Deutschland

100 Flüchtlinge in der ehemaligen Abtei Weingarten

weltflüchtlingstag 2014Quelle
Abtei Weingarten

Flüchtlinge liegen der Kirche am Herzen. Das beweist in Deutschland die Diözese Rottenburg-Stuttgart, wo im Kloster Weingarten eine Bedarfserstaufnahmestelle eingerichtet wurde. Unser Kollege Michael Hermann hat vor Ort mit dem Flüchtlingsbeauftragten der Diözese, Thomas Broch, gesprochen:

RV: Wir stehen hier in unmittelbarer Nähe der Bedarfserstaufnahmestelle, die im Kloster Weingarten eingerichtet worden ist . Darf ich Sie um ein kurzes Update bitten?

“Derzeit sind hier in der ehemaligen Abtei Weingarten etwa 100 Flüchtlinge. Aus unterschiedlichen Ländern, den arabischen Bürgerkriegsländern, aus dem Westbalkan. Es sind in aller Regel Familien mit kleinen Kindern, mit Schwangeren, es sind auch Säuglinge mit dabei. Das war eine unsere Bedingungen, dass man “most vulnerable persons” hier aufnimmt, also besonders verletzliche Personen. Das klappt gut hier, auch angesichts der überraschenden Situation. Alle Beteiligten geben sich grosse Mühe. Auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist erstaunlich und lobenswert gut.”

RV: Die Diözese Rottenburg-Stuttgart engagiert sich ja, auch in ihrer Person, sehr für die Unterbringung, für die Aufnahme von Flüchtlingen. Wieviel Spielraum, wie Kapazität ist noch vorhanden? Wie ist das weitere Szenario? Können noch weitere Liegenschaften mobilisieret werden?

“Es sind schon eine ganze Reihe von Liegenschaften mobilisiert, darunter auch insgesamt vier Klostergebäude. Eines davon ist auch noch belebt durch die Schönstätter Marienschwestern, die anderen stehen leer. Eine ganze Reihe von Gemeindezentren, Pfarrhäuser, stillgelegten Kindergärten. Wir sind derzeit dabei, in einer diözesanweiten Umfrage die Potenziale zu erheben, auch qualifiziert zu erheben, welche Gebäude nicht nur da sind, sondern für welche Nutzung zur Verfügung stehen. Wir warten die Ergebnisse ab. Die Leerstände sind noch nicht unbegrenzt. Aber es ist sicherlich noch einiges da. Und die Bereitschaft in den Gemeinden erlebe ich als sehr gross.”

RV: Die politische Debatte konzertiert sich auf den relativ grossen Anteil von Flüchtlingen vom Balkan. Sie empfinden diese Debatte als kritisch und zweischneidig.

“Ich erlebe die aktuelle Debatte über die Balkanflüchtlinge fast als diskriminierend. Es werden Klassen von Flüchtlingen konstatiert. Und es werden in der Bevölkerung durch politische Rhetorik sehr viele Vorurteile verstärkt. Das halte ich für sehr problematisch. Niemand flieht aus Übermut. Auch der überwiegend grosse Anteil der Balkanflüchtlinge hat ein Schicksal. Ich bin mir bewusst, dass das deutsche Asylrecht, so wie es jetzt im Grundgesetz gestrickt ist, nicht das ausreichende Instrumentarium ist, diese ganze Verelendung in den Balkanländern aufzufangen. Das weiss ich sehr wohl. Ich würde aber erwarten, und da warte ich bisher vergeblich darauf, dass die Europäische Kommission, die EU-Mitgliedstaaten, auch die Bundesrepublik, mit einer ähnlichen Vehemenz, wie Griechenland zur Räson gerufen wird, ihre eigenen Mitgliedsstaaten, auch die Anwärterstaaten auf dem Balkan aufruft und sie dabei auch unterstützt, die soziale Situation zu verbessern und insbesondere die Menschenrechte von Minderheiten nicht so zu diskriminieren, wie das derzeit passiert.”

rv 21.08.2015 mh/no

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