„Wir fühlen uns verlassen”

Über die Arbeit und Situation der Kirche in Venezuela

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„Venezuela – wo Träume Wirklichkeit werden.“ So lautete einst der Werbespruch der nationalen Tourismusagentur. Heute ist der Traum zum Albtraum geworden.

„Uns geht es schlechter denn je“, sagt der Bischof der Diözese Carúpano, Jaime Villarroel. Sein Bistum liegt im Norden des Landes, an der Atlantikküste. „Es gibt nichts zu essen. Ständig kommt es zu Plünderungen.“ Gewalt und Mord sind an der Tagesordnung. „Die Menschen haben nur noch Angst“, erklärt der Bischof.

Drei Jahre nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Hugo Chávez taumelt das Land von einer Krise in die andere. Fehlentscheidungen der linksgerichteten Regierung von einst, politische Unruhen heute, Wirtschaftskrise, Preisverfall haben Venezuela an den Rand des Abgrunds gebracht.

Politik und Wirtschaft geben sich wechselseitig die Schuld. Sogar unter den Anhängern der jetzigen Regierung unter Präsident Nicolas Maduro werden Stimmen lauter, die ein Umdenken fordern. Beobachter fürchten den Kollaps des Landes.

Was als Wirtschaftskrise begann, ist zu einer humanitären Katastrophe geworden. Lebensmittel sind stark rationiert. „300 Gramm Trockenmilch, ein halbes Kilo Nudeln und 200 Gramm Butter erhält eine Familie pro Monat. Fleisch, Eier oder Fisch müssen sie teuer kaufen – mit Geld, das sie nicht haben“, erklärt Bischof Villarroel.

So würden die Nahrungsrationen höchstens eine Woche reichen. „Es herrscht eine bittere Hungersnot. Die Menschen werden ohnmächtig vor Hunger.“ Niemand könne Notleidenden und Kranken helfen, denn: „Die Krankenhäuser haben keine Medikamente, kein Verbandsmaterial, nichts.“

Zur humanitären Notlage kommen die sozialen Verwerfungen. Studieren zum Beispiel ist zu einem Privileg für Wenige geworden. Die meisten Jugendlichen in seinem Bistum hätten das Studium aufgegeben, so der Bischof, „weil sie kein Geld für Papier haben, geschweige denn für Fotokopien oder Kugelschreiber.“

Die Perspektivlosigkeit treibt die jungen Menschen in die Hände der Drogendealer und Verbrecherbanden. „Sie nehmen auf nichts und niemand mehr Rücksicht“, sagt Villarroel.

Die unhaltbare Situation macht die Menschen wütend. Jeden Tag gibt es Demonstrationen – gegen die Regierung, gegen die grassierende Korruption, gegen die politische Isolation. „Wir wissen nicht mehr, was wir tun oder an wen wir uns wenden sollen. Wir fühlen uns verlassen.“

Die Kirche spielt eine zentrale Rolle, um der Not abzuhelfen. „Unsere Arbeit besteht darin, unserem Volk nahe zu sein, ihnen eine Botschaft der Versöhnung und der Vertrauens auf Gott zu vermitteln“, so der Bischof. Die Krise bringe die Menschen der Kirche näher. Denn obwohl gut 96 Prozent der Einwohner Venezuelas getauft sind, praktizieren nur Wenige ihren Glauben.

Angriffe auf die Kathedrale von Carúpano

„Die Evangelisierung hat die Herzen der Menschen nicht erreicht.“ In Teilen der Bevölkerung herrsche sogar eine feindliche Haltung gegenüber dem Christentum, immer wieder kommt es zu Angriffen auf Priester und Seminaristen. Auch seine Kathedrale in Carúpano sei schon mehrmals Ziel von Attacken gewesen, so der Bischof: „Nichts wird mehr respektiert. Gewalttäter bleiben häufig unbestraft, weil die Polizei nicht eingreift“.

Doch in der Krise könne die Kirche beweisen, dass sie auf der Seite der Notleidenden stehe: „Bei meinen Pastoralbesuchen erlebe ich, wie sehr der Glaube den Menschen Kraft gibt. Die Kirche ist oft die einzige verlässliche Anlaufstelle. Wir helfen, wo wir können.“

Kirche in Not hilft dabei – es unterstützt die karitative Arbeit in den Pfarreien oder leistet Hilfen für Seelsorge und Katechese. Beides – humanitäre und geistliche Hilfe – gehöre zusammen, betont der Bischof: „Nur so können wir eine ,Kultur des Überlebens‘ schaffen, die uns aus dieser Krise führt und die Risse in der Gesellschaft heilt.“

Monica de la Morena

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