Dienstag der 1. Adventswoche

Aus dem Heiligen Evangelium nach Lukas 10,21-24

In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand weiss, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiss, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.

Jesus wandte sich an die Jünger und sagte zu ihnen allein: Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht.
Ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.

Kommentar zum heutigen Evangelium
 Sel. John Henry Newman (1801-1890), Theologe und Kardinal, Gründer der Oratorianergemeinschaft in England
„Warten auf Christus”, Predigten zu verschiedenen Anlässen, Nr.3

Selig sind die Augen, die sehen was ihr seht!

Während der Jahrhunderte bevor Jesus auf die Erde kam, füllten alle Propheten, einer nach dem anderen, ihren Platz aus, oben auf dem Wachturm. Alle erwarteten seine Ankunft und hielten Ausschau danach im Dunkel der Nacht. Unaufhörlich hielten sie Wache, um den ersten Schimmer des Morgenrots zu erhaschen […] „Gott, du mein Gott, dich suche ich, seit dem Morgenrot. Meine Seele dürstet nach dir im dürren, lechzenden Land ohne Wasser“ (vgl. Ps 62[63],2) […] „Reiss doch den Himmel auf und komm herab. Die Berge würden in deiner Gegenwart zittern wie unter einer Feuersbrunst […] Seit Anbeginn der Welt, mein Gott, hat noch kein Auge zu schauen vermocht die Wunder, die du denen bereitet hast, die mit dir in Erwartung deiner verbunden sind“ (vgl. Jes 64,1; vgl. 1 Kor 2,9).

Indessen, wenn jemals Menschen das Recht hatten, sich an diese Welt zu binden und an ihr Interesse zu haben, dann waren dies sehr wohl jene Diener des Herrn. Die Erde war ihnen gegeben worden, um sie untereinander zu teilen, und nach den Verheissungen des Allerhöchsten selbst sollte sie ihre Belohnung sein. Aber unsere Belohnung betrifft die kommende Welt […] Und auch sie, die grossen Diener Gottes, haben das irdische Geschenk des Herrn, trotz seines Wortes, verschmäht, um sich an noch schönere Verheissungen zu binden. Was sie besassen, opferten sie um dieser Hoffnung willen. Sie gaben sich mit nichts weniger zufrieden, als mit der Fülle ihres Schöpfers. Sie hielten Ausschau nach dem Antlitz ihres Befreiers. Und sollte deswegen die Erde in Trümmer gehen, der Himmel zerreissen, die Elemente der Welt sich auflösen, nur damit er endlich erschiene, sollte alles in sich zusammenstürzen – besser, als weiterhin ohne ihn zu leben! So heftig war das Verlangen der Verehrer Gottes in Israel, die dessen harrten, der kommen sollte […] Ihre Hartnäckigkeit ist ein Beweis dafür, dass es etwas zu erwarten gab.

Auch die Apostel standen, als ihr Meister gekommen und wieder gegangen war, den Propheten in nichts nach in der Schärfe ihrer Wahrnehmung und der Glut ihres Verlangens. Das Wunder der beharrlichen Erwartung hat sich fortgesetzt.

Lesungen

Buch Jesaja 11,1-10

Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.
Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.
Er erfüllt ihn mit dem Geist der Gottesfurcht. Er richtet nicht nach dem Augenschein, und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er,
sondern er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes.
Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib.
Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten.
Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind.
Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange.
Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.
An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais sein, der dasteht als Zeichen für die Nationen; die Völker suchen ihn auf; sein Wohnsitz ist prächtig.

Psalm 72(71),1-2.7-8.12-13.17

Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König,
dem Königssohn gib dein gerechtes Walten!
Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit
und deine Armen durch rechtes Urteil.

Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen
und grosser Friede, bis der Mond nicht mehr da ist.
Er herrsche von Meer zu Meer,
vom Strom bis an die Enden der Erde.

Denn er rettet den Gebeugten, der um Hilfe schreit,
den Armen und den, der keinen Helfer hat.
Er erbarmt sich des Gebeugten und Schwachen,
er rettet das Leben der Armen.

Sein Name soll ewig bestehen;
solange die Sonne bleibt, sprosse sein Name.
Glücklich preisen sollen ihn alle Völker
und in ihm sich segnen.

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