Der Kampf um das Seelenheil
Der Kampf um das Seelenheil – Johannes Ballestrems erster Roman: Unter den schimmernden Türmen von Oxford geht es ums Ganze
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Rezension amazon (11)
Von Urs Buhlmann
10. April 2019
Ein Roman-Debut wie ein China-Böller – Johannes Ballestrem legt einen Erstling vor, der es mit jedem hochgejubelten Werk von Erfolgsautoren aufnehmen kann. Ein Thriller aus dem Oxforder Studenten-Milieu – da fliesst vor dem Blut erst einmal reichlich Alkohol – eine Geschichte um die geistige Weltherrschaft, die bei näherem Hinsehen gar nicht so unwahrscheinlich klingt, das Ganze eingeordnet in eine unaufdringlich christliche Weltsicht.
Louis Macreiffe, aus alter schottischer Familie (so wie der Autor einem bekannten schlesischen Geschlecht entstammt), studiert in Oxford und wird nach und nach in eine Geschichte hineingezogen, die zunächst unglaublich erscheint. Offenkundig gibt es in der traditionsreichen Universitätsstadt jemanden, der einen alten Mysterienkult wiederbeleben will, aus der Zeit des Urchristentums kommend, aber klar gegen die christliche Botschaft gerichtet. Bei diesen Dingen geht es im Kern, das betont der Autor zu Recht, immer um Variationen auf das gnostische Prinzip vom geheimen Wissen einer Gruppe von Eingeweihten und von der Möglichkeit einer Selbsterlösung ohne Gott. Auch ohne die Roman-Handlung kann man festhalten: Viele weltanschauliche Gruppen heutzutage arbeiten auf dieser Grundlage, stehen von daher dem Christentum und seiner Botschaft einer gefallenen Schöpfung, die durch den geopferten Sohn des Schöpfers wieder geheilt wird, negativ bis offen feindselig gegenüber.
Von da ausgehend entwickelt Ballestrem eine erstaunlich gut geschriebene und überaus spannende Geschichte, die nicht nur in Südengland, sondern auch in Rom, Istanbul, Akaba am Roten Meer und Havanna spielt und sich mit der Präzision und Geschwindigkeit eines Action-Films entwickelt. Es gibt die Bösen – den Hierophanten zunächst, Abkomme einer griechischen Familie, der sich zu Grossem auserwählt wähnt – und die Guten, Louis’ eleganten Mitstudenten Bowsie und den phänomenalen Altphilologen Sir Lemual Fitzpatrick, Inhaber des komplizierten Baronet-Titels und Hüter eines geheimen Amtes der Universität. Wer Oxford kennt und liebt, wird vieles wiedererkennen, eine Reihe der 38 Colleges mit ihren Eigenheiten taucht auf, und als Insider-Tipp St. Benet’s Hall, das benediktinische Studienhaus mitten im „katholischen Viertel“ der Universitätsstadt, neben den Dominikanern – Blackfriars – und den Oratorianern. Auch die „Rhodenser“ erscheinen, niemand anderes als die Malteser, die in der Stadt eine grosse Schar junger Freiwilliger unterhalten.
Aber es geht Johannes Ballestrem gerade nicht um die pittoreske Schilderung eines Studentenlebens, das ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint, sondern um die brandaktuelle Auseinandersetzung mit einer zentralen Frage unserer Zeit: Auf welcher Seite stehen wir? Ist uns eigentlich bewusst, dass gerade ein epochaler Kampf zwischen Gut und Böse tobt? Ein Kampf freilich, der so alt ist wie die Menschheit, der aber in unserer Epoche durch die unglaublichen und unheimlichen Möglichkeiten der Wissenschaften mit besonderer Intensität ausgetragen wird. Um die Grundlagen des Menschseins wird dabei gerungen, warum überhaupt wir den Wechselfällen einer irdischen Existenz ausgesetzt sind und wo unser Weg einmal enden soll. Die ganz grossen Fragen also; christliche Autoren scheitern immer wieder daran, diese Grund-Determinanten unserer Existenz dem so leicht zu langweilenden Publikum von heute mundgerecht zu servieren.
Nicht so Johannes Ballestrem, Er hat nicht nur eine filmreife Handlung entworfen; sie schreit tatsächlich nach einer Verfilmung, die aber vom Scientology-verseuchten Hollywood nicht kommen wird. Er gibt auch die richtigen Antworten und erliegt nicht der Versuchung des manichäischen Denkens vom ergebnisoffenen Kampf zwischen Gut und Böse. Vorderhand mag es allerdings scheinen, als triumphiere das Böse. Der Übeltäter des Romans ruft es dem Spiritus Rector der Universität zu: „Euer Gottesbild ist verweichlicht, vom Blitze schleudernden Zeus und dem mächtigen Jahwe hin zu einem kraftlosen Zeitgeistjesus… Lange wird es nicht mehr dauern und Euthanasiewellen werden Europa überschwemmen. Die alte, noch christliche Generation wird entsorgt werden. Die Herrschaft über den Tod wird Christus wieder entzogen und dem Menschen zurückgegeben werden.“
Doch Ballestrem weiss, dass das Werk der Erlösung schon geschehen ist. So findet er eine schöne Schlussszene mit dem Chor des Magdalen College, der den Hymnus Eucharisticus vom Turm auf eine verwirrte Studenten-Clique herunter singt und wieder für Frieden sorgt, ein Bild, das Mahler für eine seiner Symphonien verwendet haben könnte. Alle können allerdings nicht gerettet werden; es gibt Menschen, die sich dem Bösen überantworten, auch das ist dem Autor bewusst. Johannes Ballestrem ist ein wirklich begabter Schriftsteller mit Ahnung vom Leben, klarer Botschaft und gut gespitzter Feder. Man kann nur hoffen, dass dies nicht sein letztes Opus war.
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