Israel über alles
Gegen den Iran-Deal: Trump konnte jetzt vor pro-israelischem Publikum punkten
Die Tagespost, 23. März 2016
Ein fester Bestandteil im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf sind die Auftritte der Kandidaten bei AIPAC, der pro-israelischen Lobby-Organisation. Sie gilt vielen Beobachter geradezu als Vorbild einer ebenso schlagkräftigen wie finanzstarken Organisation, die sich aufgrund ihrer Vernetzung im US-Kongress Gehör und Gefolgschaft zu verschaffen weiss. In der Regel überbieten sich die Redner bei ihren Auftritten dann in ihrer bedingungslosen Unterstützung für Israel. Die jetzt 18 000 Teilnehmer hören genau hin. Wie steht der Kandidat zur Frage Jerusalems? Soll die US-Botschaft aus Tel Aviv in die israelische Hauptstadt verlegt werden, obwohl der Ost-Teil der Stadt besetztes Gebiet ist? Welche Konzessionen soll Israel den Palästinensern gegenüber machen?
Für Hillary Clinton war der Auftritt am Montagabend Washingtoner Ortszeit ein Heimspiel. Die Favoritin für die Nominierung als demokratische Präsidentschaftskandidatin hat sich vor allem in ihrer Zeit als Aussenministerin während der ersten Präsidentschaft Obamas einen Ruf als eiserne Unterstützerin Israels erworben. Sie versuchte, diesen während ihrer Rede auszubauen. Anders als die gegenwärtige Administration werde sie als Präsidentin die zuletzt arg belasteten US-israelischen Beziehungen mit sanfterer Hand handhaben. Eine ihrer ersten Amtshandlungen werde es sein, Israels Premierminister ins Oval Office einzuladen, um mit ihm die Sicherheitsbedürfnisse Israels zu diskutieren.
Sie bekannte sich derweil zur Zwei-Staaten-Lösung. Diese könne aber nur durch direkte Verhandlungen der beiden Seiten erreicht werden. Damit erteilte sie einer französischen Initiative zu einer internationalen Konferenz ebenso eine Absage wie einer UN-Sicherheitsratsresolution, die einen Zeitplan und Parameter für die Lösung des Konflikts aufstellen würde. Berichten zufolge erwägt Obama ernsthaft, eine solche Resolution als Vermächtnis seiner Präsidentschaft zu unterstützen.
Wahrscheinlich zum Missfallen der meisten Zuhörer bekannte sich Clinton zum Atomdeal mit dem Iran. Israels Premier Benjamin Netanjahu hatte bis zuletzt gegen das Abkommen gekämpft – bekanntlich erfolglos. Clinton betonte aber, dass sie keine Toleranz bei iranischen Verstössen gegen das Abkommen zeigen werde.
Sie nutze ihren Auftritt vor allem, um Donald Trump hart zu attackieren, indem sie seine Israel-Treue in Frage stellte. Tatsächlich hatte Trump einmal gesagt, dass er angesichts des israelisch-palästinensischen Konflikts eine neutrale Vermittlerposition einnehmen werde, um so die Zwei-Staaten-Lösung zu ermöglichen. Den Begriff der Neutralität spiesste Clinton jetzt auf. Es könne keine Neutralität der USA in Bezug auf die Sicherheit oder das Überleben Israels geben, rief Clinton unter dem Beifall ihrer Zuhörer. Wenn Trump glaube, er könne gegenüber palästinensischem Terrorismus neutral bleiben, habe er im Amt des US-Präsidenten schlicht nichts zu suchen. An Clintons Aggressivität wurde deutlich, dass sie, die wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten, in Trump ihren republikanischen Herausforderer sieht.
Trump hatte es wegen seiner diesbezüglichen Äusserungen nicht einfach vor dem Auditorium. Überhaupt ist der Geschäftsmann aus New York aussenpolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Er versuchte am Montag, sich mehr aussenpolitisches Profil und Berechenbarkeit zuzulegen. So las er denn die von seinem Team vorbereitete Rede mehr oder weniger treu vom Teleprompter ab – wissend um die Fallstricke seiner freien Rede. Um alle Zweifel zu zerstreuen, pries er Israel über die Massen und erklärte sich zum treuesten Freund des Judenstaats. Einen heftigen Seitenhieb auf Obama konnte er sich trotz allem Bemühens um Seriosität nicht verkneifen. Der Amtsinhaber sei möglicherweise das Schlimmste, was Israel je passiert sei. Die AIPAC-Chefin entschuldigte sich anderntags für diese Äusserung. Schliesslich ist die Unterstützung von beiden Parteien entscheidend für die Schlagkräftigkeit ihrer Organisation. Das Publikum dankte ihm seine Rede indes mit stehenden Ovationen. Nur wenige verliessen den Saal. Trump hatte vor allem wegen offen rassistischer Unterstützer in seiner Anhängerschaft in der jüdischen Gemeinschaft des Landes Misstrauen und Besorgnis ausgelöst. Der Auftritt darf für ihn deshalb als grosser Erfolg gelten. Inhaltlich positionierte sich Trump gegen den Iran-Deal. Ihn zu demontieren sei seine Top-Priorität. Er werde ihn allerdings nicht am ersten Tag „killen“, sondern schrittweise, indem er seine Einhaltung aggressiv überwache. Auch Trump lehnte eine UN-Sicherheitsratsresolution ab. Israelis und Palästinenser müssten direkt zu einer Lösung kommen. Verhandlungen müssten ohne Vorbedingungen aufgenommen werden.
Sein innerparteilicher Herausforderer Ted Cruz griff Trump für den wiederholten Gebrauch des Wortes „Palästina“ an. Palästina habe 1948 aufgehört zu existieren, so der texanische Senator unter dem Applaus der Zuhörer. Auch Cruz sprach sich vehement gegen eine Internationalisierung des israelisch-palästinensischen Konflikts aus. Er würde als Präsident persönlich nach New York kommen, um im UN-Sicherheitsrat sein Veto gegen eine Resolution einzulegen. Den Atomdeal mit dem Iran werde er wegen seiner Mängel am ersten Tag im Amt beenden. Auch der dritte im Rennen verbliebene republikanische Präsidentschaftsbewerber, Ohios Gouverneur John Kasich, griff die Palästinenser heftig an. Sie seien geprägt von einer Kultur des Hasses und Todes. Allen Schritten zur Internationalisierung des Konflikts erteilte er wie alle Redner eine scharfe Absage.
Nicht persönlich erschienen war Clintons innerparteilicher Konkurrent Bernie Sanders. Der demokratische Linksaussen führte Terminprobleme an. Die vorgesehene Rede liess er dennoch veröffentlichen. Sanders, der Jude ist, setzte sich darin in Ton und Inhalt sowohl von Clinton als auch den Republikanern ab. Bislang aussenpolitisch eher blass, bekannte er sich zur Zwei-Staaten-Lösung. Allerdings zeigte er darin viel Verständnis für die palästinensische Seite. Er kritisierte die israelische Regierung für ihre Siedlungspolitik und Massnahmen wie das Zurückhalten von für die Palästinenser eingezogenen Steuergeldern. Ausdrücklich bekannte er sich zum Atomdeal mit dem Iran, sagte aber, dass bei Verstössen alle Optionen – offenbar auch militärische – auf dem Tisch lägen.
Israels Premier hatte sich entschieden, wegen des Wahlkampfes nicht persönlich nach Washington zu reisen. In einer Videobotschaft am Dienstagabend rief Netanjahu die AIPAC-Delegierten aber auf, sich nach Kräften gegen eine drohende UN-Resolution einzusetzen. Er sei sofort bereit, sich überall mit Palästinenserpräsident Abbas zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu treffen. Abbas fehle der politische Wille, nicht Israel. Insgesamt wird Netanjahu zufrieden sein. Ausser Sanders dürfte jeder Kandidat – ausweislich seiner Rede jetzt auch Trump – seinen Positionen näher sein als Amtsinhaber Obama.
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