Orthodoxes Konzil

Orthodoxes Konzil: „Leere Stühle lassen sich nicht ignorieren”

Quelle
Griechenland: Orthodoxes Konzil geht zu Ende
Orthodoxe Kirchen

Das historische panorthodoxe Konzil geht an diesem Sonntag auf Kreta zu Ende, am Samstag war der letzte Arbeitstag. Unser Kollege Stefan von Kempis hat das Konzil die vergangene Woche intensiv beobachtet. Im Gespräch berichtet er, was genau geschehen ist und was besprochen wurde.

Stefan von Kempis:Vor allem ist das Konzil überhaupt zusammengetreten – das ist aus meiner Sicht die Haupt-Nachricht dieser letzten acht Tage. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios hat sich über hinhaltenden Widerstand aus vier orthodoxen Landeskirchen hinweggesetzt; und das ist nicht wenig, wenn man bedenkt, dass die ferngebliebene, also auf dem Konzil nicht vertretene russisch-orthodoxe Kirche die zahlenmässig weitaus grösste und wichtigste ist. Dagegen wirkt das Ökumenische Patriarchat, auch wenn es den historischen Vorrang hat, geradezu zwergenhaft.

Bartholomaios hat es also darauf ankommen lassen und das Konzil durchgeführt. Und zwar so, wie das alle orthodoxen Landeskirchen – auch die abwesenden – in den letzten Jahrzehnten und noch im Januar 2016 einvernehmlich vorgesehen hatten. Das ist ein starkes Signal, dass nicht alle Orthodoxen weltweit nach der Pfeife des mächtigen russischen Patriarchats tanzen wollen. Ein Signal für den Willen, innerorthodoxe Probleme zu besprechen und zu lösen. Die orthodoxe Kirche legt theologisch immer schon Wert darauf, dass sie „konziliar“ und „synodal“ verfasst ist; wenn sie das Konzil jetzt wieder verschoben hätte, dann hätte sie sich – so formuliert der Sprecher von Patriarch Bartholomaios, John Chryssavgis, ‚einfach lächerlich gemacht‘.“

Radio Vatikan: Die Dokumente sind noch nicht veröffentlicht, das geschieht erst in der kommenden Woche, doch kann man schon sagen, wo es theologisch hingeht?

Kempis: „Im Detail wird man das erst sagen können, wenn die Texte mit den Änderungen, die während des Konzils vorgenommen wurden, veröffentlicht worden sind. Das wird wohl am Montag oder Dienstag der Fall sein, dann startet die Analyse. Allzuviel sollte man als nicht-orthodoxer Beobachter von diesen Texten aber auch nicht erwarten, denn sie sind in ihren Grundzügen schon vor Jahrzehnten verfasst worden und behandeln vorrangig interne orthodoxe Probleme: Da geht es um Fastenordnungen oder die Frage, welcher Patriarch kirchenrechtlich für emigrierte orthodoxe Gläubige etwa in Nordamerika zuständig ist. Am interessantesten ist wohl die „Botschaft“ oder „Enzyklika“, die das Konzil formuliert: der einzige Text, der jetzt aktuell redigiert wird und nicht auf alten Entwürfen fusst.

Das Konzil hat nur eine Woche gedauert – und nicht mehrere Jahre, wie das Zweite Vatikanische Konzil. Verabschiedet wurden nur wenige Texte. Immerhin sind zwei von ihnen sozusagen spiegelbildlich zu Texten des Zweiten Vatikanums: einmal ein Ökumene-Text, der gewissermassen „Unitatis Redintegratio“ und auch „Lumen Gentium“ entspricht; und zweitens ein Text zur Mission der orthodoxen Kirche, der Parallelen zu „Gaudium et Spes“ hat.“

RV: Obwohl im Januar alle orthodoxen Kirchen in Chambésy bei Genf gemeinsam die Vorbereitungsdokumente und die Vorgehensweise genehmigt haben, sind einige Kirche nicht nach Kreta gekommen. War das Bestandteil der Gespräche?

Kempis: „Ja, diese vier leeren Stühle liessen sich nicht ignorieren. Es hatte manchmal schon etwas vom Pfeifen im Walde, wenn Erzbischof Job von Telmessos, der regelmässig vor die Presse trat, darauf hinwies, es habe ja schon früher in der Kirchengeschichte Konzilien gegeben, zu denen wichtige orthodoxe „Player“ nicht erschienen seien. Und trotzdem seien diese Konzilien heute als verbindlich anerkannt – etwa das Konzil von Ephesus 431. Die Patriarchen, die nach Kreta gekommen waren, haben sich von den Abwesenden nicht ihre Agenda neu diktieren lassen. Aber erst, wenn man die fertigen Dokumente mit den vorgenommenen Änderungen sieht, wird man sagen können, ob dieses Konzil den Abwesenden Brücken gebaut hat, sozusagen nachträglich noch auf den Konzilszug aufzuspringen. Indem sie nämlich hinterher die Dokumente akzeptieren.“

RV: Welche Konsequenzen hat ihr Ausbleiben nun für das Konzil? Ist es überhaupt ein Konzil gewesen?

Kempis: „Ja, es war ein Konzil, das lässt sich sagen – und zwar von der Art der Einberufung und der Durchführung her. Es liegt auf einer Linie mit früheren Konzilien – ein wichtiges Kriterium –, alle orthodoxen Kirchen haben sich an der Vorbereitung beteiligt und waren eingeladen, es wurde ordnungsgemäss vom Ökumenischen Patriarchen als dem „Primus inter pares“ der orthodoxen Welt geleitet. Die entscheidende Frage ist eher: War es ein panorthodoxes, also ein für alle Orthodoxen allgemeinverbindliches, Konzil? Und das wird sich eben leider erst hinterher zeigen – je nachdem, wie die Ferngebliebenen jetzt auf die Ergebnisse von Kreta reagieren.

Man könnte auch fragen: War es schon das ganze Konzil? Aus dem Rückblick wird es vielleicht mal als Startpunkt eines ganzen konziliaren Prozesses in der orthodoxen Kirche erscheinen; in diesem Fall wären die letzten Tage auf Kreta nur so etwas wie das Präludium gewesen. Bartholomaios und einige andere Patriarchen sähen es gerne, wenn es zu regelmässigen Konzilien oder Synoden käme. Das böte die Chance, dass einige der jetzt ferngebliebenen Kirchen sich doch noch elegant in den Prozess einklinken. Mich erinnert das Ganze an die Bischofssynoden im Vatikan….“

rv 25.06.2016 sk

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel