Marie Lataste und die Lehren Jesu
Marie Lataste und die Lehren Jesu. Zwei Bücher über eine besondere Mystikerin
Von Hans Jakob Bürger, 17. August 2020
Kaum jemand in den Ländern deutscher Sprache kennt Marie Lataste, die als einfache Laienschwester der “Gesellschaft vom Heiligen Herzen Jesu” (Sacré-Cœur) am 10. Mai 1847 gestorben ist. Sie war gerade einmal 25 Jahre alt geworden. Aber Marie Lataste hatte von Jesus einen großen Auftrag erhalten, eine Sendung, die ihr von ihm klar beschrieben wurde: “Ich will mich Deiner wie eines Werkzeuges bedienen.” Im Auftrag Jesu schrieb sie nieder, was er ihr mitteilte. So entstand eine Art Katechismus aus Jesu Mund, in dem er Marie und damit den Gläubigen die wichtigsten Lehren des Glaubens und der Moral vorlegte.
Die kleine “Verlagsbuchhandlung Sabat”, die sich durch die Herausgabe wichtiger und schöner katholischer Literatur auszeichnet, hat in diesem Jahr zwei Bücher vorgelegt, die Marie Lataste zum Thema haben. In dem ca. 250 Seiten umfassenden Buch von P. Franz Seraph Hattler SJ verbirgt sich hinter dem Titel “Marie Lataste. Die vielgeliebte Tochter des göttlichen Herzens Jesu” eine Lebensbeschreibung der französischen Mystikerin. Über sie schreibt der Verleger in seinem Vorwort, da man einen “Baum leicht an seinen Früchten” erkenne, werde man im fortschreitenden Lesen einem geläuterten Charakter begegnen, der in vollkommener Demut und übergroßer Geduld, mächtigem Gottvertrauen, inniger und verzehrender Liebe zum Erlöser und zu den Mitmenschen, sowie in einem stetigen und raschen Wachsen in allen Tugenden, zu bewundern sei. Dennoch ist Marie Lataste ganz Mensch, der nichts sucht als Gott zu gehorchen.
Das zweite Buch “Die Lehre Jesu. Die Unterweisungen Jesu zu den Themen des Glaubens und des christlichen Lebens an Marie Lataste” wurde von Dirko Juchem herausgegeben. Die 550 Seiten beinhalten also jene “Unterweisungen Jesu”, welche die junge Frau gehorsam notierte. Juchem hat sie herausgegeben und die Lehren Jesu jeweils mit den entsprechenden Stellen aus dem “Katechismus der katholischen Kirche” (KKK) versehen. So sind Jesu Offenbarungen an Marie Lataste leicht als wirklich katholisch verifizierbar festzustellen.
Ein Kind einfacher und frommer Bauern
Marie Lataste wurde in Mimbaste in der Nähe von Dax (Département Landes), im äußersten Südwesten von Frankreich, am 21. Februar 1822 geboren. Gestorben ist sie im Norden des Landes, in Rennes (Bretagne), am 10. Mai 1847. Marie war das jüngste Kind einfacher und frommer Bauern. Nach ihrer eigenen Erzählung, die sie im Gehorsam niedergeschrieben hat, war die Familie sehr arm. Sie war ein einfaches Landmädchen, das lernte was sie sah. So brachte ihre Mutter ihr lesen und schreiben, nähen und weben bei. Sie lebte und kannte nur die übernatürliche göttliche Ordnung, war ganz und gar beheimatet im Glauben der Kirche, die die Wahrheiten zur Rettung der Seelen besitzt und vermittelt.
Marie empfing ihre erste Kommunion im Alter von zwölf Jahren, ein Ereignis, das für sie sehr wichtig war. Bald fühlte sie ihr Herz “von einem lebendigen Glauben an die Gegenwart Jesu Christi im Allerheiligsten Sakrament des Altares ganz durchdrungen”. So wuchs ihr Glaube von Tag zu Tag, und ihr Geist wurde erleuchtet. Um die Zeit der Firmung 1835 erblickte sie “während der Wandlung ein glänzendes Licht” auf dem Altar. Voll kindlichem Eifer beschloss sie, sich Jesus im Allerheiligsten Sakrament zu weihen. Als Marie merkte, dass ihre Liebe zu Jesus stets zunahm, wurde auch ihr “Glaubenslicht” heller und glänzender.
Bereits in dieser frühen Lebensphase erkennt der Jesuit und Biograf Franz Seraph Hattler die Tiefe ihrer Berufung. Zum Verständnis wahrer christlicher Mystik wie auch von echter Privatoffenbarung ist die Läuterung des Menschen von enormer Wichtigkeit. Nichts geschieht ja aus dem Menschen selbst, denn alles Gute kommt von Gott. Der Mensch muss in die Tiefen seiner Seele hinabsteigen um zu erkennen, wessen Macht er unterworfen ist. Auch in Marie muss die Grundlage der Demut gelegt werden. Sie tritt ein in eine Spanne von Prüfungen und “heißesten Kämpfen”. Von Gewissensunruhe und heftigsten Versuchungen wird sie geplagt. Als heranwachsende Jungfrau ringt sie gegen den Widersacher. Ihr Beichtvater gestattet ihr, zunächst für ein Jahr, das Keuschheitsgelübde abzulegen. Mit siebzehn Jahren empfindet sie heftige Widerstände, als habe sich alles gegen sie verschworen. Die Versuchung zum Stolz konnte sie nur vor dem Tabernakel überwinden.
Marie Lataste offenbarte auf Anweisung Jesu ihren Beichtvätern Abbé M. Farbos und Abbé Pierre Darbins ihre Seele. Diese erkannten in ihr eine büßende, gehorsame und demütige Jungfrau. Jesus hatte darauf bestanden, dass Marie Abbé M. Farbos stets gehorsam sein und ihm folgen solle. Sie solle ihm alles mitteilen, was er (Jesus) ihr sage. Erst ab einem bestimmten Zeitpunkt werde der Herr, so bestimmte er ihr gegenüber, seinen Willen alleine ihr selbst mitteilen, damit sie wisse, was sie zu tun habe. Dies war jene kurze Zeitspanne, die Marie in einer Ordensgemeinschaft verbrachte.
Marie Lataste kam nach Paris, um sich auf ihren Ordenseintritt vorzubereiten. Im Mai 1844 wurde sie als Laienschwester eingekleidet und in ein Ordenshaus nach Rennes, wo sie ihr Noviziat absolvierte, geschickt. Sie erfüllte die verschiedensten Arbeiten im Kloster, etwa in der Krankenpflege und im Speisesaal. Viele, mit den sie zu tun hatte, werden einmal berichten, sie hätten eine verborgene Heiligkeit gefühlt, wenn sie in ihrer Nähe war.
Trotz all ihrer Schwachheit und Kränklichkeit, unter der sie zeitlebens litt, erkrankte sie doch überraschend am Sonntag, dem 9. Mai 1847, so schwer, dass man um ihr Leben fürchtete. So ließ man Marie Lataste ihre Ordensgelübde ablegen und die letzten Sakramente empfangen. Schnell starb sie, bereits am nächsten Tag, am 10. Mai 1847, im Alter von fünfundzwanzig Jahren.
Eine zukünftige Heilige?
Viele hielten Marie Lataste für eine Heilige. So begann bald nach ihrem Tode eine nicht öffentliche und kirchlich geförderte Verehrung. Als man am 23. März 1879 auf dem Friedhof von Rennes den Leichnam von Marie Lataste exhumierte, übertrug man die Überreste in einem Reliquiar in jene Zelle, in welcher sie gestorben war und die man in eine Hauskapelle umgewandelt hatte. Hier konnten die Beter Marie Lataste privat verehren. Nachdem im Jahre 1904 das Kloster der Schwestern enteignet und die Ordensfrauen aus Frankreich vertrieben wurden, gingen sie mit Maries Leichnam nach London. Seitdem ruht er bis heute unter dem Altar der Herz-Jesu-Kapelle von Roehampton in London, im Ordenshaus der Sacré-Cœur-Schwestern. Seit vielen Generationen ist hier ein wichtiger Ort des Gebets für Ordensmitglieder wie für Gläubige.
Ein Seligspechungsverfahren wurde in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorbereitet und die vielen Zeugnisse zu ihrem Leben legen einen heroischen Tugendgrad nahe. Auch die Approbation der Schriften von Marie Lataste sind für ihre Verehrer Anlass zur Hoffnung, dass sie eines Tages zur Ehre der Altäre erhoben werden könnte.
Mit Bedacht hat Dirko Juchem “Die Lehren Jesu” von Marie Lataste herausgegeben und sein Vorwort mit dem Schriftwort geadelt: “Er verließ die Menge und ging in ein Haus. Da fragten ihn seine Jünger nach dem Sinn dieses Rätselhaften Wortes”. Die Worte Jesu erklären und auslegen ist die erste Aufgabe der Priester. Doch Gottes Größe kennt keine Grenzen.
Verblüffendes und Mystisches
Wir wissen aus der Kirchengeschichte, dass er immer Menschen berufen hat, noch näher und inniger als andere bei ihm zu verweilen. Heilige und Mystiker sind hier zu nennen. Auch Marie Lataste hat Gott schon in ganz jungen Jahren an sein Herz gezogen. Jesus selbst hat zu ihr gesprochen. Und Jesus hat ihr gegenüber den Sinn seiner Rätselhaften Worte erklärt. Juchem schreibt, dass ihn in ihren Schriften “der sehr klare, einfache und immer präzise Stil” beeindruckte, wie “verschiedene Themen des Glaubens und des christlichen Lebens” behandelt werden. Es ist Jesus selbst, der “die entscheidenden und zum Teil komplexen Zusammenhänge” einfach und klar verdeutlicht.
In den Texten des 550-seitigen Buches, das mit verschiedenen Registern ausgestattet ist, erfährt der Leser genau jene Worte, die Jesus zu Marie gesprochen hat. Etwa: “Ich bin gestorben für die Menschen. Ich wollte in ihrer Verbannung mitten unter ihnen leben, um sie zu trösten, sie zu stärken, ihnen Linderung zu verschaffen und für all ihre Betrübnisse zu sorgen, indem Ich ihnen gebe, was sie nötig haben. Denn wer hat jemals mit Glauben, Hoffnung, Ergebung, Standhaftigkeit und Beharrlichkeit gebetet und ist nicht erhört worden? Ach, meine Tochter, wahrlich, Ich sage dir, die Menschen sind bloß deshalb so schwach und von Tugend so sehr entblößt, weil sie nicht genug darum bitten.”
Ganz in der Sprache der Heiligen Schrift, die Marie Lataste zunächst noch nicht selbst zugänglich war, empfing sie Jesu Worte. Auch über Schrifttexte hinaus erklärt Jesus seine Lehre. So ist im zweiten von dreizehn Büchern, die “Die Lehren Jesu” umfasst und verschiedenen Themenbereiche zuordnet, zu lesen: “Wer unwürdig kommuniziert, der macht sich schuldig des Blutes eines Gottes. Die unwürdige Kommunion ist eine große Sünde, dass jedermann vor ihr Abscheu hat, und doch ist nichts gewöhnlicher.” Jesus sagt vergleichbar mit dem Wort des Apostels Paulus in 1 Kor 11,27: “Wer mich unwürdig empfängt, isst und trinkt sich die Verdammung”. Starke Worte, wie hineingesprochen in unsere Zeit.
Aber nicht nur die enge Verbindung mit der Heiligen Schrift verblüfft. Auch jene mit dem Katechismus der katholischen Kirche” (KKK). Für die Kirche ist der Katechismus auch eine Erklärung der Heiligen Schrift. So ist es also nicht zu verwundern, dass Juchem auf diese Verbindung immer wieder hinweist. Er verzeichnet die entsprechenden Stellen aus dem KKK jeweils dort, wo sie das besprochene Thema genau treffen. Etwa, wenn es um die Früchte aus dem Empfang der Heiligen Kommunion geht. Jesus sagt zu Marie: “Um gut zu kommunizieren […] muss man frei von jeder Todsünde und auch frei von jeder Anhänglichkeit an dieselbe sein.” Und Jesus fügt hinzu: “Solange man noch Anhänglichkeit an die lässliche Sünde hat und sie vorsätzlich oder geflissentlich begeht, ist man noch nicht auf dem Weg der Vollkommenheit.”
“Die Lehren Jesu” werden ganz gewiss Christen guten Willens auf dem Weg ihres eigenen Lebens zu Gott, ein im wahrsten Sinne des Wortes sicherer Begleiter sein. Die jeweils kurzen Kapitel laden zum lesen und nachdenken ein; ebenso zum Nachschlagen zu bestimmten Begriffen oder Fragestellungen (Sachwortregister). Marie Lataste’s “Die Lehren Jesu” seien darum gerne für das Leben der Christen weiterempfohlen. Auf den sich noch in Arbeit befindlichen “Marie-Lataste-Briefband”, der im nächsten Jahr ebenfalls in der Verlagsbuchhandlung Sabat erscheinen wird, darf man sich heute schon freuen.
Franz Seraph Hattler SJ, Marie Lataste, die vielgeliebte Tochter des göttlichen Herzens Jesu ist erschienen in der Verlagsbuchhandlung Sabat und hat 252 Seiten.
Dirko Juchem (Hrsg.), Marie Lataste, Die Lehren Jesu. Die Unterweisungen Jesu zu den Themen des Glaubens und des christlichen Lebens an Marie Lataste ist ebenfalls erschienen in der Verlagsbuchhandlung Sabat und hat 576 Seiten.
Mehr zu beiden Werken auf der Seite www.marie-lataste.de
Schreibe einen Kommentar