Das Ende der Menschheit

Zu den gefährlichsten Irrtümern unserer Zeit gehört zu meinen, Wissen und Weisheit seien Geschwister oder unterhielten eine andere Verwandtschaftsbeziehung

stefan rehderVon Stefan Rehder

Die Tagespost, 11. Dezember 2015

Zu den gefährlichsten Irrtümern unserer Zeit gehört zu meinen, Wissen und Weisheit seien Geschwister oder unterhielten eine andere Verwandtschaftsbeziehung. Tatsächlich ähnelt die Relation von Wissen und Weisheit aber der von Cleverness und Klugheit. Auch die kommen nicht aus demselben Stall. Auch hier kann das eine vom anderen unberührt bleiben, sogar ein Leben lang. So gesehen hat der “International Summit on Human Gene Editing”, der vergangene Woche in Washington stattfand, der Welt zwar eindrucksvoll vor Augen geführt, dass die Wissenschaftler bereits genug über das “Genome Editing” wissen, um sich keinerlei Illusionen über die Gefahren zu machen, die mit der neuartigen CRISPR/Cas9-Technologie verbunden sind. Er hat aber auch gezeigt, dass die Mehrheit der dort versammelten Forscher nicht weise genug ist, um diese Gefahren auch bannen zu wollen (DT vom 8.12.).

Das ist umso tragischer, als die neueste Generation künstlicher Genscheren, die sich hinter dem Kürzel CRISPR/Cas9 verbergen, um ein Vielfaches potenter sind als jene Instrumente, mit dem die Biobastler bisher ihre Werkzeugkästen bestückten. Statt binnen Monaten und Wochen – wie Zinkfinger-Nukleasen und TALEN – lassen sich CRISPR/Cas9-Genscheren binnen weniger Tagen im Labor designen. Zudem können die Forscher mit den neuen Genscheren – anders als mit ihren Vorgängern – mehrere Ziele gleichzeitig auf der im Zellkern verborgenen Erbinformation ansteuern, die DNA aufspleissen, inaktive Gene ein- und aktive Gene ausschalten, ganz entfernen und andere einsetzen. In der Phantasie der Forscher macht dies die Genscheren zu einem mächtigen Instrument, mit dem sich genetisch bedingte Krankheiten an der Wurzel korrigieren und sogar ausrotten liessen. Doch das ist eine Illusion. Denn wahr ist, dass die Genscheren zusätzlich zu den Zielen, die sie ansteuern sollen, immer auch solche ansteuern, die die Forscher gar nicht ins Visier nehmen wollen. Das sogenannte “off-Targeting” das bislang allen Genscheren immanent ist, kann bei multiplexen Instrumenten wie CRISPR/Cas9 noch verheerendere Wirkungen entfalten, als bei den bislang verwandten. Versuche mit Schweinen haben gezeigt, dass die Zellen bei einer mehrfach aufgespleissten DNA keinesfalls jeweils nur die richtigen Chromosomenenden wieder zusammenbinden. Ein Zell-GAU also. Hinzu kommt, dass der Ursprung der CRISPR/Cas9-Genscheren in Streptokokken-Bakterien liegt, die bei der Anwendung beim Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit Immunreaktionen auslösen würden.

Selbst wenn sich alle diese Probleme einmal lösen und sich die Technologie gefahrlos beim Menschen einsetzen liesse, würde sie sich nicht bloss zur Heilung genetisch bedingter Krankheiten, sondern auch zur Schaffung neuer Menschen eignen. Man muss nicht an Gott glauben, um sich über die Konsequenzen dessen klar werden zu können. Auch wer den Menschen für ein zufälliges Produkt der Evolution hält – wofür nach Lage der Dinge freilich eine Menge Glauben nötigt ist – konnte einer Sache bislang völlig sicher sein. Was immer der Grund für seine genetische Ausstattung sein mag, er verdankte sie jedenfalls nicht der Laune anderer Menschen. Was es bedeuten würde, wenn diese Gemeinsamkeit einmal entfiele, lässt sich heute nur in Ansätzen erahnen. Mit Sicherheit aber würde es das Ende der Gleichheit der Menschen und damit auch das Ende der Demokratie bedeuten. Mehr noch, es wäre das Ende der Menschheit, jedenfalls der, die wir kennen. Ein Verbot der CRISPR/Cas9-Technologie wäre daher ein Akt der Selbstverteidigung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel