Eine österliche Ermutigung zum Beten

Was soll ich tun? Eine österliche Ermutigung zum Beten

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Von Thorsten Paprotny, 25. April 2020

Der weithin bekannte Philosoph Immanuel Kant formulierte in der “Kritik der reinen Vernunft” (1781) drei massgebliche Fragen, vor denen ein denkender Mensch steht und von denen er behelligt, ja heimgesucht werden kann: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?

An eine eschatologische Antwort – etwa an die gläubige Hoffnung und gotteskindliche Zuversicht auf die Vollendung in Christus – hat der eigensinnige Lutheraner freilich nicht gedacht. Besonders die Frage “Was soll ich tun?” bleibt gegenwärtig und präsent, im Alltag nicht anders als in den Spannungsfeldern ethischer Erwägungen und Entscheidungen. Es gibt eine ganz praktische und zugleich kontemplative Antwort auf die Frage: “Was soll ich tun?” Vielleicht einladender und weniger streng formuliert: “Was darf ich tun?” Beten. Viele von uns – und das nicht nur in unseren sehr eigenen, noch immer eigenartigen Zeiten – nehmen täglich den Rosenkranz in die Hand, andere das Stundenbuch. Auch unerwartete Freiräume für geistliche Lektüre könnten sich für die eine oder den anderen auftun. Zugleich vermissen wir die gemeinsame Feier der heiligen Messe doch schmerzhaft – auch wenn wir wissen, dass im Hochgebet die Glieder der Kirche aller Zeiten und Orte verbunden sind.

Was soll, wann kann, was darf ich tun? Beten. Benedikt XVI. hat im Lauf seines Pontifikates stets auf die Notwendigkeit des Gebets aufmerksam gemacht – vor allem auch in Begegnungen mit Priestern. Wenn es schon erforderlich ist, Priestern den Wert und die Bedeutung des Gebets ins Gedächtnis zu rufen, wie viel mehr gilt das vielleicht für alle Weltchristen heute? Vielleicht fühlen auch Sie sich angesprochen von Benedikts Worten, wenn er Gedanken des hl. Karl Borromäus aufgreift: “»Vernachlässige nicht deine eigene Seele: Wenn deine Seele vernachlässigt wird, kannst du auch den anderen nicht das geben, was du ihnen geben müsstest. Deshalb musst du auch für dich selbst, für deine Seele Zeit haben«, oder mit anderen Worten: Die Beziehung zu Christus, der persönliche Dialog mit Christus ist eine grundlegende pastorale Priorität, sie ist die Bedingung für unsere Arbeit für die anderen! Und das Gebet ist nichts Nebensächliches: Beten ist der »Beruf« des Priesters, auch stellvertretend für die Menschen, die nicht wissen, wie man betet, oder die keine Zeit zum Beten finden. Das persönliche Gebet, besonders das Stundengebet, ist grundlegende Nahrung für unsere Seele, für all unser Tun.”

Spüren wir, dass wir uns vernachlässigen, uns gehen lassen, wenn wir das Beten unterlassen? Vermissen wir den Dialog mit dem Herrn? Wir können ihn mit unseren Fragen, Sorgen und Nöten auch belästigen. Wir können ebenso schweigend vor Christus treten, im festen Vertrauen darauf, dass er uns ins Herz sieht, dass er uns ganz als Person kennt und erkennt. Mir ist diese Stille in Kirchen immer sehr wichtig gewesen. So geht es mir auch heute, wenn ich Gotteshäuser aufsuche und mir die Worte fehlen. Ich sitze oder knie dann einfach vor dem Tabernakel, ob ganz vorne oder in der letzten Bank.

In diesem Sinne sprach Benedikt auch am 6. Mai 2012 in der Generalaudienz über das Gebet: “Wir wollen beten, aber Gott ist fern, wir haben nicht die Worte, die Sprache, um mit Gott zu sprechen, nicht einmal das Denken. Wir können uns nur öffnen, unsere Zeit Gott zur Verfügung stellen, darauf warten, dass er uns helfen möge, in das wahre Gespräch einzutreten. Der Apostel Paulus sagt: Gerade dieses Fehlen der Worte, diese Abwesenheit von Worten, und dennoch dieser Wunsch, mit Gott in Berührung zu treten, ist Gebet, das der Heilige Geist nicht nur versteht, sondern das er vor Gott bringt, auslegt. Gerade unsere Schwachheit wird durch den Heiligen Geist zum wahren Gebet, zur wahren Berührung mit Gott. Der Heilige Geist ist gleichsam der Dolmetscher, der uns selbst und Gott verstehen lässt, was wir sagen wollen. Im Gebet erfahren wir, mehr als in anderen Dimensionen des Lebens, unsere Schwachheit, unsere Armut, unsere Geschöpflichkeit, da wir der Allmacht und der Transzendenz Gottes gegenüberstehen. Und je mehr wir im Hören auf Gott und im Gespräch mit ihm fortschreiten, damit das Gebet zum täglichen Atem unserer Seele wird, desto mehr werden wir uns auch unserer Grenzen bewusst, nicht nur gegenüber den konkreten Situationen des Alltags, sondern auch in der Beziehung zum Herrn. Dann wächst in uns das Bedürfnis, auf ihn zu vertrauen, uns ihm immer mehr anzuvertrauen. … Und der Heilige Geist nimmt sich unserer Unfähigkeit an, erleuchtet unseren Verstand und erwärmt unser Herz, indem er unser Sprechen mit Gott leitet. Für den hl. Paulus ist das Gebet vor allem das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Menschlichkeit, um sich unserer Schwachheit anzunehmen und uns von Menschen, die an die materielle Wirklichkeit gebunden sind, in geistliche Menschen zu verwandeln.” Viele Christen heute auf der ganzen Welt spüren vor allem ihre Ohnmacht. Andere ziehen sich ins Schweigen und in die Stille zurück. Aber sie bleiben beim Herrn, und der Herr bleibt bei ihnen. So wie Er es uns versprochen hat:

“Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.” (Mt 28,20)

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