Hochfest der Geburt des Herrn – Weihnachten
„Ein Licht strahlt heute über uns auf, denn geboren ist uns der Herr. Und er wird wunderbarer Gott, Friedensfürst, Vater der kommenden Zeiten genannt. Seine Herrschaft wird ohne Ende sein“
Nach der Zeit des Advent und den Wochen der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest durch geistliche Anstrengungen steht das Geburtsfest des Erlösers ganz im Zeichen des überirdischen Lichts: Die Geburt des Mensch gewordenen Gottes geschieht in das Unheil der Welt hinein. Während kein Tag vergeht, an dem nicht Menschen gemordet, geschändet, gequält und gedemütigt werden oder in Armut sterben, wird Gott im Fleisch geboren. Und der wunderbare Gott, der der Friedensfürst und Herr der Zeiten ist, kommt zur Welt, ohne dass die Welt den Atem anhält. Zur Zeit des Kaisers Augustus war es so; heute ist es immer noch so. Anders als das Fest der Auferstehung, das an ein konkretes geschichtliches Datum gebunden ist, feiert die Kirche die Geburt des Herrn deshalb an einem von ihr gewählten Tag.
Der 25. Dezember war von Kaiser Aurelian (270-275) zum Geburtstag des „sol invictus“, des „unbesiegten Sonnengotts“ bestimmt worden und die Germanen feierten an diesem Tag das Mittwinterfest. Der Kampf der Finsternis gegen das Licht, bei dem die Sonne doch den Sieg davonträgt, ist ein passendes Bild für das Ereignis der Menschwerdung Gottes: Deshalb hat sich ab dem Jahr 354 das Geburtsfest Christi an diesem Datum von Rom aus verbreiten können. Neben dem älteren Weihnachtsfest der Theophanie, der Erscheinung des Herrn und seiner Taufe, war damit ein neues grosses Herrenfest der Kirche entstanden.
Die Unscheinbarkeit der Geburt des Erlösers, die weithin unbeachtet und unter erbärmlichen Bedingungen geschieht, findet in der liturgischen Feier ihren Widerhall, da ihre Texte und Hymnen wie eine feierliche Bestätigung der Ereignisse von Bethlehem klingen. Christus, der Erlöser und das Licht der Welt, verschenkt sich an den Menschen, wird „den Menschen gleich“ (vgl. Phil 2,7), um durch sein Kommen die Welt und die Menschen zu erlösen. Gleichzeitig erfüllen sich die Prophezeiungen des Alten Bundes, die auf den Messias hinweisen. Dass der königliche Erlöser des auserwählten Volkes unter erniedrigenden Umständen zur Welt kommt, bleibt ein unumstößliches Zeichen. Von Anfang an handelt Gott wie jemand, den weder berechnende Logik noch Herkommen interessieren. Seine Geburt „aus der Jungfrau Maria“ und als kleines Kind klingt wie die Bestätigung der Worte des Propheten Jesaja: „Du, Herr, schenkst große Freude. Man freut sich in deiner Nähe… Denn ein Kind ist uns geboren. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter…“ (vgl. Jes 9,2.5). Bis heute verstört Gott die Welt, weil er nicht nach menschlichen Massstäben misst, sondern viel schwerere Dinge einfordern darf als Blut und Opferfleisch: die demütige Hingabe eines jeden Menschen, dem Vorbild Jesu folgend.
Von hier aus ist es nur ein kleiner Gedankenschritt zum alten Brauch, sich in der Weihnachtszeit zu beschenken. Er hat sich aus unterschiedlichen Traditionssträngen entwickelt, die sich vom Nikolaustag (6. Dezember) und vom Epiphaniefest (6. Januar) nach Weihnachten verlagert haben. Als unser Geschenk erwartet der neugeborene Gott und Mensch, seiner eigenen demütigen Lebenssituation entsprechend, allerdings eher „einen zerknirschten Geist“, unser „zerbrochenes und zerschlagenes Herz“ als Gabe, die Gott gefällt (vgl. Ps 50/51,19). Und ein solches Herz kann unmöglich vorbeigehen an der Not der Mitmenschen, deren Fleisch Gott annimmt.
Es gibt den schönen Volksglauben, dass in den zwölf Nächten von Weihnachten bis zum Fest der Erscheinung des Herrn die Tiere, unvernünftige Kreaturen, mit menschlicher Stimme sprechen können. Vielleicht steckt eine viel tieferer Wahrheit hinter dieser Geschichte, als auf den ersten Blick ersichtlich: Gott ist Mensch geworden. Und keine Macht der Welt oder der Unterwelt kann die Schöpfung daran hindern, das zu verkünden. Bleibt die Frage, ob der Mensch ein Herz hat, das diese Sprache verstehen kann.
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