Eine Dankbarkeit, die im Laufe der Jahre wächst
Benedikt XVI. Diamantenes Priesterjubiläum
Quelle
Joseph und Georg Ratzinger
Benedikt XVI. Diamantenes Priesterjubiläum – „Eine Dankbarkeit, die im Lauf der Jahre wächst“
Interview mit Georg Ratzinger, der vor 60 Jahren zusammen mit seinem Bruder Joseph die Priesterweihe empfangen hat.
Interview mit Georg Ratzinger von Roberto Rotondo und Silvia Kritzenberger
„Es war ein strahlender Sommertag, der als Höhepunkt des Lebens unvergesslich bleibt“: mit diesen Worten beschrieb Joseph Ratzinger den Tag seiner Priesterweihe am 29. Juni 1951. Und wie alle wissen, empfing an jenem Tag mit ihm zusammen auch sein Bruder Georg im Freisinger Dom die Priesterweihe. Wir haben dieses 60jährige Jubiläum zum Anlass genommen, um einen ganz besonderen Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen: Georg Ratzinger war bereit, diesen Sommertag des Jahres 1951 für unsere Leser noch einmal Revue passieren zu lassen.
Herr Domkapellmeister, Sie und Ihr Bruder konnten vor Kurzem Ihr 60jähriges Priesterjubiläum feiern: Was waren die schönsten Momente?
Georg Ratzinger: Eigentlich hatte ich beschlossen, das Jubiläum nicht zu feiern. Ich habe mich von meiner Knieoperation im Februar noch nicht ganz erholt, und mit jeder Feier ist ja auch eine gewisse Anstrengung verbunden, eine gewisse geistige Präsenz erforderlich. Es hat sich dann aber doch so ergeben, dass das, was ich eigentlich vermeiden wollte, sogar eine dreifache Feier geworden ist. Dabei gab es sehr schöne Momente – angefangen bei der Feier im Freisinger Dom, die das Institut „Papst Benedikt XVI.“ organisiert hat, das für die Herausgabe der Gesamtwerke des Heiligen Vaters zuständig ist. Da der Freisinger Dom unser Weihedom ist, war schon durch die Örtlichkeit eine besondere atmosphärische Verbundenheit gegeben. Es gab verschiedene Darbietungen: am Vormittag das Gebet der Laudes, am Nachmittag den Gottesdienst. Es war eine festliche Feier mit einem festlichen Essen, bei dem höchste Würdenträger, Kardinäle, Bischöfe, Weihbischöfe und Kurskollegen anwesend waren. Der zweite Akt war ein Festgottesdienst in der Stiftskirche, zu der ich gehöre: St. Johannes der Täufer. Die Kirche war gesteckt voll, die Stimmung sehr feierlich.
Den Abschluss bildete der Gottesdienst in St. Peter, der schon deshalb eine besondere Festlichkeit hatte, weil unser Jubiläum mit dem Gedenktag der hll. Apostel Petrus und Paulus zusammenfiel, die für Rom und die Weltkirche eine so grosse Bedeutung haben.
Ihr Bruder hat sich sicher sehr gefreut, dass Sie gekommen sind!
Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen. Da wir unser ganzes Leben immer wieder zusammengekommen sind, wollen wir natürlich auch jetzt nicht darauf verzichten. Und nun, im Alter, erleben wir in ganz besonderer Weise das Gefühl, dass wir zusammengehören.
Der Heilige Vater hat über den Tag Ihrer Priesterweihe gesagt: „“Nicht mehr Knechte nenne ich euch, sondern Freunde” – sechzig Jahre nach dem Tag meiner Priesterweihe höre ich inwendig wieder, wie am Ende der Weihezeremonien unser greiser Erzbischof Kardinal Faulhaber dieses Wort Jesu uns Neupriestern zusprach.“ Was haben Sie damals gedacht?
Das, was dieser Tag für mich war, ist er für jeden Priester. Er stellt eine Zäsur im Leben des Menschen dar, und diese Bedeutung hatte er auch für mich. Die Priesterweihe verleiht dem Menschen eine neue Lebensqualität als Beauftragter Christi, der das Mysterium, das Wort Christi in die Welt hineintragen soll. Im Lauf der Jahre ist mir klargeworden, wie wahr die Worte aus dem Johannesevangelium sind, die Kardinal Faulhaber damals zu uns gesagt hat: Die Priesterweihe führt in eine besondere Freundschaft mit Christus hinein, weil sie einen besonderen Auftrag erteilt. Und das stellt nicht nur einen inneren Höhepunkt dar, sondern verleiht auch ein Bewusstsein vom Menschenleben, das über das natürliche Leben hinausgeht, weil der liebe Gott seine Hand im Spiel hat.
Wie hat Ihre Familie diesen Tag erlebt?
Es war natürlich auch für unsere Familie ein einmaliges Erlebnis. In unser Leben, das bisher in normalen Bahnen verlief, trat nun ein Ereignis ein, das viele Familien nicht haben. Etwas, das in die Ewigkeit, in einen anderen Bereich, verweist.
Dass mein drei Jahre jüngerer Bruder und ich den gleichen Weihetag, den gleichen Primiztag hatten, hat sich durch den Krieg ergeben. Das war auch der Grund dafür, warum zwischen den Priesteramtskandidaten am Freisinger Seminar oft grosse Altersunterschiede bestanden.
Welche Lehrer haben Ihren Werdegang als Priester und Christen am meisten beeinflusst?
Eine Schlüsselgestalt am Freisinger Domberg war unser Regens Dr. Michael Höck, der selber KZ-Häftling gewesen war. Er war ein frommer, gläubiger und engagierter Priester, der etwas Väterliches, Gütiges und Verständnisvolles an sich hatte. Er wurde allgemein weniger als Vorgesetzter angesehen, sondern war eher eine Art Vaterfigur für uns. Jemand, der uns helfen wollte, unser Leben in diesen schwierigen Zeiten so zu führen, dass es zu einem guten Ziel führt.
Beim Essen mit Ihnen und den Kardinälen hat der Heilige Vater betont, wie sehr sich die Welt seit 1951 verändert hat. Deutschland musste damals nicht nur materiell, sondern auch moralisch wieder aufgebaut werden. Hatten Sie den Eindruck, auch als Priester an diesem Wiederaufbau beteiligt zu sein?
Wir sind natürlich alle in die jeweiligen Zeitumstände eingebunden. Wir leben mit den Menschen unserer Zeit, teilen mit ihnen die Sorgen und Nöte, aber auch die Freuden der Zeit. Insofern haben auch wir an diesem Erneuerungswerk mitgetragen, in das mit dem Anwachsen der Wirtschaft und des Wohlstands aber auch eine gewisse Dekadenz hineingebaut wurde. So kam es, dass der Wiederaufbau fast automatisch von negativen Elementen begleitet war, ohne dass wir das gewusst oder gewollt hätten.
Schon am Priesterseminar wurde deutlich, dass Sie und Ihr Bruder verschiedene Wege gehen würden. Sie haben die Musik gewählt, Ihr Bruder die Theologie…
Ja, der liebe Gott hat uns beide auf einen ganz besonderen Weg geführt. Er hat mich im Bereich der Musik arbeiten, mich das Gotteslob durch die Musik, durch die Töne verkünden lassen, und zwar in einem Ensemble – den Regensburger Domspatzen –, das ich besonders schätze und das in der katholischen Welt besondere, ja vielleicht sogar einmalige Möglichkeiten hat… Ich habe den lieben Gott immer gebeten, mir eine Arbeit zu geben, die irgendwie mit der Musik zu tun hat, und das hat er in wunderbarer Weise getan. Rückblickend kann ich sagen, dass es sich hierbei um eine wirklich wunderbare Gebetserhörung gehandelt hat.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation der Kirchenmusik?
Das ist von Ort zu Ort, von Land zu Land verschieden. Regensburg, bzw. der Regensburger Dom, hat eine eigene Tradition, die durch das Konzil zwar wohlbehütet wurde, sich in einer gewissen Weise aber auch weiterentwickelt hat: die Pflege des Gregorianischen Gesangs und der klassischen Vokalpolyphonie… Die Musik hat für das religiöse Leben immer ihre Bedeutung. Das gesprochene Wort hat seine Grenzen, es erreicht nur die ratio. Die Musik dagegen bewirkt, dass der ganze Mensch miteinbezogen wird in das Lob Gottes. Die Modalitäten mögen verschieden sein, aber die Kirchenmusik wird immer eine grosse Bedeutung haben. Wir müssen unsere Musikpflege so gestalten, dass sie die Menschen erreicht und tatsächlich die Wirkung entfaltet, die sie haben kann: die Menschen zu Gott zu führen.
Eine letzte Frage: Wieviel von dem 24jährigen Neupriester, der Sie 1951 waren, steckt noch heute in Ihnen?
Ich hoffe, dass die Freude und die Dankbarkeit, Priester werden zu dürfen, diesen Ruf zu bekommen, noch ganz da ist. Ja, ich würde sogar sagen, dass die Dankbarkeit, das Verständnis dafür, im Lauf der Jahre noch gewachsen ist.
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