„Die Kirche Chinas ist in meinem Herzen“

Am  Dienstag wird weltweit zum zehnten Mal der internationale Gebetstag für die Kirche in China begangen

Rom, Zenit.org,, 23. Mai 2016, Michaela Koller
Erster Weltgebetstag für die Kirche in China

An diesem Dienstag begehen Katholiken weltweit zum zehnten Mal den internationalen Gebetstag für die Kirche in China. Unweit der chinesischen Metropole Shanghai wird der Höhepunkt der traditionellen Mai-Wallfahrt zum grössten chinesischen Marienheiligtum Sheshan stattfinden. „Ich möchte, dass dieses Datum für euch ein Tag des Gebets für die Kirche in China werde“, schrieb im Mai 2007 Papst Benedikt XVI. mit Blick auf den 24. Mai, den Tag, an dem die Muttergottes als „Hilfe der Christen“ verehrt wird.

Gerade in diesem Monat wurde der höchste Kirchenbau Chinas, der 75 Meter in die Höhe ragt, in Kunchan in der chinesischen Provinz Jiangsu unter diesem Patrozinium eingeweiht. Seit dem 19. Jahrhundert ist dieses Fest unter chinesischen Katholiken tief in der Volksfrömmigkeit verankert. Der damalige Obere der Gemeinschaft der Jesuiten in Shanghai brachte die Verehrung Mariens unter diesem Namen in den 1860er Jahren auf den Berg von Sheshan. Bischof Adrien Languillat, auch ein Jesuit, weihte dort eine Kapelle dort am 1. März 1868. Die Basilika wurde nach einem Gelöbnis aus Dank für den Schutz vor dem Übergreifen des Taiping Aufstands errichtet. Dieser ging als blutigster Bürgerkrieg der Menschheit in die Geschichte ein. Die Basilika ist die älteste Ostasiens und zieht Pilger aus ganz Asien an.

Das Bild von der Muttergottes als Helferin der Gläubigen geht mindestens bis ins dritte Jahrhundert zurück und fand im 17. Jahrhundert eine weite Verbreitung vom Passauer Gnadenbild ausgehend, nachdem der österreichische Kaiser Leopold I., der 1683 dorthin geflohen war, gegen die Türkengefahr gebetet hatte. Papst Pius VII. war es, der das Fest Maria Hilfe der Christen auf den 24. Mai legte, an dem er im Jahr 1814 aus seiner Gefangenschaft durch Napoleon nach Rom zurückkehren durfte. Die lange historische Tradition zeigt damit die enge Verwobenheit von ursprünglich chinesischen Erfahrungen mit der Geschichte der Weltkirche.

Katholische Kirche in China begann im 13. Jahrhundert

Die Geschichte der katholischen Kirche in China begann bereits im 13. Jahrhundert mit Franziskanermissionaren, allen voran mit Giovanni da Montecorvino, der erster Erzbischof von Peking wurde. Eine erste nennenswerte Ausbreitung und Verwurzelung zeigte die Jesuitenmission, die Anfang des 17. Jahrhunderts mit Matteo Ricci begann. Modern formuliert könnte man feststellen, dass er einen Wissenschafts- und Kulturdialog in Gang brachte; er machte sich dazu am Kaiserhof als Mathematiker, Astronom und Kartograph unentbehrlich. Nach ihm war der deutsche Jesuit Adam Schall von Bell Leiter der astronomischen Behörde. Der Ritenstreit führte Anfang des darauffolgenden Jahrhunderts mit der Ausweisung der christlichen Missionare im Jahr 1722 zur ernsten Krise des Christentums in China.

Die Gründung der kommunistischen Volksrepublik China 1949 führte schliesslich zu Verfolgung und Willkür, sogar gegen chinesische Geistliche, die sich der staatlichen Kontrolle unterstellten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Bischof Bernardin Dong (gestorben 2007), der gegen den ausdrücklichen Wunsch Papst Pius XII. zum Bischof geweiht wurde. Trotz der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen wurde er zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

Aktuelle Situation

In den fünfziger Jahren errichtete die chinesische Führung eine eigene kirchliche Gemeinschaft samt Hierarchie, die Chinesische Katholische Patriotische Vereinigung. Sie orientiert sich in ihren gesellschaftlichen und personellen Entscheidungen vor allem an der Regierung. Anfang des Jahrtausends kam es zu einer Entspannung zwischen CKPV und Vatikan, da sich die Chinesen mit der Weihe von Bischöfen Zeit liessen, bis der Kandidat von Rom berufen wurde. Unerlaubte Bischofsweihen seit Mai 2006 verschlechterten die Beziehungen zwischen Peking und Rom wieder, bis der Brief Benedikts XVI. neue Ufer aufzeigte: Er zielte vor allem darauf ab, die Einheit unter den Katholiken in China zu stärken. Benedikt XVI. betonte darin, dass die Kirche nicht auf ein bestimmtes politisches System festgelegt und ihr nicht an einem andauernden Konflikt mit staatlichen Autoritäten gelegen sei. Einer sakramentalen Gemeinschaft zwischen Bischöfen und Priestern der Untergrundkirche sowie der offiziell anerkannten Hierarchie stehe nichts im Wege.

Den „Anspruch einiger vom Staat gewollter und der Struktur der Kirche fremder Organe und Einrichtungen“, die sich über die Bischöfe selbst stellten und das Leben der kirchlichen Gemeinde zu lenken“ suchten, wies er zurück. Die CKPV kommentierte das Schreiben anschliessend bitter, während die staatliche Religionsbehörde ihre eigenen Forderungen wiederholte: Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Taiwan und Anerkennung der unter staatlicher Kontrolle erwählten Hierarchie. Der damalige Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen, bemerkte jedoch zu dem Brief: „Ich bewundere das kostbare Gleichgewicht, das der Heilige Vater zwischen seiner Leidenschaft für die Wahrheit und der Liebe für seine Kinder hergestellt hat.“

Unter Papst Franziskus wurde der vatikanisch-chinesische Dialog im Sommer 2014 wieder aufgenommen, im Oktober vorigen Jahres fortgesetzt, sowie im Januar und im April. Die neue Regelmässigkeit spricht dafür, dass beiderseits ein echtes Interesse an Annäherung besteht sowie daran, das Trennende zu bearbeiten. „Der Weg endet, wenn Gott es will“, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin kürzlich zu den Verhandlungen in einem Interview mit dem San Francesco Magazin.

Alle Religionsgemeinschaften wachsen in China, besonders unter den jungen Menschen. Es sind wohl zwischen 300 und 400 Millionen Menschen, die der Atheismus nicht glücklich macht, darunter bis zu 100 Millionen Anhänger protestantischer Denominationen, gegenüber zwölf bis 14 Millionen Katholiken. Die Situation der Religionsfreiheit hat sich durch die Jahrzehnte hindurch gebessert. Die Kommunistische Partei kontrolliert jedoch weiterhin religiöse Aktivitäten von Christen, Buddhisten, Taoisten und Muslimen, die sie offiziell als Religionsgemeinschaften anerkannt hat. In der Kontrolle besteht aber die Einschränkung der Religionsfreiheit, kritisieren Menschenrechtler. Sie monieren auch, dass eine einheitliche Linie fehle. Nicht einmal die offizielle Registrierung schützt ihnen zufolge vor Strafe. Anhänger nicht registrierter Gemeinschaften geraten signifikant häufiger und heftiger in Schwierigkeiten mit den Behörden, was sogar zu Lagerhaft führen kann. Staatlich nicht anerkannte Hauskirchen stehen besonders stark unter Druck.

Der erste Religionskongress in China seit 15 Jahren fand in diesem April statt. Präsident Xi Jinping hielt dort eine zentrale Rede, in der er sehr deutlich vor religiösen Aktivitäten ausserhalb der Kontrolle der KP Chinas warnte. Parteimitglieder sollten nicht eigene Werte und Überzeugungen in den Religionen suchen, sondern im marxistischen Atheismus standhaft bleiben.

„Unsere Liebe Frau von Sheshan, unterstütze den Einsatz all derer, die in China unter den täglichen Mühen weiter glauben, hoffen und lieben, damit sie sich nie fürchten, der Welt von Jesus und Jesus von der Welt zu erzählen“, heisst es in dem Gebet, das Papst Benedikt XVI. schliesslich 2008, ein Jahr nach seinem berühmten Brief veröffentlichte.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte in diesem Jahr zum Gebetstag, die Religionsfreiheit werde in China heute mehr als früher anerkannt, allerdings bestünden weiterhin viele Einschränkungen. Als grosse Belastung für das kirchliche Leben bezeichnete er die staatliche Einmischung in kirchliche Angelegenheiten, unter anderem bei der Ernennung von Bischöfen, der Besetzung von Ämtern und der theologischen Ausbildung. Wie andere Beobachter wartet er mit Spannung auf den weiteren Verlauf der chinesisch-vatikanischen Gespräche ab.

Papst Franziskus rief beim Angelus am Sonntag die katholischen Gläubigen in China zusammen  mit Anhängern anderer Religionen dazu auf, als Zeichen der Versöhnung zu diene,  im Sinne einer Kultur des Dialogs und im Dienste einer Harmonie der gesamten Gesellschaft. Einem chinesischen Mädchen verriet er im Rahmen eins Buchprojekts, dass er jeden Tag vor einer Darstellung der Muttergottes von Sheshan für die Volksrepublik bete. Eine Replik der heutigen Statue der Muttergottes dort überreichte ihm Kardinal Tong Hon gleich nach dem Konklave im März 2013. Bei einer zufälligen Begegnung im Aufzug der Casa Santa Martha habe Franziskus ihm damals schon versprochen: „Die Kirche Chinas ist in meinem Herzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel