Papst Franziskus zum Brexit
Die Europäische Union braucht angesichts des Brexits eine „neue Form“
Quelle
Sie haben bis zuletzt nichts verstanden
Die Europäische Union braucht angesichts des Brexits eine „neue Form“; die Kirche sollte homosexuelle Menschen wegen Diskriminierungen in der Vergangenheit um Entschuldigung bitten; und „es gibt nur einen Papst, der andere ist emeritiert“. Das sind einige Aussagen von Papst Franziskus während der Pressekonferenz auf dem Rückflug von Armenien nach Rom am Sonntag Abend.
„In Europa herrscht längst Krieg“, so Franziskus – Träger des diesjährigen Karlspreises – auf eine Frage nach dem Brexit. „Es herrscht eine Atmosphäre der Spaltung, und zwar nicht nur in Europa. Ich habe nicht im Detail untersucht, warum die Engländer diese Entscheidung getroffen haben, (doch) ich sehe den Gedanken der Emanzipierung dahinter – das ist schon verständlich.
Eine Balkanisierung ist aber keine Emanzipierung! Und Brücken sind besser als Mauern. All das muss uns zum Nachdenken bringen; wir müssen kreativ sein und auch eine gewisse gesunde „Des-Union“ zulassen, also den Ländern der Union mehr Unabhängigkeit und Freiheit geben. Und eine andere Form der Union. Da stimmt doch etwas nicht in dieser grossen Union…“
Der Papst erläuterte, warum er während seines Armenien-Besuchs das Wort „Genozid“ ausgesprochen hatte, das eigentlich nicht in den vorbereiteten Redetexten stand. Er kenne „kein anderes Wort“ für das, was vor hundert Jahren dem armenischen Volk angetan worden sei. Schon letztes Jahr habe er bei einem Gottesdienst im Petersdom von „Völkermord“ gesprochen. „Wenn ich das jetzt (in Armenien) nicht getan hätte, dann wäre das doch sehr seltsam gewesen… Aber ich will etwas anderes unterstreichen: Sowohl bei diesem Völkermord als auch bei den beiden anderen (im 20. Jahrhundert) haben die Grossmächte weggesehen!“
Franziskus wurde auf eine Forderung von Kardinal Reinhard Marx angesprochen. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz tritt für eine Bitte der Kirche um Entschuldigung gegenüber homosexuellen Menschen für ihre Marginalisierung in der Vergangenheit ein. „Ich unterstreiche weiterhin, dass Homosexuelle nicht diskriminiert werden dürfen, sondern pastoral begleitet werden sollen. Die Frage ist: Wenn ein Mensch so fühlt und dabei guten Willens ist und Gott sucht, wer sind wir, um zu urteilen? Ich glaube, die Kirche sollte die Homosexuellen dafür um Entschuldigung bitten, wie sie behandelt worden sind – (auch) die Armen, die missbrauchten Frauen. Um Vergebung bitten dafür, dass wir so oft Waffen gesegnet haben. Vergebung, Herr! Das ist ein Wort, das wir so sehr vergessen.“
Auch auf die Äusserung von Kurienerzbischof Georg Gänswein zum „geteilten Papstamt“ ging Franziskus ein. „Benedikt XVI. ist der emeritierte Papst… Ich habe oft gesagt, dass es eine Gnade ist, einen weisen Grossvater zu Hause zu haben. Ich habe gehört, dass einige zu ihm gegangen sind in den Vatikan, um sich über den neuen Papst zu beschweren – und er hat sie weggejagt, auf bayerische Art! Er hat die Tür für emeritierte Päpste geöffnet. Aber es gibt nur einen Papst – der andere ist emeritiert.“
Schliesslich verriet der eine Papst noch, dass er bei seinem Besuch im früheren Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im Juli keine Rede halten will. Die Visite solle „mit wenigen Worten, im Schweigen“ ablaufen. „Ich würde gerne allein hineingehen und beten. Und möge mir der Herr dann die Gnade der Tränen geben.“
Es gab noch einige andere Akzente, die der Papst auf seiner fliegenden Pressekonferenz setzte. So würdigte er auf die Frage eines deutschen Journalisten hin den deutschen Reformator Martin Luther (1483-1546), dessen Absichten ja „nicht falsch“ gewesen seien, wenn auch „vielleicht einige Methoden nicht richtig“ gewesen seien. Luther habe zu seiner Zeit gegen eine korrupte und verweltlichte Kirche protestiert, die „kein Modell zum Nachahmen“ gewesen sei, so der Papst.
Und er würdigte das panorthodoxe Konzil, das am Sonntag auf Kreta zu Ende ging, als einen „Schritt nach vorn“: Aus seiner Sicht sei „das Resultat positiv“. Natürlich sei nicht alles „hundertprozentig“ geglückt, aber das verhalte genauso wie bei kleinen Kindern: Die krabbelten erst, so gut es eben ginge, und dann könnten sie erste Schritte tun.
rv 27.06.2016 sk
Schreibe einen Kommentar