Nachruf Weltwoche
Auf festerem Gefährt – Philosoph Spaemann
Robert Spaemann – Daten
Robert Spaemann – Literatur
Robert Spaemann (1927-2018) – Platon lässt im Dialog “Phaidon” den Dichter Simmias über die Lösung der letzten Frage des Menschen nachsinnen: “… entweder sich belehren lassen, wie die Lösung Iautet oder sie selber finden oder, so ferne dies unmöglich ist, von Lehren, wie die Menschen sie verkünden, die beste sich zu eigen machen, die man am schwersten widerlegen kann, und so dann wie auf einem Flosse auf gut G1ück die Fahrt durchs Leben unternehmen.” Geht es so nicht allen Meinenden oder heutigen Wissenschaftlern? Simmias nennt noch eine Alternative: Es sei denn, man unternehme eine geborgenere und ungefährdetere Fahrt auf einem festeren Gefährt, einer Lehre göttlichen Ursprungs.
Robert Spaemann liebte diese Stelle. Sie zeige, welche Möglichkeiten den Menschen gegeben sind, wenn sie ihr Leben orientieren wollen. Jetzt nach seinem Tod – er starb am 10. Dezember 2018 in Stuttgart – fragen wir uns, was für einer er war.
Ein Philosoph, gewiss, aber was für einer!
Rückblickend scheint klar, er gehörte zu denjenigen, welche auf einem festeren Gefährt
durchs Leben fuhren. Man muss seine beiden Bände lesen, die Exegesen der Psalmen, sein letztes Buchprojekt, oder den eindrucksvollen Essay “Das unsterbliche Gerücht: Die Frage nach Gott und der Aberglaube der Moderne”, um zu erfahren, was ihn ausmachte: Er war ein Philosoph, den der “Wirbel ursprünglichen Fragens” (Martin Heidegger), die Krise der Philosophie im 20. Jahrhundert, zwar ein Leben lang umtrieb, der aber Ruhe gefunden hatte im Vertrauen auf die Botschaft der Bibel und des Evangeliums, deren Antworten auf die letzten Fragen.
Er hatte Ruhe gefunden im Vertrauen auf die Botschaft der Bibel und des Evangeliums
Spaemann hat es jedoch immer abgelehnt, als katholischer Philosoph etikettiert zu werden. Christ sein und Philosoph sein sei nicht dasselbe. Sein Philosophieren, “sich über das Selbstverständliche klar werden”, zielte auf die Wahrheitsansprüche seiner Zeit. Unvergesslich seine Kritik der ideologischen, nach den Studentenrevolten populär gewordenen “Theorien der Gesellschaft”. In dem Aufsatz “Die Utopie der Herrschaftsfreiheit” (1972) konfrontierte er Jürgen Habermas, Niklas Luhmann und Ralf Dahrendorf, die damaligen Stars der public intellectuals mit einer gründlich durchdachten Gegenposition. Wer sich den politischen Realitäten moralisch überlegen fühle, verändere damit noch lange nicht die Welt. Wer Herrschaft denunziert, landet nur bei der Tyrannis.
Seine Interventionen in den Debatten über die Folgen naturwissenschaftlicher Fortschritte, seine Widerlegungen der modischen Glaubensbewegung des Szientismus, sein Kampf um den Gedanken der Menschenwürde, den Schutz des Lebens haben ihn zu einer international vielbeachteten Stimme gemacht, deren Argumentation mit Überzeugungen hilflos attackiert wurde, nicht mit besseren Argumenten.
Der Band Grenzen (2001) sammelt seine Einwürfe.
Gegen Manipulation und Simulation
Sein philosophisches Vermächtnis ist das Buch “Personen” (1996), ein Philosophieren darüber, was Menschsein bedeutet. Es ist die jargonfreie, gedanklich so erprobte, nicht selten messerscharfe Sprache, die den Leser staunen lässt. Der Vernunftgebrauch ist nicht auf komplizierte Diktion angewiesen. Wer über das Glück, das Gelingen des Lebens nachdenkt, soll auf Moden verzichten und sich lieber mit Platon und Aristoteles, Kant und Hegel, Max Scheler und Joachim Ritter beschäftigen.
Spaemann war ein wunderbarer Sprachstilist.
Er wird einst als der bedeutende deutsche Philosoph erinnert werden, der das Leben verteidigte gegen Manipulation und Simulation.
StephanSattler
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