem Tod des Christen und der allgemeinen Auferstehung geschieht.
1. Die Kirche glaubt an die Auferstehung der Toten (vgl. das Apostolische Glaubensbekenntnis).
2. Die Kirche versteht diese Auferstehung so, dass sie den ganzen Menschen betrifft; dies ist für die Auserwählten nichts anderes als die Ausweitung der Auferstehung Christi selber auf die Menschen.
3. Die Kirche hält an der Fortdauer und Subsistenz eines geistigen Elementes nach dem Tode fest, das mit Bewusstsein und Willen ausgestattet ist, so dass das “Ich des Menschen” weiterbesteht, wobei es freilich in der Zwischenzeit seiner vollen Körperlichkeit entbehrt. Um dieses Element zu bezeichnen, verwendet die Kirche den Ausdruck “Seele”, der durch den Gebrauch in der Heiligen Schrift und in der Tradition sich fest eingebürgert hat. Obwohl sie nicht übersieht, dass dieser Ausdruck in der Heiligen Schrift verschiedene Bedeutungen hat, ist sie doch der Auffassung, dass es keinen stichhaltigen Grund dafür gibt, ihn abzulehnen, zumal ja irgendein sprachlicher Ausdruck zur Stütze des Glaubens der Christen einfach notwendig ist.
4. Die Kirche lehnt alle Denk- und Sprechweisen ab, durch die ihre Gebete, die Beerdigungsriten und der Totenkult ihren Sinn verlören und unverständlich würden: denn all das stellt in seiner Substanz einen locus theologicus dar.
5. Die Kirche erwartet gemäss der Heiligen Schrift “die Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit” (Dei Verbum, I, 4), die nach ihrem Glauben jedoch als unterschieden und abgesetzt zu verstehen ist von der Situation des Menschen unmittelbar nach seinem Tod.
6. Die Kirche schliesst in ihrer Lehre über das Schicksal des Menschen nach seinem Tod jede Erklärung aus, die die Bedeutung der Aufnahme Mariens in den Himmel an jenem Punkt auflösen würde, der ihr allein zukommt: dass nämlich die leibliche Verherrlichung der allerseligsten Jungfrau die Vorwegnahme jener Verherrlichung ist, die für alle übrigen Auserwählten bestimmt ist.
7. Die Kirche glaubt, indem sie am Neuen Testament und an der Überlieferung treu festhält, an die Seligkeit der Gerechten, die einmal bei Christus sein werden. Eben so glaubt sie, dass eine ewige Strafe den Sünder so trifft, dass er der Anschauung Gottes beraubt wird und dass die Auswirkung dieser Strafe das ganze Sein des Sünders erfasst. Was aber die Auserwählten betrifft, so glaubt sie, dass vor der Anschauung Gottes eine Reinigung stattfinden kann, die jedoch von der Strafe der Verdammten völlig verschieden ist. Das meint die Kirche, wenn sie von Hölle und Fegfeuer spricht.
Wenn man über das Geschick des Menschen nach dem Tode spricht, so muss man sich besonders vor Darstellungsweisen hüten, die sich ausschliesslich auf willkürliche Phantasievorstellungen stützen; Übertreibungen in dieser Hinsicht sind nämlich ein nicht geringer Grund für die Schwierigkeiten, denen der christliche Glaube häufig begegnet. Jene Bilder hingegen, welche wir in der Heiligen Schrift verwandt finden, verdienen eine besondere Ehrfurcht. Man muss ihren tieferen Sinn verstehen und die Gefahr vermeiden, sie allzu sehr abzuschwächen, weil das oft die Wirklichkeit selbst verflüchtigt, die in diesen Bildern angedeutet wird.
Weder die Heiligen Schriften noch die Theologen bieten uns genügend Licht, um das künftige Leben nach dem Tod richtig zu beschreiben. Die Christen müssen die beiden folgenden wesentlichen Punkte festhalten: einerseits müssen sie an die grundsätzliche Fortdauer – in der Kraft des Heiligen Geistes – des gegenwärtigen Lebens in Christus im künftigen Leben glauben (denn die Liebe ist das Gesetz des Reiches Gottes, und unsere auf Erden geübte Liebe wird das Mass für unsere Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes im Himmel sein); anderseits müssen sie deutlich wissen, dass zwischen dem jetzigen Leben und dem künftigen Leben ein grundlegender Unterschied besteht, denn der Ordnung des Glaubens folgt die Ordnung des vollen Lichtes und wir werden mit Christus sein und Gott schauen (vgl. 1 Joh 3,2); in diesen Verheissungen und in diesen wunderbaren Geheimnissen besteht wesentlich unsere Hoffnung. Wenn unsere Vorstellungskraft nicht bis dort vorzudringen vermag, so gelangt doch unser Herz aus eigenem Antrieb und zuinnerst dorthin.
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Nachdem wir diese Glaubenslehren ins Gedächtnis gerufen haben, sei es nun noch gestattet, die wichtigsten Aspekte der Seelsorge zu erläutern, die unter den heutigen Verhältnissen nach den Normen christlicher Klugheit zu erfolgen hat.
Die mit diesen Fragen verbundenen Schwierigkeiten legen den Theologen, deren Aufgabe gewiss unerlässlich ist, schwere Verpflichtungen auf. Ebenso haben sie aber auch ein Anrecht auf unsere Ermutigung und auf jenen Freiheitsraum, den ihre Methoden berechtigterweise fordern. Was uns betrifft, so müssen wir den Christen unablässig die Lehre der Kirche in Erinnerung rufen, die sowohl für das christliche Leben wie für das Forschen der Gelehrten die Grundlage bildet. Man muss sich ferner darum bemühen, dass die Theologen unsere seelsorglichen Anliegen teilen, damit ihre Studien und Forschungen nicht leichtfertig unter den Gläubigen verbreitet werden, deren Glaube heute mehr als je zuvor Gefahren ausgesetzt ist.
Die letzte Synode hat die besondere Aufmerksamkeit gezeigt, mit der die Bischöfe die wesentlichen Inhalte der Katechese betrachtet haben, wobei sie das Wohl der Gläubigen vor Augen hatten. Alle jene, die den Auftrag haben, diese Inhalte weiterzuvermitteln, müssen selbst eine sehr klare Vorstellung davon haben. Wir haben ihnen daher die Hilfen anzubieten, damit sie entschlossen zu dem stehen, was zum Wesen der Lehre gehört, und zugleich wachsam bleiben, dass nicht kindertümliche oder willkürlich ersonnene Vorstellungen als Glaubenswahrheiten angesehen werden.
Durch die betreffende theologische Kommission auf diözesaner oder nationaler Ebene ist ständig und sorgfältig über die veröffentlichten Schriften zu wachen, damit nicht nur die Gläubigen rechtzeitig vor lehrmässig weniger sicheren Werken geschützt werden, sondern ihnen auch und vor allem Schriften bekanntgemacht werden, die geeignet sind, ihren Glauben zu nähren und zu stützen. Es handelt sich hierbei um eine schwere, aber wichtige Aufgabe, die gerade jetzt dringend notwendig ist, sei es wegen der weiten Verbreitung gedruckter Werke, sei es wegen der sogenannten “Dezentralisierung” der Aufgaben, die die Verhältnisse erfordern und die auch von den Vätern des Ökumenischen Konzils befürwortet worden ist.
Dieses Schreiben, das in der ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden ist, hat Papst Johannes Paul II. in einer dem unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz gebilligt und dessen Veröffentlichung angeordnet.
Gegeben in Rom am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, den 17. Mai 1979
Franjo Kard. ŠEPER, Präfekt
† Fr. Jérôme HAMER, O.P., Titularerzbischof von Lorium
Sekretär
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