Was das Herz wirklich ersehnt
Das Meeting von “Comunione e Liberazione” in Rimini befasst sich auch mit dem Frieden zwischen den Religionen
Quelle
Comunione e Liberazione
Famiglia cristiana.it
Meeting Freundschaft unter den Völkern
Von Guido Horst
Rimini, Die Tagespost, 21. August 2015
Auf dem Messegelände der Adriastadt Rimini hat am Donnerstagnachmittag das “Meeting für die Freundschaft unter den Völkern” der katholischen Bewegung “Comunione e Liberazione” begonnen. Bis zum kommenden Mittwoch werden Tausende von Besuchern die Gelegenheit haben, 78 Podiumsveranstaltungen zu besuchen, bei denen 218 Referenten aus aller Welt vor den Mikrophonen sitzen. Ein Schwerpunkt des jährlichen Kulturtreffens sind immer die Ausstellungen zu Kunst, Geschichte und Religion.
Diesmal haben die Veranstalter fünfzehn Schauen vorbereitet, durch die rund um die Uhr Führungen angeboten werden. Es gibt dreizehn Theateraufführungen und siebzehn sportliche Wettkämpfe. Damit alles – von der Organisation der Vorträge und Diskussionsrunden bis hin zum Betrieb der Restaurants und der Betreuung der Kinder – reibungslos verläuft, haben sich 2 145 freiwillige Helfer, meist junge Leute, schon einige Tage vor der Eröffnung des Meetings in Rimini eingefunden. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi wird am kommenden Dienstag erwartet.
Das Meeting, das jetzt zum 36. Mal stattfindet, hat diesmal wieder – wie oft in den vergangenen Jahren – einen sehr poetisch klingenden Titel. Es handelt sich um einen Vers aus einem Gedicht des italienischen Poeten Mario Luzi (1914–2005): “Was ist das für ein Mangel, o Herz, von dem du ganz und gar erfüllt bist?”
Der erste, der auf dieses Thema eingegangen ist, war Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der im Auftrag von Papst Franziskus eine Grussbotschaft an das Meeting gerichtet hat. Das “unruhige” Herz des Menschen sei immer “auf der Suche” nach Antworten auf Fragen “über den Sinn des Lebens und des Todes, über die Liebe, den Wert der Arbeit, die Gerechtigkeit und das Glück”. Fragen, auf die die Welt von heute nur “Teilantworten” gebe, die “falsche Perspektiven” hervorriefen. Dies beinhalte die “Gefahr einer Leugnung der Würde der menschlichen Person”, so Kardinal Parolin. Eine beängstigende “ideologische Kolonisierung” trage ausserdem dazu bei, “die Wahrnehmung der wahren Bedürfnisse des Herzens zu beeinträchtigen”, so dass sich ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit ergebe. Nur Gott biete “die Antwort, nach der sich alle sehnen”, denn nur er allein könne “das Mass des Herzens füllen”. Deshalb müsse man “Gott vertrauen”, heisst es in der Botschaft des Kardinalstaatssekretärs. Selbst wenn sich das Leben eines Menschen als ein “Stück Land voller Dornen und Unkraut” erweise, gebe es irgendwo immer noch “eine Ecke, in der der gute Same aufkeimen kann”.
Direkt die erste Podiumsveranstaltung am Donnerstag widmete sich der Beziehung zu Gott, ihr Thema lautete: “Religionen sind ein Teil der Lösung und nicht das Problem”. Auf dem Podium sassen Kardinal Jean-Louis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog, Azzedine Gaci, Rektor der Othmane-Moschee in Villeurbanne bei Lyon, und der Oberrabbiner von Frankreich, Haim Korsia. Der Muslim Gaci wollte in seinem Vortrag aufzeigen, dass Völker und Religionen zusammenleben können, ging aber von den dramatischen Entwicklungen der heutigen Zeit aus. “Wir leben in einer Epoche tiefsten Unverständnisses. Es findet eine Globalisierung der Religionen statt, über die man sich auch Fragen stellen muss: Gelingt es den drei grossen monotheistischen Religionen, in Europa zusammenzuleben? Schaffen sie es, einen dauerhaften Frieden herzustellen, oder schüren sie den Terrorismus?” Gaci nannte drei Voraussetzungen, um die Gewalt zu überwinden, die sowohl für jeden Einzelnen, für die Institutionen und für die gesellschaftlichen Gruppen gelten. Zunächst gelte es, den Anderen zu kennen. Dann sei ein wahrer Gläubiger nie allein. “Die Gegenwart des Anderen ist immer auch die Gegenwart Gottes durch den Anderen.” Als drittes nannte Gaci den Respekt, der mehr sei als Toleranz, und fügte an Kardinal Tauran und den Oberrabbiner gewandt hinzu: “Jedes Mal, wenn wir uns begegnet sind, bin ich bereichert zurückgekehrt.”
Kardinal Tauran befasste sich in seinem Statement mit der religiös motivierten Gewalt, wie man sie derzeit im Islam erlebt – “auch wenn es sich dabei offensichtlich nicht um den wahren Islam handelt, wie er von der Mehrheit seiner Anhänger praktiziert wird”. Es sei wichtig, immer das, was religiös sei, von dem zu unterscheiden, was politische Wurzeln habe. Alle Religionen würden darin übereinstimmen, Werte wie das Leben, die Würde der menschlichen Person, die Familie, die Brüderlichkeit und die gegenseitige Hilfe zu verteidigen.
Diese erste Veranstaltung des Meetings hatte der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella zum Anknüpfungspunkt für seine Grussbotschaft an das Katholikentreffen genommen. Er dankte den Organisatoren und Helfern des Meetings, das im Verlauf der Jahre viele Freundschaften und Beziehungen hervorgebracht habe. Das diesjährige Treffen beginne mit einer wichtigen Veranstaltung über die Religionen, erklärte Mattarella und fügte in Anlehnung an Papst Franziskus die Warnung vor einem Dritten Weltkrieg hinzu: “Von der Fähigkeit zum Dialog, zu gegenseitigem Verständnis und zur Zusammenarbeit zwischen den Religionen hängt der Friede in der Welt ab. Der Terrorismus, der auch von fanatischen Verdrehungen des Glaubens an Gott genährt wird, versucht, im Mittelmeerraum, im Mittleren Osten und in Afrika die Samen eines Dritten Weltkriegs zu säen. Es ist unsere Verantwortung, das aufzuhalten. Es liegt an uns, den Hass auszutrocknen, Vertrauen und Zusammenarbeit wachsen zu lassen und die Vorteile des Friedens aufzuzeigen.”
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