Büsser in der Wüste

Das Lukasevangelium verbindet die Geburts- und Kindheitsgeschichte Johannes des Täufers eng mit der entsprechenden Geschichte Jesu

Quelle
Der verweisende Zeigefinger

Das Lukasevangelium verbindet die Geburts- und Kindheitsgeschichte Johannes des Täufers eng mit der entsprechenden Geschichte Jesu; die beiden messen sich da direkt, der ältere Johannes mit dem jüngeren, doch grösseren Jesus. Noch während ihrer Schwangerschaft hat Elisabeth, die Mutter des Johannes, die gleichfalls schwangere Maria zu Gast, und als er die Stimme Mariens hört, hüpft der noch ungeborene Johannes im Leib der Mutter.

Alt war Elisabeth, unfruchtbar schon – die Parallelen zu Sara, der Frau Abrahams, sind nicht zu übersehen. Ein Erzengel verkündete dem zunächst ungläubigen Priester Zacharias die bevorstehende Geburt eines Sohnes; schon hier, an der skeptischen Reaktion des Zacharias, wird deutlich, dass Jesus, dessen Geburt ebenfalls von einem Engel angekündigt wird, der Wichtigere, der Größere ist. Der Leser dieser Kindheitsgeschichte spürt von Anfang an, dass das Verhältnis zwischen diesen beiden Männern Johannes und Jesus (oder zumindest ihren Anhängern) ein kompliziertes sein wird, irgendwo im Koordinatennetz zwischen Glauben, Skepsis und sogar Konkurrenz.

War Jesus zunächst ein Johannesjünger, der sich dann sozusagen selbständig gemacht hat? Wer die Quellen abhorcht, kann auf diesen Gedanken kommen.

Büsser in der Wüste

Sich selbst sieht Johannes als „Stimme, die in der Wüste ruft, dem Herrn den Weg zu bereiten“. Die Evangelien zeichnen ihn als Büßer in der Wüste, der eindringlich zur Umkehr aufruft und Menschen im Jordan tauft. Eines Tages stellt sich auch Jesus zu dieser Taufe ein; Johannes vollzieht die Taufe, und noch viel später, als er im Gefängnis sitzt, wird er zweifeln, ob Jesus nun „der ist, der kommen soll“, der Messias also, oder ob man stattdessen „auf einen anderen warten“ müsse.

Andere Evangelienstellen erwecken allerdings den Eindruck, Johannes habe Jesus als Messias erkannt, ja anerkannt. Der Evangelist Johannes hingegen lässt wissen, Jesus selbst habe eine Zeitlang Menschen am Jordan getauft; kein Wunder, dass die Verwirrung unter den Exegeten bis heute ziemlich groß ist.

Der Gerechte

Es ist sein Gerechtigkeitssinn, der den Täufer schließlich das Leben kostet. Herodes lässt ihn einsperren, eine Intrige entspinnt sich am Hof, der Prediger aus der Wüste hat an viele Wunden gerührt, er wird enthauptet, angeblich auf Betreiben von Herodes Frau hin. Als Jesus vom Tod des Täufers erfährt, zieht er sich für eine Weile aus der Öffentlichkeit zurück – ein Hinweis darauf, dass er jetzt ebenfalls mit Repressalien und Verfolgung durch Herodes rechnen muss.

Ein weit verbreiteter Kult

Das Haupt von Johannes dem Täufer wird heute in der Kirche San Silvestro in Capite in Rom verehrt. Doch auch die heutige Umayyaden-Moschee von Damaskus, eine frühere Kirche, soll wichtige Reliquien des Täufers bergen; Johannes Paul II. hat sie dort bei einem Syrienbesuch verehrt, lange vor Ausbruch des verheerenden Bürgerkriegs.

Der Kult des heiligen Johannes des Täufers ist nahezu in der ganzen Christenheit verbreitet; viele Städte haben ihn zu ihrem Schutzpatron erkoren, darunter Florenz in Italien.

Wohl kein anderer Heiliger ist in der Kunst im Lauf der Jahrhunderte so oft dargestellt worden, besonders gern als Kind an der Seite des Jesusknaben, etwa von Leonardo da Vinci.

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