“Die wichtigste Tür ist die zum Beichtstuhl”
Patriarch Fouad Twal eröffnet die Heilige Pforte in Getsemani – Bethlehem und Nazareth folgen noch
Jerusalem, Die Tagespost, 14. Dezember 2015
Laut tönend pocht der Hirtenstab des Lateinischen Patriarchen gegen das Metall des Portals der Getsemani-Basilika. Langsam öffnen sich die hohen, mit Ölbaumzweigen verzierten Türflügel. Das von Papst Franziskus ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit hat damit auch im Heiligen Land begonnen. Jerusalems katholische Ortskirche hat sich zu der Feier am Sonntagnachmittag zahlreich eingefunden. Einheimische palästinensische Christen mischen sich mit den vielen Priestern und Ordensleuten aus aller Welt, die in der ältesten Teilkirche Dienst tun. Sie drängen durch die Heilige Pforte, berühren oder küssen den Corpus des grossen Kreuzes, das im Eingang zur Basilika aufgestellt ist. Diese war in den zwanziger Jahren erbaut worden. Kostbare Mosaiken und Alabasterfenster zieren das Gotteshaus. Katholische Nationen hatten sich zusammengetan, um der Todesangst Christi ein würdiges Gedächtnis zu bereiten. Ein vor dem Altar eingefasster Felsen wird als der Ort verehrt, wo der Herr mit seiner Sendung rang, ihm der Schweiss Blutstropfen gleich zu Boden fiel. Im vergangenen Jahr war Papst Franziskus bei seinem Heilig-Land-Besuch hier mit der Ortskirche zusammengekommen. Auch seine Vorgänger hatten die Heilige Stätte aufgesucht. Ein von Papst Paul VI. 1964 gepflanzter Ölbaum im Garten Getsemani erinnert an den ersten Besuch eines Papstes seit Petrus.
Patriarch Twal hatte vor Öffnung der Pforte mit seinen Weibischöfen, den Bischöfen der katholischen Ostkirchen und seinem Klerus in andächtiger Prozession den neben der Basilika gelegenen Garten umrundet. Die über tausend Jahre alten Bäume, deren Wurzeln möglicherweise in die Zeit des Herrn zurückreichen und Zeugen seines Leidens sind, ziehen jährlich Pilger aus aller Welt an. In seiner Predigt erklärte der Patriarch, welche geistliche Bedeutung die Getsemani-Basilika als Ort der Heiligen Pforte habe. “In dieser Basilika verehren wir die Agonie des Herrn. Sie endete aber nicht vor zweitausend Jahren, sondern dauert an im Leiden der Menschen aller Zeiten, der Kinder und aller Leidenden bis heute. Ich appelliere von hier an die ganze Welt für mehr Barmherzigkeit, Friede und Gerechtigkeit.“ Die Ortskirche von Jerusalem, die Zeugin des Leidens und der Barmherzigkeit des Herrn gewesen sei, sei deshalb besonders aufgerufen, sich heute allen leidenden Menschen gegenüber barmherzig zu erweisen. “Unsere Schulen, Krankenhäuser und anderen Einrichtungen müssen auf der Barmherzigkeit gegründet sein. Ohne die Barmherzigkeit ist unsere Existenz sinnlos. Die Barmherzigkeit muss das Kennzeichen der Kirche von Jerusalem sein, die von der Barmherzigkeit des Herrn so gesegnet worden ist.“ Die Heilige Pforte symbolisiere den Übergang vom Elend der Sünde zur Gnade Gottes. Twal kündigte an, dass nach Jerusalem noch weitere Heilige Pforten im Heiligen Land eröffnet würden. Am Heiligen Abend wird er selbst vor der Mitternachtsmesse die Zeremonie in Bethlehem vornehmen. Kurz darauf folgt die Verkündigungsbasilika in Nazareth.
“Die wichtigste Tür in diesem Jahr aber“, so Twal, “muss die Tür zum Beichtstuhl sein.“
Bei den Gläubigen kamen Twals Worte gut an. “Gottes Barmherzigkeit bedeutet mir alles. Alles hängt von ihr ab“, meint Dschumana, eine 31-jährige Christin aus Kana in Galiläa. “Wir hier im Heiligen Land brauchen sie dringlicher als alles andere.“ Die Sprachtherapeutin will in ihrer täglichen Arbeit ein wenig von dieser Barmherzigkeit verwirklichen. “Ich arbeite in Jerusalem in einer Einrichtung, in die christliche, muslimische und jüdische Kinder kommen. Ich behandele alle mit dem gleichen Einsatz und der gleichen Liebe, selbstverständlich auch die jüdischen Kinder. Das heisst natürlich nicht, dass ich mit Israels Politik gegenüber uns Palästinensern einverstanden wäre. Nicht im Geringsten. Aber ich unterscheide zwischen dem Menschen und der Politik. Schliesslich bin ich Christin.“
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