Amoris Laetitia: Auf eine Sehnsucht antworten
Nun wissen wir also, was Papst Franziskus über Ehe und Familie und Glaube und Lehre und die komplizierten Situationen denkt
Veröffentlicht am 8. April 2016
Nun wissen wir also, was Papst Franziskus über Ehe und Familie und Glaube und Lehre und die komplizierten Situationen denkt. Jetzt muss man den Text nur noch lesen. Kein leichtes Unterfangen, knapp 200 Seiten sind es und sehr, sehr viele Themen.
Was ist es also, was man unbedingt über Amoris Laetitia wissen muss, ohne alle 200 Seiten eifrig studiert zu haben?
Zuerst, dass es keine Antwort auf all die Fragen nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ist. Reden wir nicht drum herum, das fragen alle, das wollen alle wissen und die meisten werden nachdem sie gesehen haben, dass dazu keine Entscheidung im Text ist, das Schreiben als schwach, rückfällig, Kompromiss, gescheitert oder sonstwie ansehen.
Aber man muss das so klar sagen, darum geht es dem Papst auch gar nicht. Ich darf einmal zitieren: „Es geht nicht allein darum, Normen vorzulegen, sondern Werte anzubieten, und damit auf eine Sehnsucht nach Werten zu antworten“ (AL 201), es geht also in der Dynamik weiter, welche der Papst in Evangelii Gaudium begonnen hat.
Kurz und knapp: wer nur nach einer Entscheidung sucht, wird mit dem Text nicht glücklich.
Komplexe Situationen
Nun kann man ernsthaft fragen, warum Papst Franziskus dann überhaupt selber diese Debatte zu den wiederverheirateten Geschiedenen an den Anfang gestellt? Immerhin war es ja der Vortrag von Kardinal Kasper, der Anfang 2014 den Prozess begonnen hatte und bei dem Vortrag ging es ja unter anderem auch um einen Weg, wie mit wiederverheirateten Geschiedenen umzugehen ist.
Was davon geblieben ist, ist der Prozess. Das meine nicht nicht herabstufend, sondern ganz ernst. In gewisser Weise ist es ja völlig richtig, mit den komplexen Fragen zu beginnen, denn dort zeigt sich am klarsten, warum es geht und was eigentlich die Knackpunkte sind.
Aber dann ist der Prozess über zwei Jahre weiter gegangen. Die Fragen sind nicht verschwunden und niemand wird behaupten, dass sie nicht wichtig sind. Aber es hat sich heraus gestellt, dass noch einmal grundsätzlich über die ganze Breite des Themas Ehe und Familie gesprochen werden muss, in allen Konkretheiten, und nicht nur beschränkt auf eine oder zwei Fragen.
Und genau das tut das Papier jetzt.
Unterscheidung und Gewissen
Und es macht noch ein zweites, es gibt das Vorgehen vor. Der Papst ist ja sehr prozess-orientiert, das kennen wir aus Evangelii Gaudium schon, und genau so geht er auch hier vor. Die Stichworte hierfür sind „Unterscheidung“ und „Gewissen“, es geht also nicht um die Formulierung von Regeln, sondern um das Erkennen des Willens Gottes in der konkreten Situation. Auf die Wirklichkeit hören heißt, auf den Heiligen Geist zu achten. Und da kann dieses Dokument helfen. Es muss nicht alles von Rom aus entschieden werden, sagt der Papst ganz zu Beginn von Amoris Laetitia, nicht mehr eine Instanz entscheidet über alles, sondern sie stellt nach Beratungen und mit Blick auf Schrift und Tradition den Weg fest. Hier zeigt sich, was der Papst mit Synodalität meint. Es wäre interessant, dieses Dokument mal als Anwendungsbeispiel von Synodalität zu lesen, vielleicht mache ich das an dieser Stelle in der nächsten Zeit einmal.
Es bleibt die Frage, was genau Papst Franziskus mit diesem Dokument nun will. Mir sieht das ganz nach einem Anliegen aus, das der Papst schon in Evangelii Gaudium formuliert hat und das auch in Amoris Laetitia wieder vorkommt: die missionarische Umkehr. Die Pastoral muss erfahrbar machen, was der Glaube von der Familie zu sagen hat (AL 201). Und Pastoral ist nicht nur Anwendung von Grundsätzen, die woanders verhandelt werden, auf eine Realität. Pastoral ist Kommunikation, ist Unterscheidung, ist überhaupt der Ort, an dem Kirche Kirche ist. Nicht in den Büchern und Lehren, sondern im Leben der Menschen.
Und genau hierhin will Papst Franziskus mit seinen Gedanken führen.
Vielleicht kann man die Intention des Schreibens verkürzend so zusammen fassen: Das Ziel ist die Integration, die Einbeziehung aller. Der Modus dafür ist die Barmherzigkeit, die nicht nur eine Eigenschaft Gottes ist, sondern auch ein Kriterium um zu erkennen, wer Gottes Kind ist (AL 310). Diese Barmherzigkeit ist bedingungslos, weil alles andere das Evangelium verflüssigen würde (AL 311). Und das Mittel für diese Integration, der pastorale Weg, das ist die Unterscheidung und die Begleitung. Alles andere scheint mir an diesem Grundgerüst aufgehängt.
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