“Gehorsam meinem Nachfolger gegenüber stand nie in Frage”

Interview mit Benedikt XVI.: „Eine väterlich-brüderliche Beziehung“

mexiko kubaQuelle
28. Februar 2013 – Verabschiedung vom Kardinalskollegium

Mexiko und Kuba haben den Ausschlag gegeben: Im März 2012 war Papst Benedikt XVI. dort zum Pastoralbesuch, die Anstrengungen dieser Reise haben ihn zur Einsicht gebracht, dass ein Amtsverzicht als Papst unvermeidlich ist. Das berichtet der emeritierte Papst in einem ausführlichen Interview mit der Zeitung La Repubblica, das an diesem Mittwoch veröffentlicht wurde.

In einer schwierigen Situation sei es das Beste, sich vor Gott zu stellen um den Weg voran im Glauben zu finden, so der emeritierte Papst. Natürlich habe er sein Amt fortsetzen wollen und etwa mit der Enzyklika über den Glauben die Reihe beenden wollen, die mit Deus caritas est begonnen habe. „Für 2013 waren aber so viele Aufgaben vorgesehen, die ich nicht bis zum Ende hätte durchhalten können“, berichtet er von seiner damaligen Einschätzung.

Nicht mehr in der Lage gesehen

Der Knackpunkt sei die Reise nach Mexiko und Kuba 2012 gewesen, „danach habe ich mich nicht mehr in der Lage gesehen, eine so anstrengende Reise noch einmal zu machen.“ Für 2013 war aber der Weltjugendtag in Rio vorgesehen. „Wie es Johannes Paul II. für diese Weltjugendtage vorgegeben hat, ist die physische Anwesenheit des Papstes unerlässlich.“ Das habe dazu beigetragen, dass er die Amtsaufgabe als eine Pflicht angesehen habe. Er sei damals zuversichtlich gewesen, dass das ‚Jahr des Glaubens’ auch nach seiner Amtszeit gut zu Ende geführt werden könnte, „ich hatte die feste Überzeugung, dass mein Nachfolger, wie es dann ja auch geschehen ist, den Willen des Herrn tun und die von mir begonnene Initiative zu einem guten Ende führen könnte.“

Der emeritierte Papst wird noch einmal nach dem genauen Zeitpunkt gefragt, wann er sich entschieden habe, das Amt aufzugeben, schließlich habe er ja schon zu Beginn seiner Amtszeit sein Pallium in l’Aquila auf den Sarkophag von Papst Coelestin V. nieder gelegt, einem ebenfalls zurück getretenen Papst. Benedikt XVI. präzisiert, wieder mit Blick auf die schon angesprochene Reise: In den Tagen von Mexiko und Kuba „habe ich sehr stark die Grenzen meiner physischen Kraft erfahren.“ Darüber habe er mit seinem Arzt gesprochen und sei schließlich zur Überzeugung gekommen, dass er nicht mehr am Weltjugendtag in Rio teilnehmen werde können. „Von dort an musste ich in relativ kurzer Zeit über das Datum meines Rückzugs entscheiden.“

Dienst des Betens

Dass er sich dann entschieden habe, im Vatikan zu bleiben, sei kein Zufall. Das Kloster Mater Ecclesiae [wo der emeritierte Papst nach seinem Amtsverzicht wohnt] habe er immer wieder besucht und dort Messe gefeiert. Papst Johannes Paul II. habe das Haus, das vorher dem Direktor von Radio Vatikan als Unterkunft gedient hat, in einen Ort des Gebetes verwandelt. Nachdem die Schwestern, die dort lebten, das Haus verlassen hatten, sei ihm die Idee gekommen, seinen Dienst für die Kirche durch das Gebet genau dort fortzusetzen.

„Von Anfang meines Pontifikates an war ich mir meiner Grenzen bewusst und habe sie angenommen,“ erinnert sich der emeritierte Papst. Er habe viel Unterstützung erfahren, im Gebet, durch die Fürsprache von Heiligen, aber auch durch Briefe aus der ganzen Welt, von bekannten wie gänzlich unbekannten Menschen. „Von daher kam auch in schwierigen Momenten die Zuversicht und die Überzeugung, dass die Kirche vom Herrn geleitet wird.“ Deswegen sei es ihm leicht gefallen, seine eigene Aufgabe in die Hände des Herrn zurück zu geben.

Die Zuneigung des Papstes für seinen Vorgänger

„Der Gehorsam meinem Nachfolger gegenüber stand nie in Frage“, bezieht sich der emeritierte Papst auf sein Versprechen aus seiner letzten Ansprache, am 28. Februar 2013, vor den Kardinälen. Nach der Wahl von Papst Franziskus habe sich eine „tiefe Gemeinschaft und Freundschaft“ entwickelt. „Im Augenblick seiner Wahl habe ich wie viele das spontane Gefühl tiefer Dankbarkeit für die Vorsehung gehabt.“ Nach zwei Päpsten aus Zentraleuropa sei durch diese Wahl der Blick noch mehr auf die universale Kirche gefallen, „eine weitere, katholischere Gemeinschaft“.

Die Dankbarkeit bezieht sich aber nicht nur auf diese Weitung, erklärt Benedikt XVI. „Sofort nach seiner Wahl hat (Papst Franziskus) versucht, mich per Telefon zu erreichen. Nachdem ihm das nicht gelungen ist, hat er noch einmal angerufen, sofort nach der Begegnung mit der weltweiten Kirche vom Balkon von Sankt Peter aus und er hat sehr herzlich mit mir gesprochen“, erzählt er von den Momenten am 13. März 2013. Seitdem habe sich eine „wunderbare väterlich-brüderliche“ Beziehung entwickelt. „Vor fast allen grossen Reisen besucht mich der Papst,“ berichtet er, die Gewogenheit ihm gegenüber empfinde er als großes Geschenk. „Was er über die Verfügbarkeit anderen Menschen gegenüber sagt, das setzt er mir gegenüber um.“

Das Interview – wie Autor Elio Guerrireo betont – ist vom emeritierten Papst gegengelesen und gut geheißen.

(la repubblica/rv 24.08.2016 ord)

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