Wollen wir denn gerettet werden?

Impuls zum 21. Sonntag im Jahreskreis C — 21. August 2016

Sedes sapientiae

Zenit.org, 21. August 2016, Peter von Steinitz

Im heutigen Evangelium wird an Jesus eine Frage gerichtet, die uns eigentlich alle brennend interessieren müsste: „Herr sind es nur wenige, die gerettet werden?“

Stellen wir uns vor, ein Mensch unserer Zeit hätte ihn danach gefragt. Zunächst müssten wir zugeben, dass es unwahrscheinlich wäre, dass ein Christ aus unserem Wohlstandsdeutschland eine solche Frage gestellt hätte. Denn im heutigen weichgespülten Christentum ist es doch eigentlich schon selbstverständlich, dass alle in den Himmel kommen.

Wieso überhaupt ‚gerettet‘? Wovon sollen wir gerettet werden? Von der ewigen Verdammnis?

Aber bitteschön, dieses Wort wollen wir nicht noch einmal hören. Es ist politically völlig incorrect.

Natürlich ist es keine gute Pastoral, wenn man den Menschen eine ‚Drohbotschaft‘ präsentiert: wenn du die Gebote nicht hältst, kommst du in die Hölle.

Aber das Gegenteil ist genauso falsch. Haben wir uns nicht schon gar zu sehr daran gewöhnt, dass man nicht mehr von Sünde spricht? Dass man die Texte aus der Hl. Schrift ‚abmildert‘ bzw. weglässt, damit die Leute nicht erschrecken. Man denke an das ernste Pauluswort bezüglich der Eucharistie: „Wer aber unwürdig von diesem Brot isst und von diesem Kelch trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht“ (1 Kor 11,27).

Da im Glauben alles miteinander zusammen hängt, wird es sich früher oder später rächen, wenn man wichtige Elemente ausklammert. Da es ‚unwürdige Kommunion‘ de facto nicht mehr gibt, ist auch für viele die Diskussion unverständlich, ob dieser oder jener zur Kommunion ‚zugelassen‘ werden darf. Dann erscheint dies nur noch als eine Ungerechtigkeit, die es zu überwinden gilt.

Die Frage, ob wenige, viele oder alle gerettet werden, ist dem Herrn aber offensichtlich wichtig. Er gibt eine indirekte Antwort: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen: denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen“ (Lk 13,24).

Wenn es also nicht so einfach ist, und es vielen nicht gelingen wird, obwohl sie sich bemühen, muss es doch wohl Anforderungen geben, die wir erfüllen müssen. Das ist doch auch im irdischen Leben so. Wer sich nicht mit dem schwierigen Jura-Studium abmüht, wird nicht ein guter Anwalt sein, wer nicht seine Stimme gut ausbildet, wird kein gefeierter Opernstar sein, und wer nicht eifrig trainiert, wird bei der Olympiade sicher keine Medaille gewinnen.

Aber das ewige Leben, die Glückseligkeit bei Gott, soll uns ohne Anstrengung in den Schoss gelegt werden? Das kann es doch nicht sein.

Wie diese ‚Anstrengung‘, um den Himmel zu gewinnen, sein soll, sagt der Herr immer wieder. Es ist eigentlich der Kern seiner Botschaft vom Reich Gottes. Zunächst einmal muss es uns als besonders erstrebenswert erscheinen, wie ein Schatz im Acker, wie die kostbare Perle.

Da fängt es schon an: viele Christen haben überhaupt keinen Begriff vom Himmel. Wann hört man mal eine Predigt über das Pauluswort „Unsere Heimat ist im Himmel“? (Phil 3,20).

Paulus sagt: „Wir verkündigen, wie in der Schrift steht: Was kein Auge je gesehen und kein Ohr jemals gehört, was keinem Menschen je in den Sinn kam, das hält Gott für die bereit, die ihn lieben.“ (1 Kor 2,9). Irdische Freuden sind im Vergleich zum Himmel nichts – stercor, sagt Paulus drastisch: Unrat.

Vielleicht wird es uns einmal sehr töricht vorkommen, dass die Christen unserer Zeit von den Segnungen des Wohlfahrtsstaates so fasziniert sind, dass sie nicht mehr auf die Idee kommen, die Augen zum Himmel zu erheben.

Und die Verkündigung bewegt sich leider fast ausschliesslich in horizontaler Richtung. Den Nächsten lieben und ihm Gutes tun – natürlich wichtig. Aber Gott lieben ist noch wichtiger. Wer spricht davon? Immer mehr läuft es auf einen blossen Humanismus hinaus.

Jesus wurde immer wieder gefragt: Welches ist das grösste Gebot im Gesetz? Und er antwortet jedesmal mit dem ‚Höre Israel!‘. Die Liebe zu Gott kommt zuerst, dann die Nächstenliebe. Und es bleibt dabei: alles hängt zusammen. Ich kann den Nächsten nicht wirklich lieben, wenn Gott mir nichts bedeutet. Wenn ich Gott tatsächlich liebe, werde ich an seinen Geboten nicht vorbei gehen, besonders wenn ich verstanden habe, dass die Gebote mir gut tun, nicht ihm.

Wir erleben in den letzten Jahren ausserdem – auch im kirchlichen Raum – einen Ausverkauf der Werte. Vieles von dem, was früher galt, gilt anscheinend nicht mehr. Hier heisst es tatsächlich: wachsam sein. Nicht nur manche unerleuchtete Theologen, sondern auch einige Bischöfe, ja Kardinäle geben zu verstehen, dass wesentliche Aussagen des Glaubens und der Moral, heute anders gesehen werden können als früher. Oft bedient man sich dabei unpräziser Sprachhülsen. Manches bleibt bewusst vage, und der einfache Gläubige weiss nicht, woran er denn nun genau ist.

Maria wird als Besiegerin der Irrlehren verehrt. Wenn wir im Zweifel sind, ob eine Aussage richtig oder falsch ist, gehen wir zu ihr, der ‚Sedes Sapientiae‘, und bitten wir sie um Klarheit. Denn schliesslich möchte man der ewigen Glückseligkeit nicht verlustig gehen, nur weil eine Stimme in der Kirche nicht die Stimme des guten Hirten gewesen ist.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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