Dornenvögel im Kopf UPDATE

“Männer, die keine Frauen in ihr Herz schliessen und nur mit anderen Männern umgehen können, wären für das Priestertum ungeeignet”

Guido HorstDie Tagespost, 17. Februar 2016

Von Guido Horst

Die gespensterhafte Aufregung über die freundschaftliche Beziehung des heiligen Johannes Paul II. zu der Philosophin Anna-Teresa Tymieniecka sagt nichts Neues über den grossen Polen auf dem Petrusstuhl, aber doch einiges über das verschrobene Priesterbild ausserhalb der Kirche – vielleicht auch der Macher der BBC-Dokumentation, die glaubten, da etwas Ungewöhnliches „enthüllt“ zu haben. Nicht nur Priester, auch Päpste hatten enge Beziehungen zu Frauen. Da muss man nicht bis Pius XII. und seine „rechte Hand“ Schwester Pascalina Lehnert zurückgehen. Da genügt schon ein Blick auf Papst Franziskus, der mit dem anderen Geschlecht einen ganz normalen Umgang pflegt – Umarmungen, Küsse, Fusswaschungen eingeschlossen. Und das Karol Wojtyla Freundinnen hatte und per Briefwechsel oder auch persönlichen Begegnungen Kontakt zu ihnen hielt, ist nun wirklich nichts Neues. Dass solche Freundschaften auch eine emotionale Tiefe haben konnten, erinnert stattdessen an den Herrn und Gründer der Kirche, der allen Frauen, die ihm bis unter das Kreuz treu und ergeben waren, in aufrichtiger Liebe verbunden war.

Männer, die keine Frauen in ihr Herz schliessen und nur mit anderen Männern umgehen können, wären für das Priestertum ungeeignet. Wer in dem Normalfall, dass Priester auch mit Frauen befreundet sind, etwas Ungewöhnliches vermutet, hat wohl nicht verstanden, was der Zölibat bedeutet. Den plagen vielleicht abstruse Vorstellungen, zölibatär lebende Männer dürften sich nur durch das Gitter eines Beichtstuhls mit Frauen unterhalten. Denen spuken die Dornenvögel kräftig im Kopf herum, die einem weismachen wollen, dass jeder Priester oder Ehemann sofort dem Zauber einer Frau erliegt, wenn diese plötzlich nach Priesterweihe oder nach der Heirat neu in sein Leben tritt. Natürlich haben Kleriker ihren Zölibat und Ehemänner ihre Ehe gebrochen. Dass das aber – gerade im Fall der Päpste – sofort immer als erstes zu vermuten ist, offenbart wie gesagt mehr über die Macher solcher Filme und die Denkungsart von heute als über die Wirklichkeit (siehe auch Seite 15).

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