Die Mensch gewordene Wahrheit

Impuls zum 4. Adventssonntag im Jahreskreis C — 20. Dezember 2015

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Münster, 18. Dezember 2015, zenit.org, Msgr. Dr. Peter von Steinitz

Jetzt trennen uns nur noch wenige Tage vom Weihnachtsfest. Nach der Aufforderung “Gaudete – Freuet euch”, denn der Herr ist nahe, die wir am vergangenen Sonntag hörten, führt uns das heutige Evangelium noch einmal zu den Anfängen des Geheimnisses der Menschwerdung. Maria sucht voller Freude ihre Verwandte Elisabeth auf. Elisabeth ist betagt. Maria sagt sich, dass Schwangerschaft und Haushalt für sie belastend sein werden. Ihr  Wunsch ist, wie immer, zu helfen.

Die Geburt des Erlösers und seines Vorläufers hat auch ganz alltägliche Details.

Seit etwa zweitausend Jahren feiern die Christen Weihnachten. Dennoch ist das Weihnachtsfest in der uns bekannten Form nicht von Anfang an da gewesen. Erst seit dem Jahr 335 etwa wird es in Rom gefeiert. Der 25. Dezember ist auch kein historisches Datum, es ist nicht der wirkliche Geburtstag Jesu.

Die Christen haben damals in Rom das heidnische Fest des Sol invictus, des “Unbesiegten Sonnengottes” zum Geburtsfest des Herrn “umfunktioniert”. Während die Heiden, besonders die Anhänger des Mithras-Kultes, anlässlich der Wintersonnenwende den scheinbar unterlegenen, aber dann wiederkehrenden Sonnengott feierten, haben die Christen in Jesus Christus die wahre Sonne, das wahre Licht gesehen und verehrt. Damit haben sie etwas getan, was auf den ersten Blick wie ein schwaches Nachgeben aussieht, wie ein Sich-Anpassen an Fremdes. In Wirklichkeit aber stellt es die siegreiche Stärke der Wahrheit dar. Denn Christus ist die Wahrheit.

Hier wurde nämlich nicht ein vorhandener Kult usurpiert und übernommen, sondern das in jeder Religion vorhandene Potential an Wahrheit wurde aufgespürt und in die wahre Gottesverehrung mit einbezogen. So sind auch gerade in Rom viele der heidnischen Tempel entweder zu christlichen Kirchen umgestaltet worden, oder aber es wurden zumindest Teile, vor allem die Säulen, wieder verwendet. Wohlgemerkt nicht nur aus praktischen Gründen.

Es geht nun mal bei der Religion um die Wahrheit, denn wenn ich einmal dieses Leben beendet habe, möchte ich wenigstens eine gewisse Sicherheit haben, dass das, was ich von dem anderen Leben bisher geglaubt habe, auch Wirklichkeit ist.

Es ist ja ein Unterschied, ob ich dann einem elefantengestaltigen Gott entgegentrete, einem strengen und abweisenden oder einem, der sich nicht für mich interessiert. Oder aber ob da womöglich gar keiner ist. Gegenüber all diesen Optionen ist mit Sicherheit die christliche die erfreulichste. Ein Gott, der zu mir sagt: “Besitze das Reich, das dir von Anfang an bereitet war” oder “Tritt ein in die Wonne deines Herrn!” Und falls ich noch nicht genügend dazu vorbereitet bin, habe ich die Möglichkeit, im Läuterungsort das, was noch nicht in Ordnung ist, in Ordnung zu bringen.

Sehr wichtig also ist die Wahrheit, man könnte sie gleichsetzen mit dem Begriff Realität. Es ist bedrückend sich vorzustellen, dass man nicht in der Realität ist. Wie bedauernswert sind Menschen, die in einem Wolkenkuckucksheim wohnen oder die lange Zeit mit einer “Lebenslüge” existieren.

Vor einigen Jahren schrieb ein namhafter Philosoph, Laekebrink, ein Buch, dessen blosser Titel alles über die heutige Situation sagt: “Die Wahrheit in Bedrängnis”. Wir sind es als Christen gewohnt – und der westliche Mensch ist auch heute immer noch so sehr Christ, dass ihm das selbstverständlich klar ist –, nämlich dass es eine absolute Wahrheit gibt, die auch dann unverändert bestehen kann, wenn kein Mensch von ihr weiss oder an sie glaubt. Diese Einstellung haben wir unreflektiert, sozusagen unbewusst in uns. In anderen Kulturen ist das nicht unbedingt so.

Freilich haben wir da heute, wahrscheinlich aufgrund der jahrzehntelangen Berieselung durch den Marxismus-Kommunismus und andere Ideologien, starke Einbrüche. Für viele ist tatsächlich die Wahrheit in Bedrängnis.

“Das ist vielleicht wahr für dich, aber für mich ist es das nicht”, sagt manch einer und merkt selber nicht, dass er eigentlich nur der erkannten Wahrheit widersprechen will. Mit Recht warnte Papst Benedikt XVI. vor der “Diktatur des Relativismus”. Es wird uns manchmal geradezu eingebläut, dass die Wahrheit, die wir glauben, nur relativ ist.

Denn wenn das wirklich so wäre, vor allem in Dingen der Religion, dann käme alles, was uns etwas bedeutet, ins Schwimmen. Ja, mehr noch, das Leben selbst würde stark an Qualität verlieren, denn einen absoluten Festpunkt haben wir dann nirgendwo mehr. Wohlgemerkt nicht nur im Bereich des Denkens, auch im Leben: Familie, Kinder, Ehepartner, Freunde – es kann so sein wie ich denke, es kann aber auch anders sein. Und am Ende sagen wir mit Pilatus: “Was ist Wahrheit”.

Gott, unser Vater, der uns liebt und für uns Frieden und Freude will – allerdings immer unter Wahrung unserer Freiheit –, er gibt uns auch hier einen tiefen inneren Frieden: ja, ich kann mich darauf verlassen, dass es etwas gibt, das wahr ist und wahr bleibt, und zwar für mich (subjektiv), aber auch für andere (objektiv). Daran kann ich mich festhalten, das gibt meinem Leben Halt.

Was es nun aber mit dieser absoluten, durch nichts zu relativierenden Wahrheit auf sich hat, das hat uns Gott nach und nach und zunächst nur durch Propheten zu verstehen gegeben. Dann aber als der Zeitpunkt da war, den die Schrift die Fülle der Zeiten nennt, schickte er seinen Sohn, den Logos, das Wort des Ewigen Vaters, der vor allem aus diesem Grunde Mensch wurde: damit wir Menschen wieder einen Halt bekämen.

Wenn wir in wenigen Tagen Weihnachten feiern, wird uns das wieder deutlich gezeigt: ich kann mich auf etwas verlassen, das wirklich ist, das sich auch nicht verändert oder gar verschwindet.

Und dies ist nicht nur irgendeine gute Idee, auf die ich bauen kann – es ist die Liebe Gottes selbst, auf die ich mich felsenfest verlassen kann. Dieses Kind in der Krippe, das noch kein Wort sagen kann, es ist derselbe Jesus, der später sagen wird: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben”. Nicht nur dass er die Wahrheit sagt und vermittelt, er ist die Wahrheit.

Mit anderen Worten: wenn ich mich an dieses schwache, wehrlose Kind halte, dann habe ich absoluten Halt in meinem Leben. Seine Wahrheit kann ich glauben, sie übersteigt manchmal meinen Horizont, aber sie ist auch nie widersinnig, wie es die Aussagen anderer Religionen manchmal sind. So ist z.B. das Dogma der Dreifaltigkeit bestimmt über unserem Fassungsvermögen, aber dennoch ist es keineswegs unvernünftig.

Wenn ich nun alle Aussagen zusammenfasse, die sich auf diesen Jesus gründen – und die Überlieferung dieser Aussagen ist zuverlässig -, dann weiss ich, damit und davon kann ich leben. Es mag manchmal anspruchsvoll sein, was der Herr von uns möchte, aber es hat Sinn – auch das ein Teil der Wahrheitsproblematik. Wenn das Leben keinen Sinn hat, verliert der Mensch alle Lebenskraft.

Schauen wir mit Freude und in einem grossen inneren Frieden auf dieses kleine Kind, das uns so freundlich anlächelt. Es ist die Wahrheit in Person, aber zugleich – und beides zusammen ergibt herzerwärmende Fülle – auch die Liebe.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: “Pantaleon der Arzt“, “Leo – Allah mahabba” (auch als Hörbuch erhältlich) und “Katharina von Ägypten“.

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