Von der wahrhaft christlichen Meditation
Besonders bei der Jugend wächst in unserer – wie es scheint – bereits nach-materialistischen Zeit wieder der geistige Hunger nach Gott
Quelle
Vatikan: Über einige Aspekte der christliche Meditation
Hinweis/Quelle: Der Beitrag wurde bereits im Jahr 1990 verfaßt und 1997 erstmals ins WEB gestellt. Am 24. Januar 2008 konnte erstmals auf Deutsch der volle Text des Schreibens der Glaubenskongregation im Internet publiziert werden.
Besonders bei der Jugend wächst in unserer – wie es scheint – bereits nach-materialistischen Zeit wieder der geistige Hunger nach Gott. Bestimmte rein auf das Diesseits ausgerichtete Werte, die lange Zeit vertreten wurden, werden radikal in Frage gestellt.
Bekommt der suchende Mensch dann keine Antwort auf seine Fragen, so kann er entweder verzweifeln oder der Versuchung des Konsum- und Genussrausches unterliegen. Aber auch manche geistige Antworten, die er zu finden glaubt, erweisen sich als trügerisch: Denken wir nur an die vielen Ideologien. Selbst gewisse Formen der Meditation können anstatt zu Gott hin in Wirklichkeit von ihm weg führen: Der Hinweis auf das Sektenwesen, besonders die sogenannten „Jugendreligionen“, und die New Age-Bewegung soll genügen.
Die Sehnsucht nach Gott im Herzen vieler Menschen ist echt. Um zur wirklichen Erfüllung zu gelangen, brauchen sie jedoch Wegweiser.
Der Orientierung in diesen Fragen möchte das am 14.12.1989 veröffentlichte Schreiben der Glaubenskongregation an die Bischöfe der Weltkirche „über einige Aspekte der christlichen Meditation“ dienen. Es trägt das Datum vom 15. Oktober 1989, dem Festtag der heiligen Theresia von Avila. Im folgenden eine kommentierende Zusammenfassung.
Können ausserchristliche – insbesondere fernöstliche – Meditationsmethoden das christliche Gebet und die christliche Betrachtung bereichern, wie oft behauptet wird?
Für eine Antwort ist es nötig, sich auf das Wesen des christlichen Betens zu besinnen:
Das christliche Gebet entspricht der Struktur des Glaubens. Auf eine freundschaftliche und das Tiefste im Menschen ansprechende Weise begegnet der Beter seinem Gott, der ihn und den ganzen belebten und unbelebten Kosmos geschaffen hat. Er hat sich ihm auch geoffenbart in seinem dreipersönlichen Geheimnis: Sein Sohn Jesus Christus ist ja durch die Kraft des Heiligen Geistes aus der Jungfrau Maria Mensch geworden, um durch die von ihm in Kreuzestod und Auferstehung gewirkte Erlösung seinen Heilsplan an der gefallenen Menschheit zu erfüllen. Das Gebet als Antwort des Sprechens Gottes zu uns in Schöpfung und Offenbarung steigt, getragen von der Gnade, zu Gott empor, so wie dieser zu uns herabgestiegen ist. Wenn der Christ betet, weiss er sich durch den Glauben in der Gemeinschaft der Kirche im Heiligen Geist. So eröffnet die christliche Meditation die Begegnung mit Gott und dem Nächsten.
Abweichungen von dieser Grundrichtung christlichen Betens hat es in der Geschichte der Kirche von Anfang an gegeben. So vertrat die „Pseudognosis“ bereits in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten die Lehre von einer angeblichen höheren Erkenntnis, die letztlich einer Selbsterlösung gleichkam. Ist nicht das von der New Age-Bewegung propagierte neue (selbsterworbene) Bewusstsein eine moderne Form dieser Gnosis? Der „Messalianismus“ identifizierte die Gnade des Heiligen Geistes mit einer besonderen, direkt gesuchten psychologischen Erfahrung des Göttlichen. Auch manche moderne Meditationstechniken wollen geistliche Erfahrung gleichsam produzieren, anstatt sie von Gott zu seiner Zeit als unverdientes Geschenk zu erwarten. Der Irrtum liegt nahe, dass ein Mensch von Gott dann wirklich verlassen sei, wenn ihm das religiöse Hochgefühl fehlt oder wenn er leiden muss. Hat aber nicht Christus selber am Kreuz die Traurigkeit der Gottverlassenheit durchlitten und war dabei doch völlig mit seinem Vater vereint? Nicht durch das Gefühl werden wir mit Gott eins, sondern durch seine Gnade, die er uns in seinem Sohn vor allem durch die Sakramente, sein Wort in der Heiligen Schrift und das Gebet zukommen lässt. Die Gnade vergöttlicht uns, schafft den neuen Menschen, ohne dabei unsere Geschöpflichkeit und persönliche Identität aufzuheben. Die Vereinigung mit Gott verwirklicht sich in der Liebe, in der die vollkommene Vereinigung mit der Verschiedenheit von Liebendem und Geliebtem in Einklang gebracht wird. In der christlichen Religion werden „alle im Gebet anderer Religionen präsenten Anliegen über jedes Mass hinaus erfüllt“.
Die geistlichen Lehrer der Kirche kennen drei Stufen auf dem Weg zur Vollkommenheit: Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung. Schon die nichtchristliche Spätantike wusste davon, allerdings nur in bruckstückhafter Ahnung und mit Irrtümern behaftet.
In der Reinigung geht es besonders um die Befreiung von der Anhänglichkeit an die Sünde, von jedem Mangel an Wahrheit und Liebe, um „den Willen Gottes in seiner Reinheit zu erkennen und anzunehmen.“ Ein „Leerwerden“ darf nicht blosse Leere bedeuten, sondern ist als Verlassen der äusseren Welt und als Einkehr bei sich selbst zu verstehen. Doch auch sich selbst muss der Mensch schliesslich hinter sich lassen, um Gott zu finden. Gott ist nämlich in uns und mit uns, aber er überschreitet uns in seinem Geheimnis, wie der grosse heilige Kirchenlehrer und Bischof Augustinus von Hippo (+ 430) lehrt.
Unsere Erleuchtung hat anfanghaft schon in der Taufe begonnen. „Keine göttliche Erleuchtung macht die Wahrheiten des Glaubens überflüssig.“ Die glaubensmässige Einsicht in das gesamte Mysterium Christi soll daher im Leben ständig wachsen.
Die Vereinigung mit Gott schliesslich bleibt Geschenk und ist keine machbare Technik. Ihr objektiver Beginn sind die Sakramente, zumal Taufe und Eucharistie. Nur in besonderen Fällen ist sie mit ausserordentlichen mystischen Gnaden verbunden, die zum Beispiel Gründern kirchlicher Institute geschenkt wurden, denken wir nur an die aussergewöhnliche Erkenntnis der Transparenz („Durchsichtigkeit“) der Schöpfung auf Gott hin beim hl. Franz von Assisi. Die Gaben des Heiligen Geistes schliesslich, die von jedem Christen „durch ein eifriges Leben in Glaube, Hoffnung und Liebe“ verlebendigt werden sollen, sind sowohl von den ausserordentlichen mystischen Gaben als auch von den Charismen zu unterscheiden. Die letzten werden nach Gottes freier Wahl vor allem zugunsten des Aufbaus der Kirche, also für andere, gegeben (vgl. 1 Kor 12,7).
In der heutigen Praxis wird grosses Augenmerk auf bestimmte körperbezogene Meditationsmethoden gelegt. Die „Erfahrung zeigt, dass Stellung und Haltung des Körpers nicht ohne Einfluss auf die Sammlung und Bereitschaft des Geistes sind.“ Nicht jede Haltung ist gleich gut geeignet, die Sammlung herbeizuführen und die innere Haltung der Anbetung auszudrücken. Allerdings gibt es durchaus eine Verschiedenheit der Formen „je nach der Kultur und dem persönlichen Empfinden.“ Besondere Wertschätzung sollte wohl wieder das vielerorts unmodern gewordene Knien bekommen. Besonders in der östlichen Kirche wurde der sogenannte „psychophysische Symbolismus“ beachtet, wie beim „Jesusgebet“, das sich dem natürlichen Atemrhythmus anpasst. Bei bestimmten Methoden besteht aber die Gefahr eines Körperkults, der „alle seine Empfindungen fälschlich mit geistlichen Erfahrungen“ gleichsetzt. „Das hebt freilich die Tatsache nicht auf, dass echte Praktiken der Meditation, die aus dem christlichen Osten und aus den nichtchristlichen Hochreligionen stammen und auf den gespaltenen und orientierungslosen Menschen von heute Anziehungskraft ausüben, ein geeignetes Hilfsmittel für den Betenden darstellen können, sogar mitten in äusserem Trubel innerlich entspannt vor Gott zu stehen.“
An der Ermöglichung des besseren Zugangs zu Christus muss sich jede Methode messen lassen. Denn nur Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6). Er hat uns den Zugang zu Gott, dem Vater eröffnet. Niemand darf sich anmassen, sich Gottes zu bemächtigen. Die Jungfrau und Gottesmutter Maria hat diese Wahrheit gläubig vorgelebt: Je näher ein Geschöpf dem dreimal heiligen Gott treten darf, desto mehr wachsen auch Ehrfurcht und anbetende Liebe!
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