Apostolische Konstitution ‘Vultum Dei quaerere’
Apostolische Konstitution Vultum Dei quaerere von Papst Franziskus über das kontemplative Leben in Frauenorden vgl. Cor orans
29. Juni 2016
(Quelle: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 208)
Quelle/Vollständiges Dokument
Instruktion -‘Cor orans’
Sponsa christi
Sacra virginatis
Kongregation
Do.
Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls
Einleitend
1. Die Suche nach dem Angesicht Gottes durchzieht die Geschichte der Menschheit, die von jeher zu einem Dialog der Liebe mit ihrem Schöpfer berufen ist.
Der Mensch besitzt nämlich eine religiöse Dimension, die nicht unterdrückt werden kann und die sein Herz auf die Suche nach dem Absoluten, auf Gott hin ausrichtet: Er spürt – wenn auch nicht immer bewusst – dessen Notwendigkeit. Diese Suche verbindet alle Menschen guten Willens. Auch viele, die sich als nicht gläubig erklären, gestehen diese tiefe Sehnsucht des Herzens ein; sie lebt als treibendes Element in jedem Menschen, der nach Glück und Fülle verlangt und dessen leidenschaftlicher Hunger nach Freude unersättlich ist.
Der heilige Augustinus hat das in seinen Bekenntnissen wirkungsvoll ausgedrückt: „Du hast uns auf dich hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht dir“. Diese Ruhelosigkeit des Herzens entspringt der tiefen Ahnung, dass Gott es ist, der die Initiative ergreift: Er sucht den Menschen und zieht ihn geheimnisvoll an sich.
Die Dynamik der Suche bestätigt, dass niemand sich selbst genug ist. Sie treibt uns im Licht des Glaubens zum Aufbruch aus dem eigenen, auf uns selbst konzentrierten Ich, um angezogen vom heiligen Angesicht Gottes und zugleich vom „heiligen Boden des anderen“ eine immer tiefere Erfahrung von Gemeinschaft zu machen.
Diese Pilgerschaft auf der Suche nach dem wahren Gott gehört kraft der Taufe in besonderer Weise zu jedem Christen und jeder gottgeweihten Person. Durch das Wirken des Heiligen Geistes wird sie dann zur sequela pressius Christi – zu einem Weg der schrittweisen Gleichgestaltung mit Christus. Dieser Weg findet einen besonders eindringlichen Ausdruck in der Ordensweihe und ganz speziell im monastischen Leben, das von Anfang an als eine besondere Weise der Umsetzung der Taufe angesehen wurde.
2. Die gottgeweihten Personen folgen aufgrund ihrer Weihe „dem Herrn auf besondere Art, auf prophetische Weise“. Sie sind berufen, die Zeichen der Gegenwart Gottes im täglichen Leben zu erkennen und weise auf die Fragen einzugehen, vor die Gott und die Menschheit uns stellen. Die grosse Herausforderung für jeden Gottgeweihten und jede Gottgeweihte besteht in der Fähigkeit, „Gott weiterhin mit den Augen des Glaubens in einer Welt, die seine Gegenwart ignoriert“, zu suchen, dem Menschen von heute das Leben Jesu in Keuschheit, Armut und Gehorsam als ein glaubhaftes und vertrauenswürdiges Zeichen neu vor Augen zu führen und auf diese Weise eine „lebendige ,Exegeseʻ des Wortes Gottes“ zu werden.
Seit der Entstehung des Lebens besonderer Weihe in der Kirche haben von Gott berufene und in ihn verliebte Männer und Frauen ihr Leben völlig darauf ausgerichtet, sein Angesicht zu suchen, und danach verlangt, Gott im Herzen der Welt zu finden und zu betrachten. Die Gegenwart von Gemeinschaften, die wie Städte auf den Berg und Lichter auf den Leuchter gestellt sind (vgl. Mt 5,14–15), versinnbildlicht bei aller Einfachheit ihres Lebens sichtbar das Ziel, dem die ganze Gemeinschaft der Kirche zustrebt, die „auf den Strassen der Zeit vorwärtsgeht, den Blick fest auf die künftige Erneuerung von allem in Christus gerichtet“. Auf diese Weise kündigt sie die himmlische Herrlichkeit an.
3. Für alle gottgeweihten Personen haben die Worte Petri: „Herr, es ist gut, dass wir hier sind“ (Mt 17,4) einen besonderen Klang. Die Kontemplativen aber, die in tiefer Verbundenheit mit allen anderen Berufungen des christlichen Lebens „Strahlen des einen Lichtes Christi [sind], das auf dem Antlitz der Kirche widerscheint“, verbringen „aufgrund ihres besonderen Charismas viel Zeit in ihrem Tageslauf damit […], die Mutter Gottes nachzuahmen, die über die Worte ihres Sohnes und alles, was mit ihm geschah, beständig nachdachte (vgl. Lk 2,19.51), sowie Maria von Bethanien, die sich dem Herrn zu Füssen setzte und seinen Worten zuhörte (vgl. Lk 10,39)“.[10] Ihr Leben, das „mit Christus in Gott verborgen“ (vgl. Kol 3,3) ist, wird so ein Bild der bedingungslosen Liebe des Herrn, des ersten Kontemplativen. Sie haben Christus so zur Mitte ihres ganzen Lebens gemacht, dass sie mit dem Apostel sagen können: „Für mich ist Christus das Leben“ (Phil 1,21). Auf diese Weise bringen sie den allumfassenden Charakter zum Ausdruck, der die tiefe Dynamik der Berufung zum kontemplativen Leben ausmacht.
Als Männer und Frauen, die in der menschlichen Geschichte leben und vom Glanz Christi, des „Schönsten von allen Menschen“ (vgl. Ps 45,3) angezogen werden, haben die Kontemplativen ihren Platz mitten in der Kirche und in der Welt. In der nie endenden Suche nach Gott finden sie das hauptsächliche Zeichen und Kriterium der Echtheit ihres geweihten Lebens. Der heilige Benedikt, der Vater des westlichen Mönchtums, unterstreicht, dass der Mönch einer ist, der sein Leben lang Gott sucht. Und er verlangt, dass beim Anwärter auf das monastische Leben geprüft wird, „si revera Deum quaerit“, ob er wirklich Gott sucht.
Im Laufe der Jahrhunderte bis in unsere Tage hinein haben im Besonderen unzählige gottgeweihte Frauen „ihr ganzes Leben und ihre Tätigkeit an der Kontemplation Gottes“ orientiert.
Damit waren und sind sie sowohl Zeichen und Prophetie der Kirche, die zugleich Jungfrau, Braut und Mutter ist, als auch ein lebendiges Zeichen und Zeugnis, das an die Treue erinnert, mit der Gott durch die Ereignisse der Geschichte hindurch fortwährend sein Volk unterstützt.
4. Das monastische Leben, ein Element der Einheit mit den anderen christlichen Konfessionen, gestaltet sich in einem eigenen Stil, der Prophetie und Zeichen ist und der „alle Glieder der Kirche wirksam zur eifrigen Erfüllung der Pflichten ihrer christlichen Berufung hinziehen kann und soll“. Die Gemeinschaften von Betern und besonders die Kontemplativen, die „in der Form der Trennung von der Welt inniger mit Christus, dem Herzen der Welt, vereint sind“, stellen nicht eine vollkommenere Verwirklichung des Evangeliums vor Augen. Da sie die Anforderungen der Taufe erfüllen, dienen sie vielmehr der ganzen Kirche als ein Beispiel, das alle zur Unterscheidung aufruft: als ein Zeichen, das einen Weg weist, auf eine Suche hindeutet und so das ganze Volk Gottes an den ersten und letzten Sinn dessen erinnert, was es lebt.
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