Konzernverantwortungs-Initiative
Schweiz: Vor allem katholische Kantone waren dagegen
Quelle
Stellungnahme des Bistums Chur zur Konzernverantwortungsinitiative
Schweiz: Afrikanischer Kardinal unterstützt politische Initiative
Schweiz: Vor allem katholische Kantone waren dagegen
Katholische Hilfswerke und sogar bischöfliche Stimmen und ein kongolesischer Kardinal sprachen sich dafür aus – aber die Konzernverantwortungsinitiative wurde dann doch von den katholischen Kantonen abgelehnt. Wir haben dazu den Leiter des katholischen Hilfswerkes Fastenopfer, Bernd Nilles, um eine Stellungnahme gebeten.
Mario Galgano – Vatikanstadt
Die Konzernverantwortungsinitiative erzielte am Sonntag einen Ja-Stimmenanteil von 50,7 Prozent. Sie scheiterte aber am Ständemehr, weil die meisten Deutschschweizer Kantone sie ablehnten. Bei Abstimmungen zu Initiativen braucht es nämlich eine doppelte Mehrheit, die der Stimmbürger und die einer Mehrheit der 26 Kantone.
Die Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“ – auch kurz Konzernverantwortungsinitiative genannt – wollte Unternehmen mit Sitz in der Schweiz einem zwingenden Regelwerk unterstellen. Es ging darum, dass solche Firmen die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzstandards bei weltweiten Tätigkeiten beachten sollten. Hätte eine Schweizer Firma diese Menschenrechtsvorgaben nicht eingehalten, hätte sie auch für allfällige Schäden gehaftet, die Tochterfirmen und Zulieferer im Ausland verursachen. Dafür setzten sich die katholischen Hilfswerke und auch die Bischöfe der Schweiz ein. Dazu Nilles vom Fastenopfer:
„Viele unserer Partner im Süden und auch der Vatikan selbst machen sich ja weltweit seit vielen Jahren dafür stark, dass es verbindliche Regeln gibt, denn es werden vor Ort in vielen Dörfern, vielen Regionen Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und gerade dort, wo die Rohstoffe ausgebeutet werden, viele Menschenrechte verletzt.“
„Mit der Konzernverantwortungsinitiative haben wir über Jahre versucht, es in der Schweiz verbindlich zu machen, wenn ein Unternehmen im Ausland Menschenrechte verletzt oder die Umwelt zerstört, dass es dafür haften kann. Und dass es eine verbindliche Sorgfaltspflicht in der Schweiz gibt, die Firmen einhalten müssen. Leider ist es uns am Sonntag bei der Abstimmung nicht gelungen, diese Verfassungsänderung in der Schweiz einzuführen, denn wir haben zwar die Mehrheit der Bevölkerung hinter diesen Vorschlag bringen können, aber nicht die Mehrheit der Kantone – und somit ist die Abstimmung offiziell gescheitert.
Wir von Fastenopfer sind natürlich enttäuscht auf der einen Seite, aber andererseits ist es auch ein ermutigendes Gefühl, dass das Thema Menschenrechte und Umwelt wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Viele unserer Partner im Süden und auch der Vatikan selbst machen sich ja weltweit seit vielen Jahren dafür stark, dass es verbindliche Regeln gibt; denn es werden vor Ort in vielen Dörfern, vielen Regionen Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und gerade dort, wo die Rohstoffe ausgebeutet werden, viele Menschenrechte verletzt.“
Analyse der Politologen
Politologen weisen nun darauf hin, dass gerade ländliche und katholische Kantone mehrheitlich gegen die von den katholischen Hilfswerken getragene Initiative gestimmt haben. Man müsse das aber genauer betrachten, sagt Nilles:
„In der Schweiz haben 700 Pfarreien aktiv mitgemacht bei der Kampagne, wir haben unglaublich viele Menschen bewegen können. Wie schon früher auch bei fairem Handel oder bei Entschuldungskampagnen haben sehr viele Leute mitgemacht. Trotzdem ist es immer schwer, so ein Globalisierungsthema, also ein Thema, wo die Betroffenen sehr weit weg von der Schweiz leben, wirklich den Menschen nahezubringen und dann am Ende auch eine Mehrheit zu bekommen. Man muss aber auch sagen, die Gegenkampagne war sehr stark und auch klug, denn es ja nicht so, dass alle mit leeren Händen dastehen. Es ist so, dass den Menschen gesagt wurde: Wenn sie Nein stimmen, dann werden trotzdem Menschenrechte und Umwelt geschützt – zwar nur in einem sehr schwachen Masse, aber man kann ja nicht sagen, dass jemand, der am Sonntag gegen die Konzernverantwortung bestimmt hat, sich gegen Menschenrecht und Umwelt gewendet hat.
Und deshalb, glaube ich, waren viele Menschen auch gerade im ländlichen Raum skeptisch gegenüber dem Konzernverantwortungsvorschlag und haben das kleinere Paket gewählt. Das ist aus unserer Sicht schade, aber wir machen weiter. Menschenrechtsverletzungen gehen weiter. Der Gegenvorschlag wird nur wenig daran ändern, deswegen bleibt noch viel Arbeit vor uns – und das sind wir auch als Hilfswerk den Armen und den Betroffenen im Süden schuldig, hier am Ball zu bleiben. Da freuen wir uns, wenn viele uns auf diesem Weg weiter begleiten und unterstützen.“
Verstösse werden nicht juristisch belangt
Nun tritt also der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Dieser Vorschlag stammt von der Schweizer Justizministerin Karin Keller-Sutter. Das Parlament in Bern hatte nach langem Hin und Her im Sommer schliesslich knapp diesen Vorschlag verabschiedet, für den Fall eines – wie es jetzt eben geschehen ist – Scheiterns der Konzernverantwortungsinitiative. Das neue Gesetz beinhaltet zwar Berichterstattungspflichten für gewisse Unternehmen; geht es also beispielsweise um Konfliktrohstoffe oder Kinderarbeit, müssen nun die Unternehmen zusätzlich Sorgfaltsprüfungspflichten erfüllen. Verstösse werden jedoch nur mit einer Busse bestraft und nicht weiter juristisch belangt.
vatican news, 30. November 2020
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