Die Ehe als Schule der Heiligkeit

Wir leben in einer Zeit, in der das Verständnis für die Ehe als Sakrament immer mehr verlorengeht

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Von Hans Jakob Bürger, 20. August 2019

Wir leben in einer Zeit, in der das Verständnis für die Ehe als Sakrament immer mehr verlorengeht. Die Ehe ist nicht nur für viele ein “weltlich Ding” geworden, wovor Papst Franziskus wiederholt gewarnt hat: Lobbygruppen fordern auch eine Umdefinierung der Ehe als Begriff, bis hin zu einer Bedeutung, die nicht mehr mit dem vereinbar ist, was die Kirche darunter versteht.

Wichtiger Kontext ist dafür der gesellschaftliche Wandel, etwa im Umgang mit Homosexualität. Selbst der Begriff war in Deutschland noch bis 1975 oft negativ besetzt – man denke an den “Schwulenparagrafen” 175. In der jüngeren Debatte um die “Homo-Ehe” dagegen sind nun Begriffe wie “schwul” positiv besetzt. Das Beispiel zeigt: Die Gesellschaft hat sich dramatisch geändert, aber auch die Politik – samt Gesetzgebung – und der öffentliche Diskurs insgesamt.

Was aber mit dem katholischen Verständnis von Ehe und Sexualität?

Eine solche Situation erfordert, dass Christen sich vergewissern, was die Wahrheit des christlichen Menschenbildes ist – und dann auch aufstehen und dieses klar und liebevoll bezeugen. Gerade Katholiken können mit einer ganz bewussten Entscheidung für die Ehe dazu beitragen, indem sie einfach diese Institution als Sakrament zwischen einem Mann und einer Frau leben: Als einen in Liebe vereinten Bund, aus dem mit Gottes Willen auch Kinder hervorgehen.

Das war der Antrieb für einen der jüngsten Heiligen und vielen noch persönlich in Erinnerung gebliebenen Päpste: Johannes Paul II.

Kein weiterer Papst hat sich so intensiv mit der Sexualethik befasst wie St. Johannes Paul II. Fünf Jahre lang widmete er seine Mittwochskatechesen diesem Thema. Er war es auch, der 1981 ein eigenes Institut schuf, das “Päpstliche Institut Johannes Paul II. für Ehe und Familie”, das den Auftrag erhielt, “in der Pluralität der Kulturen den Reichtum der einen Wahrheit aufzuzeigen” (Benedikt XVI.).

Wie aktuell die Fragen von Sexualität und Moral, Ehe und Familie sind, zeigt gerade in dramatischer Weise auch die weltweit brodelnde Kontroverse um das Institut, wie CNA Deutsch berichtete.

Was also tun, wenn die katholische Sexualmoral immer mehr schwindet? Vielleicht stellte sich diese Frage auch der Theologe Dr. Stefan Endriss, der sich schon in seiner Studienzeit mit der Theologie des Leibes von Papst Johannes Paul II. beschäftigte. Die Ehekatechesen dieses Papstes hatten es ihm jedenfalls angetan, so dass es nur konsequent war, sich damit intensiv, ja wissenschaftlich auseinanderzusetzen.

Von 2007 an führte Endriss seine “wissenschaftliche Untersuchung aus moraltheologischer Perspektive” aus. Ursprünglich sollte sie in einer Habilitationsschrift münden. Doch der Moraltheologe Endriss, verheiratet und Vater von zwei Kindern, erkannte, dass das Denken von Johannes Paul II. besonders in Deutschland “einseitig ablehnend beurteilt” wird und möchte dazu beitragen, damit sich dies “in der philosophischen Anthropologie und in der Schulpädagogik” ändern kann.

In seiner Einleitung erfasst der Autor den Zeit- oder Kirchengeist in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanum, wenn er feststellt, dass die Enzyklika Humanae vitae (Paul VI., 1968) grosse Empörung und Widerstand hervorgerufen habe. Dies jedoch nicht nur bei Kirchenfernen:

“Gestützt auf die sexuelle Revolution mit der Erfindung der Pille einige Jahre zuvor, der angeblich damit gewonnenen Freiheit im sexuellen Leben, sowie der Freiheitsbewegung der 68er Generation, fühlten anfangs viele Katholiken Rückendeckung bei ihrem Einsatz für eine Änderung der kirchlichen Position.”

Im Folgenden zitiert er aus einem Brief des Papstes, der selbst von den Forderungen des modernen Zeitgeistes spricht, der schädlich sei und zur Konsequenz habe, dass sich die Gläubigen “immer mehr von ihr abwenden”. Zwar hätten die Mittwochskatechesen von Papst Johannes Paul II. auch nichts daran geändert. Doch sei “in der öffentlichen Wahrnehmung der Kirche” seit dem Pontifikat von Papst Franziskus eine Änderung eingetreten.

Das “Streben nach Heiligkeit” bezeichnet Endriss als “hermeneutischen Schlüssel”, mit dem auch heute der Mensch seine “Sehnsucht nach Erfüllung” erreichen kann. Die sei auch letzter Sinn und “Ziel der katholischen Moraltheologie”.

In fünf grossen Kapiteln betrachtet der Autor die Anthropologie des heiligen Johannes Paul II., die Ehe als personalen Lebensort, die persönlich gelebte Sexualität, die “Sprache des Leibes” und die Ehespiritualität. Es wird in allen Kapiteln reichhaltiges Wissen vermittelt und gleichzeitig auf die Bestimmung des menschlichen Lebens hingewiesen, das “als personales Wesen die körperlichen Anlagen im personalen Sein” zu integrieren habe. 

Aus dem sehr aktuellen und empfehlenswerten Buch sei zum Abschluss dieser Buchbesprechung erlaubt, einen etwas längeren Abschnitt zitieren zu dürfen. Es geht dabei um die Begehrlichkeit oder Begierde, ein Aspekt, dem sich moderne Menschen tagtäglich gegenüberstehen. Dass dies keine Kleinigkeit ist, darauf weist uns nicht nur der Apostel Paulus hin. Bei Matthäus lesen wir: “Wenn dich dein rechtes Auge zur Sünde reizt, so reiss es aus und wirf es von dir. Es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird” (Mt 5,29).

“Der menschliche Körper wird durch den begehrlichen Blick auf seine Materialität reduziert, seine wahre Berufung jedoch, ‘in seinem Mann- bzw. Frausein die Würde eines sakramentalen Zeichens’ zu sein, geht verloren. Johannes Paul II. zieht gar die Folgerung, dass durch ein lüsterner Blick auf die eigene Ehefrau als Ehebruch im Herzen zu werten ist, insofern die Ehefrau nicht mehr als Ergänzung für den Mann gesehen und in ihrem Eigenwert gewürdigt, sondern auf die körperliche Befriedigung eingeengt wird. Der Ehebruch im Herzen bedeutet: Insofern nur noch die äussere Qualität des Körpers wichtig ist, beschränkt sich das Miteinander der Partner auf den Körper als Objekt, der selbst aber nicht mehr Medium der Mitteilung von Personen und somit in gewisser Weise sprachlos geworden ist. [… Johannes Paul II. stellt heraus], dass nicht spontane Gedanken den Ehebruch im Herzen entsprechend des ‘etwas geschieht in mir’ ausmachen, sondern dass dazu die Beteiligung des Willens in Form eines Entschlusses vonnöten ist.”

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