Wir müssen uns endlich mal entscheiden
Impuls zum 5. Fastensonntag, Lesejahr A
Zenit.org, 31. März 2017, Peter von Steinitz
Im heutigen Sonntagsevangelium lesen wir, wie kurz vor dem Leiden des Herrn sich jene Aufsehen erregende Szene in Bethanien abspielt, die endgültig zum Eklat führen sollte. Jesus will erreichen, dass die Menschen sich für oder gegen ihn entscheiden, ja dass sie uneingeschränkt an ihn glauben. Die Pharisäer aber wollen ihn zur Strecke bringen.
Seit Tagen hat sich das Netz über ihm zusammen gezogen. Immer deutlicher zeigen die Pharisäer ihm ihre Feindschaft. Mehr denn je sind sie darauf aus, ihn in einem Wort zu fangen, ihn buchstäblich aufs Kreuz zu legen, um ihn der Häresie zu beschuldigen. Andererseits macht Jesus keine Kompromisse. Er heilt auch am Sabbat. Dass so etwas am Sabbat verboten sei, ist nicht Gottes Gebot. Er versucht, ihnen klar zu machen, dass sie vielfach Menschensatzung an die Stelle von Gottes Gesetz stellen.
Jesu Taktik ist nicht die des Appeasement. Um des lieben Friedens willen lässt er keine Abstriche an dem zu, was wahr und notwendig ist vor Gott. Manchmal könnte man fast meinen, dass er den Streit sucht, dass er vorzugsweise am Sabbat heilt, um die Pharisäer zu provozieren.
So versteht man auch, wie er, der doch der Friedensstifter schlechthin ist, sagen kann: “Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert” (Mt 10,34). Dieses “zweischneidige Schwert”, das oft notwendig ist, um die Ideen zu klären. Manchmal ist das schmerzhaft, aber auch dann ist sein Handeln von der Liebe bestimmt, weil es für uns schädlich wäre, in der leider üblichen Mischung von Irrtum und Wahrheit zu verharren.
Manchmal wünscht man sich das im öffentlichen Leben, dass da jemand wäre, der das Wahre vom Falschen, das Gute vom Schlechten trennt. Soziale Hilfeleistung von Gewinnstreben, Solidarität mit den Leidenden von dem Wunsch nach Publicity, Gesetzestreue von dem Bestreben, wieder gewählt zu werden usw.
Damit macht Jesus sich nicht bei allen beliebt, obgleich er tatsächlich nur mit den Stolzen und Hartherzigen unsanft redet. Obwohl er vom Himmlischen Vater gesandt und beglaubigt ist, und obwohl die Schriften im vorab von ihm reden, weiss er, dass viele ihn nicht annehmen werden, nicht “zu ihm kommen wollen, um das Leben zu haben” (vgl. Joh 5,40). Und dann sagt er das tragische Wort: “Wenn aber ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, dann werdet ihr ihn anerkennen” (Joh 5,43).
Dieser “andere” ist nach Auffassung der Kirchenväter der Antichrist, der gegen Ende dieser Weltzeit auftreten und die Menschen von Gott weg und zum Bösen führen wird. Dass wir Menschen eher den Antichristen, den Sohn des Abgrunds, als Christus, den Sohn Gottes annehmen, spricht wahrhaftig nicht für uns. Aus den Worten Jesu klingt eine unsagbar tiefe Enttäuschung über die Menschen.
In der Liturgie erleben wir in wenigen Tagen ein Vorspiel auf diese Entwicklung der Dinge in der Verurteilung Jesu, wo die Menge, die eben noch “Hosanna dem Sohne Davids” rief, Jesus zurückweist und den Mörder Barabbas ihm vorzieht.
Auch wir werden in dieser österlichen Busszeit dazu aufgefordert Stellung zu nehmen: für Christus oder gegen ihn.
Die ungeheuer aufwühlende Szene im Garten von Bethanien, als ein schon seit vier Tagen Toter, ein schon teilweise verwester Leichnam aus dem Grab hervortritt, sie soll nach dem Willen Jesu die Menschen zum Glauben an ihn führen. “Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt” (Joh 11,25).
Die Schilderung des Evangeliums ist wie immer nüchtern und sachlich. Emotionen werden in der Bibel grundsätzlich nicht mitgeliefert. Aber wir können es uns gut vorstellen, dass die Leute auf das Höchste erregt und beeindruckt sind, als sie sehen, dass dieser wandelnde Leichnam (“Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag” (Joh 11,39), sagt Martha zum Herrn) sich nach und nach wieder in seine Form findet, das laffe Fleisch wieder fest wird, das Leben zurückkehrt.
Und so extrem das Geschehen, so extrem die Reaktion der Leute. Die Freunde Jesu lassen ihrer Begeisterung freien Lauf, seine Feinde werden in ihrem Hass ganz und gar verbittert.
Es ist etwas Furchtbares um diesen Gotteshass. In ihrer klaren Erkenntnis, dass Jesus der Sohn Gottes ist, wollen sie ihn vernichten. Eine schlimmere Verirrung ist nicht vorstellbar.
Maria, die Mutter, befindet sich in diesen Tagen im Hintergrund. Sie ahnt, was geschehen wird und leidet mit ihrem Sohn. Zugleich aber ist sie voller Verständnis für diejenigen, die sich immer noch schwer damit tun, sich ganz und gar für Christus zu entscheiden.
Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“. Der Fe-Medienverlag hat einige ZENIT-Beiträge vom Autor als Buch mit dem Titel „Der Stein, den die Bauleute verwarfen“ herausgebracht.
Schreibe einen Kommentar