“Tretet als glaubwürdige Christen auf” UPDATE
Wer die Familie in Frage stellt, schadet der jungen Generation
Papst Benedikt in San Marino
Ansprache von Papst Benedikt XVI.
San Marino, Die Tagespost, 20.06.2011, von Guido Horst
Im Stadion von Serravalle feierte der Heilige Vater am Sonntag die Messe.
Die Familie und die Jugend: Das sind die wesentlichen Themen beim Besuch von Benedikt XII. am Sonntag im Zwergstaat San Marino gewesen. Wieder bot sich eine wunderbare Kulisse. Diesmal nicht die Kanäle und prächtigen Bauten der Lagunenstadt Venedig, die der Papst Anfang Mai besucht hatte, sondern luftige Höhen und historische Plätze, die den Blick in eine weite Landschaft unter strahlend blauem Himmel frei gaben. 33 000 Menschen wohnen in der ältesten Republik der Welt, die schon im Jahr 1200 eine kleine Stadtrepublik war, deren Wurzeln aber auf den Anfang des vierten Jahrhunderts zurückgehen, als der von der kroatischen Insel Rab stammende Steinhauer Marinus vor der Christenverfolgung in Rimini auf den nahe gelegenen Berg Titano floh, wo er später als Bischof von Rimini den Grundstein für das kleine Gemeinwesen legte.
Von den Einwohnern der Republik – davon 95 Prozent Katholiken, der katholische Glaube ist in San Marino Staatsreligion – wollten zwei Drittel den Papst beim Gottesdienst im Sportstadion der Stadt sehen, der sich dann in seiner Predigt auch auf die Gründung und Geschichte San Marinos bezog: “Ihr seid zurecht stolz und dankbar, wie sehr der Heilige Geist durch die Jahrhunderte hindurch in Eurer Kirche gewirkt hat. Aber Ihr wisst auch: Die beste Art und Weise, ein Erbe hochzuschätzen, ist die, es zu pflegen und zu bereichern.” Benedikt XVI. sprach von einem entscheidenden Augenblick der Geschichte, in dem man heute lebe, von “grundlegenden und rasanten kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen” sowie von neuen Leitlinien, die die Geisteshaltung, die Bräuche und Empfindungen der Zeitgenossen verändern würden. “Schuld daran sind vor allem die hedonistischen Lebensentwürfe, die den Geist verdunkeln und Gefahr laufen, jede Moral auszulöschen. Man habe begonnen, so der Papst weiter, “den Glauben und die christlichen Werte durch angebliche Reichtümer zu ersetzen, Reichtümer, die sich am Ende als substanzlos offenbaren und nicht fähig sind, das grosse Versprechen des Wahren, des Guten, des Schönen und des Gerechten zu halten, das Versprechen, das eure Vorfahren Jahrhunderte lang mit der Erfahrung des Glaubens identifiziert haben”. Nicht vergessen werden dürfe dabei “die Krise nicht weniger Familien, die durch die verbreitete psychologische und geistliche Anfälligkeit der Ehepartner verstärkt wird”. Benedikt XVI. erinnerte aber auch an die grosse Mühe, die viele Erzieher haben, Jugendliche beständig und gut auszubilden. Dies hänge von zahlreichen Unsicherheiten ab, in erster Linie vom sozialen Stand und der Möglichkeit, Arbeit zu finden.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, fuhr Papst Benedikt fort, sollten alle Gläubigen Sauerteig in der Welt sein und präsent, engagiert und glaubwürdig als Christen auftreten. “Die Priester und Ordensleute sollen stets in herzlicher und tatkräftiger kirchlicher Gemeinschaft leben, dem Ortsbischof helfen und auf ihn hören. Auch bei Euch braucht es dringend neue Priesterberufungen und Ordensberufungen: Ich rufe die Familien und Jugendlichen dazu auf, ihr Herz zu öffnen und bereit zu sein, auf den Ruf des Herrn zu antworten. Man bereut es nie, Gott gegenüber grossherzig zu sein! Euch Laien fordere ich auf, euch aktiv in die Gemeinschaft einzubringen, so dass ihr neben euren besonderen gesellschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Aufgaben auch Zeit und Bereitschaft für das pastorale Leben findet.”
Seit dem Jahr 1243 wird der Staat San Marino von jeweils zwei für sechs Monate gewählten “Capitani Reggenti” regiert – und das ist bis heute so. Nach der heiligen Messe unter freiem Himmel folgte am Nachmittag eine private Begegnung mit der Staatsspitze, den beiden “Regierenden Hauptleuten” Maria Luisa Berti und Filippo Tamagnini, sowie anschliessend eine Ansprache vor Regierung und Parlament des kleinen Staates. Im Regierungspalast griff Papst Benedikt das Thema seiner Predigt wieder auf und bezeichnete die Familie als “die entscheidende Voraussetzung für ein harmonisches Heranwachsen freier und verantwortungsbewusster Persönlichkeiten”. Heutzutage gebe es Bestrebungen, den unverzichtbaren Wert der Familie als Institution in Frage zu stellen, meinte der Papst. Leidtragende dieser Entwicklung seien vor allem die schwächsten Glieder der Gesellschaft, insbesondere die junge Generation. Die Kirche trete gegenüber solchen Tendenzen nachdrücklich für die Wertschätzung und Unterstützung von Familien ein sowie für den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.
Eigentlich war es eine Auslandsreise, die Benedikt XVI. nach San Marino geführt hatte. Aber der Staat ist so klein, dass er zusammen mit italienischem Territorium auf dem Gebiet der Diözese San Marino-Montefeltro liegt, deren Bischof seit 2005 der aus der Bewegung “Comunione e Liberazione” stammende Priester Luigi Negri ist, einer der ganz frühen Weggefährten des CL-Gründers Luigi Giussani. Zur Begrüssung des Papstes beim abschliessenden Treffen mit den Jugendlichen am Abend sagte Bischof Negri, dass die jungen Menschen heute die gefährdetsten von allen seien. Und vor den etwa viertausend jungen Gläubigen, die dem Papst in Pennabili in der Provinz Rimini, dem Bischofssitz der Diözese San Marino-Montefeltro, einen begeisterten Empfang bereiteten, verwies Benedikt XVI. auf Jesus Christus als die Antwort auf alle Bedrängnisse. In Christus “könnt ihr die Antworten auf die Fragen finden, die euren Weg begleiten, nicht auf eine oberflächliche, leichte Weise, sondern indem ihr gemeinsam mit Jesus geht, mit Jesus lebt”.
Die Begegnung mit Christus erschöpfe sich dabei nicht in der Annahme einer Lehre oder einer Philosophie. Christus wolle vielmehr, dass die Menschen sein Leben teilen und so lernen, “was der Mensch ist und was ich bin”. Gerade indem der Mensch mit Wahrheit und Mut auf sich schaue, erkenne er die Schönheit, doch auch die Unwägbarkeit des Lebens, er spüre eine mangelnde Befriedigung und eine Unruhe, die nichts erfüllen könne. Benedikt XVI. lud die Jugendlichen ein, sich dieser “gesunden Unruhe” bewusst zu werden und keine Angst zu haben, sich die grundlegenden Fragen über Sinn und Wert des Lebens zu stellen. So sei es möglich, nachzudenken und die Welt nicht in einer oberflächlichen Weise zu lesen: “Ihr werdet verwundert und voll Freude entdecken, dass euer Herz ein zum Unendlichen hin offenes Fenster ist.”
Programm
Jugendtreffen.San.Marino: kathTube
Vatikan: Neue website
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