Impuls zum Ostersonntag im Lesejahr C — 27. März 2016

Siehe, ich mache alles neu

Rom, Zenit.org, 27. März 2016
Peter von Steinitz
Kommentar zu Sonntagslesungen im Jahreskreis

Am ersten Tag der Woche…” (Joh 20,1). Die Worte, mit denen der Bericht von der Auferstehung des Herrn beginnt, vermitteln spontan den Eindruck eines wunderbaren Neubeginns. “Das Alte ist vergangen…” (2 Kor 5,17).

Und wie furchtbar war das “Alte”, das die Jünger und die heiligen Frauen mitgemacht haben! Teils mit teils ohne eigenes Verschulden.

Aber das ist eben die Art und Weise, wie Gott in seiner unbegreiflichen Güte mit uns Menschen umgeht. Er ist – völlig zu Recht – von uns Menschen oft masslos enttäuscht. Würde er uns vorrechnen, wo wir versagt haben, gäbe es kein Ende. Aber immer wieder zieht er einen Schlussstrich und sagt: ‘Es ist alles vergeben und vergessen, machen wir gemeinsam einen neuen Anfang!’

Und so sehen wir, wie Jesus Christus, der eben noch in furchtbaren Peinen und Qualen untergegangen ist, buchstäblich “im Triumph aus dem Grabe ersteht”, wie das schöne Kirchenlied singt. Er ist nur strahlende Freude und Liebe. Das Versagen der Jünger, immerhin seiner besten Freunde, die ihn im Stich gelassen, verraten und verleugnet haben, ist nun absolut kein Thema mehr. Als er den Jüngern das erste Mal erscheint, sind sie hocherfreut, wundern sich aber gleichzeitig, dass der Herr auf ihr Versagen gar nicht, auch nicht andeutungsweise, zurückkommt.

Hier wie überall ist es so, wie Papst Franziskus es mehrfach zum Ausdruck gebracht hat: “Gott wird nicht müde, seine Barmherzigkeit zu erweisen”. Allerdings dürfen wir auch nicht müde werden, unsere Fehler zu bereuen und sein Erbarmen anzusprechen.

Wie ergreifend sind die Begegnungen des Auferstandenen mit den Menschen. Wem ist er zuerst erschienen? Die Abfolge dürfte nicht zufällig sein. Da die Frauen im Gegensatz zu den Männern, die weggelaufen sind, treu bei ihm ausgeharrt haben bis unter das Kreuz, erscheint er ihnen zuerst.

Zuallererst wird ihn jedoch seine heiligste Mutter gesehen haben. Das dürfte so selbstverständlich sein, dass es im Evangelium nicht einmal erwähnt wird (oder aber weil Maria es aus Demut den Jüngern nicht erzählt hat). Maria ist voll der Gnaden und in allen Tugenden vollkommen, so  kann sie zusammen mit ihrem Sohn diesen plötzlichen Übergang von äusserstem Leid zu jubelnder Freude verkraften.

Die Apostel, die in den Tugenden jetzt noch nicht so weit fortgeschritten sind – Tugend heisst ja frei werden vom eigenen Ich – sie tun sich schwer damit, dass sie sich jetzt uneingeschränkt freuen sollen.

Geht es nicht auch uns manchmal so, dass wir das Erbarmen des Herrn (zum Beispiel in der Beichte) erfahren haben, aber uns dennoch von dem verziehenen Unrecht nicht so schnell trennen können, des öfteren darauf zurückkommen, sei es mit Zweifel oder auch mit einem erneuerten Bedauern.

All das will der Herr nicht. Es ist als wollte er uns sagen: ‘Ich habe dir, nachdem du bereut hast, ja verziehen. Wenn du jetzt doch noch darauf zurückkommst, empfinde ich es fast als kränkend, so als würdest du an meiner Barmherzigkeit zweifeln’.

Dann erfahren auch die Männer von der Auferstehung. Und auch da zuerst zwei der Apostel, nämlich Johannes und Petrus, und danach die anderen. Johannes, weil er als einziger Mann bis unter das Kreuz bei ihm ausgeharrt hat, und Petrus, weil er der wichtigste ist. Und es auch trotz seines Versagens bleibt, hat er doch an das Erbarmen Gottes mit seinen Tränen in so rührender Weise appelliert.

Wir sehen, alles hat auch für uns Vorbildcharakter. Die Grösse des heiligen Petrus besteht ja gerade nicht darin, dass er besonders intelligent oder in der damaligen Gesellschaft gut vernetzt ist, oder aber darin, dass er besonders charakterfest ist. Nein, Christus erwählt ihn zu seinem Stellvertreter, weil er, durch die Erfahrung der eigenen Schwäche gewitzigt, sich nicht auf sich selbst, sondern ganz auf den Herrn verlässt, und dadurch auch die Milde des Herrn ausstrahlen wird.

Johannes, der dem Herzen des Herrn am nächsten steht, kommt zuerst am Grabe an, aber er wartet, bis Petrus angekommen ist und lässt ihm den Vortritt. In seinem Auferstehungsbericht steht dann das etwas rätselhafte Wort: “Er sah und glaubte”. Bis zu diesem Augenblick hat er den Auferstanden durchaus nicht gesehen. Wieso glaubte er? Er sah zwar das leere Grab, aber das bedeutete nicht unbedingt, dass Jesus auferstanden war.

Wenn wir dem Text aufmerksam folgen, sehen wir, dass der Evangelist sehr genau, fast pedantisch die Situation des leeren Grabes beschreibt: “Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweisstuch, das auf dem Kopfe Jesu gelegen hatte” (Joh 20,10), das aber extra und zusammengefaltet daneben lag. “Er sah und glaubte.”

Was er sah, war die Position der Tücher, aus der hervorging, dass der Körper Jesu nicht aus den Leinenbinden herausgewickelt worden war. Das in Turin verehrte Grabtuch, in das Jesus eingewickelt worden war, lag offensichtlich so, wie die Einbalsamierer es hinterlassen hatten. Nur dass das Tuch und die darum gewickelten Binden unter Beibehaltung ihrer Lage eingesunken waren. Was wiederum nur möglich war, weil der Leib des Auferstandenen frei durch sie hindurch gegangen war, so wie er auch durch das verschlossene Grab ungehindert heraustrat.

Das Alte ist vergangen.

In der Auferstehung Jesu wird uns neben dem Erbarmen des Herrn weiterhin deutlich, dass wir nach vielen kleinen und grossen Neuanfängen uns auf den ganz grossen und ganz wichtigen Neubeginn freuen sollen. Denn wenn wir treu sind, werden auch wir dereinst in jene wunderbare lichtvolle neue Existenz hineingehen, in die der Herr uns vorausgegangen ist.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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